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Wie Breuninger das Risiko der IT-Änderungen mindert

16.08.2017
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Erst die Prozesse, dann die Tools

Als die Prozesse schließlich definiert waren, kam die Frage der Werkzeugunterstützung auf den Tisch. Breuninger hatte beim Thema Softwareverteilung bereits gute Erfahrungen mit dem Tool "Empirum" von Matrix42 gemacht. Da Consulting4IT unter anderem auch Matrix42-Platinum-Partner ist, sprach Vieles dafür, den Versuch mit "Matrix42 Service Desk" zu wagen.

An und für sich unterscheiden sich die Softwareprodukte bei der Handhabung des Service Desk kaum, räumen die Berater ein. Allerdings schlug für Matrix42 ein weiteres Argument zu Buche: Das Unternehmen bietet quasi ein komplettes Tool-Portfolio für das IT-Service-Management (ITSM). Dazu zählen beispielsweise Werkzeuge für den Service-Katalog und das Asset-/Configuration Management. Neben dem Incident-, Problem- und Change-Management waren dies genau die Funktionen, die Breuninger parallel einführen wollte.

Mit Hilfe eines Service-Katalogs - ergänzt um eine Warenkorbfunktion mit Vollkostenbetrachtung - können die Anwender nicht nur IT-Dienstleistungen ohne großen Aufwand bestellen; vielmehr sollen sie gleichzeitig erkennen, welche Kosten ihre Anforderungen verursachen. Viele überlegen sich dann, so das Kalkül, ob die gewünschte Beschaffung oder Änderung ihnen die Arbeit tatsächlich so stark erleichtert, dass sie sich unter dem Strich lohnt.

Diese Transparenz hat aus Sicht der Breuninger-IT einen willkommenen Nebeneffekt: Die internen Kunden müssen sich erstmals wirklich mit Service-Level-Vereinbarungen auseinandersetzen. Offiziell gibt es drei Dienstleistungsgrade: Gold, Silber und Bronze. Aber erfahrungsgemäß erwarten in solchen Fällen fast alle einen Gold-Service, auch wenn der von ihrem Service-Level-Agreement (SLA) gar nicht abgedeckt ist. "Vereinbarungen und Erwartungen laufen häufig auseinander", berichtet Postel aus Erfahrung.

Das Configuration-Management ist wichtig, um den eingangs geschilderten Super-GAU infolge von Infrastrukturänderungen zu verhindern. Wer den Überblick über seinen IT-Bestand verliert, kann Abhängigkeiten und Wechselwirkungen leicht übersehen.

Die Breuninger-IT wirkt dem entgegen, indem sie alle eingesetzten Komponenten in einem Abhängigkeitsbaum darstellt sowie valide Stammdaten in einer Configuration Management Data Base (CMDB) verwaltet.

... und schließlich die Köpfe der Mitarbeiter

Als Warenwirtschaftssystem nutzt Breuninger Dynamics AX von Microsoft.
Als Warenwirtschaftssystem nutzt Breuninger Dynamics AX von Microsoft.
Foto: Breuninger

Direkt betroffen von der neuen Lösung mit ihren festgeschriebenen Arbeitsabläufen sind mehrheitlich die Spezialisten für den IT-Betrieb. Auf den ersten Blick erstaunt es deshalb, dass von deren Seite kaum Widerstand zu spüren war. "Der IT-Betrieb hat die Vorteile schnell gesehen", bestätigt Pandza. Das heiße aber nicht, dass jeder die Prozesse ad hoc beherrscht hätte. Einzelne Mitarbeiter habe sie schon an die Hand nehmen und mit ihnen gemeinsam die ersten Changes aufsetzen müssen.

Auch die externen Entwickler ließen sich relativ rasch überzeugen, dass sie künftig mit der neuen Lösung arbeiten müssen. Als bezahlte Dienstleister hatten sie wohl kaum eine Wahl.

Um die internen IT-Berater - zum Teil ehemalige Fachbereichsmitarbeiter - und das mittlere Linien-Management vom Mehrwert der Lösung zu überzeugen, brauchte Pandza etwas mehr Zeit. Ihnen gefiel es verständlicherweise nicht so gut, dass sie nun einen verbindlichen und transparenten Prozess einzuhalten hatten, der wenig Spielraum für jahrelange Beziehungen und geschliffene Überredungskünste ließ. Einige Mitarbeiter mussten zudem neue Abläufe und Rollen erlernen. Doch im gewohnt vertrauensvollen Umgang miteinander gelang es Pandza, die anfänglichen Bedenken zu zerstreuen.

Dazu trug auch der semiflexible Ansatz bei, auf den man sich schließlich einigte. Er erlaubt es, in begründeten Einzelfällen vom Standardprozess abzuweichen. Neben den Change-Typen "Projekt", "Non-Standard", "Bugfix" und "Hotfix" hat Breuninger auch die "Einzelversorgung" definiert. Das ist eine Änderung, die nachweislich keine Auswirkungen auf andere Systeme mit sich bringt. Und die darf auch schon einmal außerhalb des Software-unterstützten Standardprozesses vollzogen werden - sofern der Produktverantwortliche einverstanden ist. "Wir wollen ja durchaus die Eigenverantwortung unserer Mitarbeiter stärken", bekennt Postel.

Auf eines lassen sich die Change-Management-Experten aber nur sehr selten ein: "Anpassungen der Matrix42-Lösung wollen wir möglichst vermeiden.", erläutert Volckmann, "stattdessen ist es häufig sinnvoller, den Prozess leicht zu modifizieren, um so nicht update-sichere und kostspielige Customizings zu vermeiden."

Leicht verdauliche Pakete

Budgets für Infrastrukturprojekte sind oft schwer zu bekommen. Solche Vorhaben gelten eher weniger als "hip" und "sexy", taugen also nicht zur Außendarstellung. Zudem lässt sich der Return on Investment (RoI) kaum im Voraus beziffern. Doch für Postel stand fest: "Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, wie man eine so komplexe Architektur anders hätte handhaben können." Die Frage sei nie gewesen, ob es getan werden musste, sondern nur, ob es richtig und schnell genug gemacht würde.

Um die Budgetfreigabe zu erleichtern, unterteilte der CIO das Gesamtvorhaben in "verdauliche Pakete", wie er selbst es ausdrückt. Jeden Projektabschnitt versah er mit einem separaten Preisschild. Und die Erfolge aus der vorangegangenen Phase halfen ihm, den Segen für die nächste zu bekommen: "Dazu konnte ich bereits die Statistiken nutzen, die sich mit dem System erzeugen ließen - Auswertungen, die vorher überhaupt nicht möglich waren."

Ehrgeizige Zukunftspläne

Für die Inbetriebnahme des Change-Management-Systems hatten sich der CIO und sein Team ein unverrückbares Ziel gesetzt: Es sollte gleichzeitig mit dem neuen Warenwirtschaftssystem in Betrieb gehen. Innerhalb eines Dreivierteljahres mussten also die definierten Prozesse umgesetzt sein - im Tool und auch in den Köpfen der Mitarbeiter.

Der Termin wurde gehalten. Im Oktober 2015 war die Implementierung abgeschlossen, auch wenn die Lösung naturgemäß immer noch angepasst und verbessert wird. Den Grad der Fertigstellung bezifferte Postel mit 90 Prozent. Und Pandza konstatiert: "Mittlerweile flutscht das auch bei allen Mitarbeitern."

Tatsächlich können sich der CIO und seine Leute jetzt darauf konzentrieren, die benachbarten Prozesse - vor allem Warenkorb und Service-Katalog - weiter zu verbessern. Zwei Fachbereiche nutzen hierfür schon eine Pilotanwendung mit einer Handvoll Services, die besonders häufig beansprucht werden, zum Beispiel für die Einrichtung eines neuen Arbeitsplatzes. "Daran üben wir", sagt Postel, "denn es hat keinen Zweck, alles auf einmal zu wollen; damit sind schon ganz andere auf die Nase gefallen."

Zudem arbeitet die Breuninger-IT daran, einige der ITSM-Prozesse, beispielsweise das Zurücksetzen von Passwörtern oder das Aufsetzen eines neuen Servers, völlig zu automatisieren. Auch die mehrstufigen Genehmigungsprozesse sollen weitgehend digital ablaufen. Aufgrund der guten Projekterfahrungen und zugunsten des ganzheitlichen Ansatzes, ist die Umsetzung ebenfalls mit Matrix42 geplant.

Die Investition hat sich gelohnt

Inzwischen ist offensichtlich, dass sich der Aufwand für das komplexe Vorhaben auszahlt: Gestiegenes Kostenbewusstsein beziehungsweise gestutztes Anspruchsdenken im Verein mit gestrafften Abläufen münden in konkrete Einsparungen. Diese ergeben sich unter anderem daraus, dass zu kritischen Zeiten der First-Level-Support deutlich weniger beansprucht wird als früher. Zudem lassen sich die nachgefragten Änderungen heute strukturiert und für alle Beteiligten transparent abarbeiten.

Last, but not least hat die IT die Kontrolle über die "Hotfixes" nach der Implementierung zurückgewonnen. "Jetzt ist transparent, wann welcher Hotfix eingespielt wurde", erläutert Postel: "Das war früher nicht der Fall, so dass der Betrieb häufig unliebsame Überraschungen in Form kurzfristiger Änderungen auf dem Produktionssystem erlebte."