Entscheidungen fallen nach Mustern

Werden Sie manipuliert?

06.02.2013
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Manipulationen sind nicht per se schlecht

Wir entscheiden nach Mustern. Die Verhaltensökonomie - als im Moment sehr hoch gehandelte Symbiose zwischen Ökonomie, Psychologie und Neurowissenschaften - hat genau diese Muster erforscht. Ein wenig erschreckend ist dabei, dass diese Muster ganz gut vorhersagbar sind. Nicht alle. Aber doch eine so große Anzahl, dass sie beschreibbar sind. Alles, was ich beschreiben kann und was sich mit ziemlicher Genauigkeit wiederholt, ist aber leider auch die Steilvorlage für Manipulationen. Manipulationen sind allerdings nicht per se schlecht. Sie sind nur dann schlecht, wenn man uns veranlasst etwas zu tun, was wir eigentlich nicht tun wollten und was uns Schaden zufügt.

Werden wir etwa wirklich manipuliert?

Gibt es Führer, die über eine Art von Geheimwissen verfügen? Dieses aber nicht bekannt geben wollen, weil sie eine Massenpanik befürchten? Das wäre eine Erklärung. Stimmte sie nicht, müsste man annehmen, wir würden langsam aber sicher verdummen. Über 4 Milliarden Seitenaufrufe pro Jahr bei Google. Das sind etwa 120 pro User. In Deutschland. Ganz nebenbei kaufen wir noch 400 Millionen Bücher pro Jahr. Elf pro Bundesbürger. 18 Millionen Tageszeitungen werden täglich verkauft. Etwa vier Stunden täglich verbringt der Deutsche nebenbei noch vor der Glotze. (Wann schlafen wir eigentlich?)

Machen wir einen Sprung in die große weite Welt: Facebook. Facebook übertitelt seine Seite gerne mit: "Facebook ermöglicht es dir, mit den Menschen in deinem Leben in Verbindung zu treten und Inhalte mit diesen zu teilen." 750 Millionen Menschen weltweit nutzen Facebook. (Laut Herrn Zuckerberg, dem Gründer von Facebook …). Weitere Statistiken über die Anzahl von versendeten SMS, E-Mails oder die Nutzung von "Twitter" etc. würden hier nur langweilen. Es kann also nicht daran liegen, dass wir über zu wenig Informationen verfügen. Als mündige Bürger oder mündige Verbraucher. Aber warum ändert sich nichts? Warum nehmen wir Katastrophen hin? Warum fragen wir nicht weiter nach? Davon werden Sie in diesem Buch noch viel hören.

Was bringt der Medienkonsum?

Zunächst einmal: Sie müssen schon ein Heiliger sein, wenn Sie sich nicht ehrlich zugestehen, dass sich trotz Ihres enormen Medienkonsums weder Ihre Weltkenntnis verbessert hat noch Ihre Fähigkeit, aus historischen Ereignissen irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Schlüsse, die Ihnen eine auch nur annähernd bessere Prognosefähigkeit für künftige Ereignisse gibt. Sie glauben allerdings, dass die nächsten Meldungen Ihnen die wirklich tiefen Erkenntnisse bringen. So, wie Sie sich ständig vornehmen mit dem Rauchen aufzuhören oder eine neue Diät wirklich durchzuhalten, weniger Alkohol zu trinken oder ins Fitness-Studio zu gehen. Nächste Woche. Garantiert.

Fassen wir zusammen:

  • Dass die Menschen langsam verdummen, ist unwahrscheinlich.

  • Dass wir über zu wenig Informationen verfügen, stimmt definitiv auch nicht.

  • Dass wir mit uns selbst und unseren Mitmenschen rational umgehen, aber leider gleichfalls nicht.

Manipulation ist die eigentliche Realität

Der Mensch, ob er manipuliert oder manipuliert wird, ist wohl doch nicht so bösartig, wie er sich manchmal geriert. Sein größtes Problem scheint zu sein, dass er sich für ein rational handelndes Wesen hält und diese Fata Morgana heftigst verteidigt. Das ist eigenartig. Wenn ich mich in dieser Welt umsehe, kann ich kaum erkennen, wo wir uns "rational" verhalten. Was ich erkennen kann, sind jedoch Verhaltensmuster der Irrationalität, die immer wiederkehren und somit vorhersagbar sind. Nehme ich die sogenannten Realitäten um mich herum vielleicht nur noch durch die Brille eines eingebildeten Philosophen wahr?

Durchaus nicht. Das, was ich sehe, ist auch da. Es entsteht nicht etwas erst in dem Augenblick, in dem ich meinen Blick darauf richte. Zurück zu einigen Ursachen: Manipulation ist die eigentliche Realität und verursacht Schaden. 6,5 Millionen Menschen in Deutschland kommen mit ihrem Einkommen nicht mehr aus. Sind ergo hoch verschuldet. 228 Milliarden Schulden haben private Haushalte auf der Uhr. 6,7 Millionen Menschen bezogen in 2010 Hartz IV. Wir konsumieren trotzdem weiter. Warum? Weil wir uns so verhalten, wie es schon Vance Packard 1957 formuliert hat: "Werbung ist die Kunst, auf den Kopf zu zielen und die Brieftasche zu treffen." Sind wir wenigstens mündige Verbraucher? - Die Fakten sprechen im Moment dagegen.