Wertstromanalyse & Co.

Wie "grünes" Lean Management geht

24.11.2015
Von 


Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
Viele Unternehmen wünschen sich schlanke Prozesse, am besten auch noch kostensparend, energieeffizient und entsprechend nachhaltig. Der neue Ansatz "Green Stream Design" soll das möglich machen. Doch wie funktioniert das genau?

Fabian Kehle von der Unternehmensberatung MHP aus Ludwigsburg erklärt, wie Lean Management und Wertstromanalyse allgemein heute funktionieren und stellt den gemeinsam mit der ESB Business School an der Hochschule Reutlingen entwickelten neuen Ansatz "Green Stream Design" vor, der ökonomische mit ökologischen Aspekten verbinden soll.

Was ist Green Stream Design genau?

Im Folgenden erklären Fabian Kehle und Professor Manfred Estler von der ESB Business School den Ansatz des "Green Stream Design":

Im Green-Stream-Design-Ansatz werden das ökonomische und das ökologische Modell des Prozessdesigns - vornehmlich in der Produktivwirtschaft - miteinander kombiniert. Konkret bedeutet das, schon bei der Analyse sämtliche Arbeitsschritte und Energieverbraucher zu erfassen und ihnen neben Kennzahlen wie Durchlauf- und Rüstzeiten auch den Energieverbrauch und die CO²-Emissionen zuzuweisen. Sichtbar werden damit nicht nur ineffiziente Abläufe, transparent wird auch die Verschwendung von Energie. Um beides gleichermaßen zu optimieren, wurden ebenfalls Gestaltungsrichtlinien entwickelt, die sich in vier Dimensionen gliedern. Zunächst der schnelle Kurzüberblick:

Bei der Prozessanalyse werden die Abläufe gemäß den Vorgaben aus dem herkömmlichen Wertstromdesign ausgerichtet. Es geht hier also beispielsweise darum, einen Schrittmacher-Prozess zu definieren und die einzelnen Arbeitsschritte in einen kontinuierlichen Fluss zu bringen. Maßgabe ist aber auch – und das ist anders als im herkömmlichen Modell –, Maschinen und Produktionstakt zu synchronisieren. Auf diese Weise werden bislang zu schnell und damit ineffizient betriebene Maschinen gedrosselt, sodass ihr Wirkungsgrad zunimmt.

Regionalisierung von Beschaffung

Zu den Optimierungsmaßnahmen mit einem Fokus auf den Energieverbrauch zählt zum Beispiel auch die Regionalisierung der Beschaffungsstrukturen. Die Effizienzanalyse basiert auf dem Modell des Energiewertstroms – im Mittelpunkt steht also die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs. Vier Ansatzpunkte können dazu beitragen: die Neubeschaffung von Maschinen und Anlagen, die Substitution der eingesetzten Produktionstechnologie, der Austausch von einzelnen Komponenten und die energetische Integration der Produktionsprozesse.

Den Blick auf den auf den gesamten Energieverbrauch aller Maschinen richtet die Relationsanalyse. Dabei werden zunächst die Energiemuster der einzelnen Arbeitsschritte im zeitlichen Verlauf betrachtet; ungenutzte Ressourcen wie etwa Abwärme und der Bedarf der Verbraucher werden gegenübergestellt. So lässt sich zum einen erkennen, wo Energie mehrfach verwendet werden kann. Zum anderen kann der Verbrauch geglättet werden – Leistungsspitzen werden also beseitigt.

Gleichermaßen wirtschaftlich wie nachhaltig - das ist die Kunst des Green Stream Designs.
Gleichermaßen wirtschaftlich wie nachhaltig - das ist die Kunst des Green Stream Designs.
Foto: 6kor3dos - www.shutterstock.com

Zuletzt erfolgt die Energiemixanalyse. Dabei geht es um die Frage, aus welchen Quellen die verbrauchte Energie stammt und ob sich ökologisch sinnvolle Alternativen zu ökonomisch vernünftigen Kosten finden lassen.

Erfolgreicher Praxistest

Erprobt wurde das Green Stream Design erstmals bei einem Hersteller von Landmaschinen – und zwar bei der Fertigung von Antriebswellen der Dreschvorrichtung für Mähdrescher. Dieser Prozess eignete sich besonders gut, weil er eine Reihe von unterschiedlichen Arbeitsschritten umfasst: Der Stahl für die Antriebswellen muss erhitzt, gebogen und gefräst werden, die einzelnen Komponenten sind schließlich zu montierten. All das fand nicht in einer Werkhalle, sondern auf dem ganzen Gelände verteilt statt.

Die Aufnahme des Satus quo lieferte folgende Erkenntnisse:

  • Produzierte Stückzahl: ca. 12.000 pro Jahr

  • Durchlaufzeit pro Stück: ca. 12.800 Minuten

  • Bestand: ca. 2000 Stück

  • Lieferzeit pro Stück: 8.300 Minuten

  • Energieverbrauch: ca. 270 MWh pro Jahr

  • CO²-Emissionen: 750 Tonnen pro Jahr

  • Kosten: 250 Euro pro Stück

Mit einer Neugestaltung der Prozesse lassen sich alle Kennzahlen verbessern:

  • Durchlaufzeit pro Stück: Reduzierung um 68 Prozent

  • Bestand: Reduzierung um 62 Prozent

  • Lieferzeit pro Stück: Reduzierung um 97 Prozent

  • Energieverbrauch: Reduzierung um 62 Prozent – das entspricht etwa einer Reduzierung der Energiekosten pro Teil um 83 Cent

  • CO²-Emissionen: Reduzierung um 99 Prozent

Das Beispiel macht einen zentralen Punkt sehr gut deutlich: Die Produktion nach ökologischen Gesichtspunkten auszurichten, bedeutet nicht, Nachteile bei der Prozesseffizienz in Kauf nehmen zu müssen. Ganz im Gegenteil. Nichtsdestotrotz kann es in der Praxis natürlich auch zu Zielkonflikten kommen. Dann liegt es an der Strategie eines Unternehmens, sich für den ökonomischen oder den ökologischen Weg zu entscheiden. Durch den Einsatz des Green Stream Designs wird der gewählte Weg auf jeden Fall bewusst eingeschlagen.

Und was hat die IT damit zu tun?

Was bedeutet dieser neue Ansatz nun für die IT- und hier speziell für die Softwarebranche? Professor Manfred Estler erklärt uns, warum eine solche Analyse gerade im Industrie-4.0-Kontext künftig besser online vorgenommen werden sollte: