Consumer Electronics Show in Las Vegas

Wer baut das digitale Heim?

16.01.2004
LAS VEGAS (CW) - Auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas beschwor die IT-Branche zum wiederholten Male die Konvergenz zwischen Computer und Unterhaltungselektronik. Anbieter wie Microsoft versuchen, die Hoheit über Multimedia-Inhalte im digitalen Zuhause der Zukunft zu gewinnen. Doch Größen wie Sony oder Samsung scheinen nicht gewillt, das Heft aus der Hand zu geben.

Die Schranken im digitalisierten Heim der Zukunft sollen fallen, verkündete Microsoft-Gründer Bill Gates anlässlich seiner Keynote zur Eröffnung der CES Anfang Januar in Las Vegas. Im Zentrum seiner Vision steht dabei der "Windows Media Center PC", mit dessen Hilfe sich Multimedia-Inhalte bequem am Rechner oder via TV präsentieren lassen sollen. Gates kündigte mit der "Windows Media Center Extender Technology" (WMCX) eine Erweiterung dieser "Seamless-Computing"-Strategie an. So sollen künftig Hifi-Anlagen oder TV-Geräte über eine Settop-Box drahtlos auf den Media-PC zugreifen und darauf abgelegte Inhalte wiedergeben können.

Settop-Boxen sollen Computer und TV-Geräte verknüpfen

Microsoft-Partner wie Gateway und Dell kündigten an, diese Box separat oder als in die Unterhaltungselektronik integrierte Variante anzubieten. Nach ersten Angaben der Microsoft-Offiziellen werden die Geräte Ende des Jahres auf den Markt kommen und zwischen 300 und 600 Dollar kosten. Ein Erweiterungskit, um Microsofts Spielekonsole "Xbox" mit dem Media-PC zu verknüpfen, soll es für etwa 100 Dollar geben.

Außer WMCX hatte Gates wenig Neues in seinem Gepäck für die Consumer-Messe in Las Vegas. Er präsentierte kurz den von Creative gebauten Prototypen eines portablen "Windows Media Player". Erst Ende 2004 sollen Hardwarepartner marktreife Produkte auf Basis des inzwischen in "Media2go" umgetauften Konzeptes präsentieren. Bereits in den nächsten Wochen kommen Gates zufolge Armbanduhren auf den US-amerikanischen Markt, die via Funkanbindung Informationen wie Kinoprogramme oder Börsenkurse anzeigen können. Microsoft hatte die unter dem Smart-Personal-Objects-Technology-(Spot-) Konzept entwickelten Geräte bereits auf der letztjährigen CES angekündigt. Ursprünglich sollten die zwischen 130 und 300 Dollar teuren Uhren, die von den Firmen Fossil und Suunto gebaut werden, bereits zum Weihnachtsgeschäft 2003 in den Geschäften liegen.

Die Verzögerungen und langwierigen Projekte machen jedoch auch deutlich, dass der Siegeszug der Computer in den Wohnzimmern nicht so verläuft, wie von den IT-Anbietern erhofft. Gates, der die CES bereits zum sechsten Mal in Folge mit seiner Keynote eröffnete, beschwor bereits in den vergangenen Jahren immer wieder die Konvergenz von IT und Unterhaltungselektronik - in diesem Jahr mit deutlich weniger Enthusiasmus. Verdenken könnte es ihm niemand, zeichneten sich doch die Kampagnen der letzten Jahre durch wenig verwertbare Ergebnisse und Rückschläge aus. So kündigte Microsoft kurz vor der CES an, sein Windows-Projekt für Smart Displays, Codename "Mira", zu stoppen. Anwender sollten mit einem abnehmbaren LCD-Monitor mobil einfache Anwendungen bearbeiten können. Via WLAN-Anbindung sollte sich auch der PC über das mit einem Touchscreen ausgestattete Panel bedienen lassen. Nachdem die Redmonder ihre Zielvorgaben für das erste Release des entsprechend angepassten Windows-Betriebssystems immer wieder nach hinten verschieben mussten, folgte Anfang 2004 der offizielle Stop des Projektes.

Dennoch halten viele IT-Größen an ihrem Engagement im Bereich der Unterhaltungselektronik fest. So kündigte beispielsweise Chiphersteller Intel an, rund 200 Millionen Dollar in Firmen zu investieren, die an neuen Techniken für das digitale Heim arbeiten.

Intel investiert 200 Millionen Dollar in Unterhaltungselektronik

"Die Grenzen zwischen Computer und Unterhaltungselektronik verschwimmen immer mehr", analysierte Intels President Paul Otellini in Las Vegas. Die Anwender wollten Veränderungen in ihrem Zuhause. Inhalte müssten sich künftig an verschiedenen Orten im Heim und auf verschiedenen Geräten nutzen lassen. Seiner Einschätzung nach könnte die Dynamik der PC-Revolution auf die Branche der Unterhaltungselektronik übertragen werden. "Wir in der PC-Industrie haben diesen Trend vorausgesehen."

Ob sich jedoch Branchengrößen wie Sony, Samsung oder Philips von den IT-Anbietern das Heft so ohne weiteres aus der Hand nehmen lassen, ist zweifelhaft. So versuchen die Vertreter der Unterhaltungselektronikindustrie, eigene Initiativen für das vernetzte Heim voranzutreiben. Philips präsentierte auf der CES beispielsweise ein LCD-Fernsehgerät mit integriertem Streaming-Client. Damit kann das Gerät via WiFi-Anbindung Videodaten von einem PC empfangen und wiedergeben - ohne Microsoft-Betriebssystem.

Schärfere Konkurrenz lässt die Preise fallen

Frische Impulse lassen jedoch auch die Protagonisten der digitalen Heimelektronik weitgehend vermissen. So stellte Sony in Las Vegas ein mobiles Monitor-Panel vor, das via Funk mit dem PC verbunden ist. Anwender können damit Video- und Audiodaten abrufen oder mobil vom Badezimmer aus im Internet surfen. Das Konzept erinnert verdächtig an Microsofts gescheitertes Smart-Display-Projekt. Ob Sony mit seinem "Location Free Portable Broadband TV" mehr Erfolg hat, bleibt abzuwarten.

Abzuwarten bleibt auch, wie lange sich die Anbieter technische Experimente im Umfeld der Unterhaltungselektronik leisten können. Schon jetzt zeichnen sich in einzelnen Bereichen wie zum Beispiel der Display-Sparte scharfe Preiskämpfe ab. LG Electronics und Matsushita kündigten an, noch in diesem Jahr weitere Produktionsstätten für Plasma-Bildschirme zu eröffnen. Experten gehen davon aus, dass im laufenden Jahr rund eine Million Displays auf den Weltmarkt kommen. Im nächsten Jahr sollen es bereits 1,5 Millionen Stück sein. Ein Preisverfall um bis zu ein Drittel könnte die Folge sein. Während sich im Hochpreissegment der Plasmageräte derzeit die Fronten formieren, ist im Markt für günstige LCD-Fernseher der Kampf bereits in vollem Gange. In den USA sind die Preise in diesem Segment in den vergangenen Monaten um bis zu 50 Prozent eingebrochen. Experten machen in erster Linie den Eintritt von Gateway und Dell in diesen Markt dafür verantwortlich.

Neben dem verschärften Wettbewerb muss die Branche auch mit hausgemachten Problemen fertig werden. Vor allem das Urheberrecht sehen die Anbieter aufgrund der neuen technischen Möglichkei-ten, Multimedia-Daten weiterzugeben, gefährdet. So kritisierte beispielsweise Carleton Fiorina, CEO von Hewlett-Packard (HP), das weit verbreitete Kopieren digitaler Inhalte als unmoralisch: "Es ist falsch und ungesetzlich. Und wir als Computer-Company können etwas dagegen tun." HP werde im Laufe des Jahres technische Maßnahmen wie zum Beispiel neue Verschlüsselungsmechanismen entwickeln, um Urheber-Rechte zu schützen.

Keine Standards für den Kopierschutz

Doch von einem gemeinsamen Standard in Sachen Kopierschutz ist die Branche weit entfernt. Neben den separaten Eigenentwicklungen der Musikanbieter, die unter anderem darauf abzielen, die Abspielmöglichkeiten der Medien einzuschränken, versuchen nun auch verstärkt IT-Anbieter, das Problem zu beheben. Neben Microsoft und HP hat in Las Vegas auch IBM angekündigt, zusammen mit Real Networks eine Lösung für die Verwaltung und Verbreitung digitaler Inhalte zu entwickeln.

Big Blue will seine Middleware-Plattform in die Allianz einbringen. Real Networks steuert seine Audio- und Video-Codecs bei.

Ob die verschiedenen Initiativen das Problem lösen, bleibt abzuwarten. Leonardo Chiariglione, der an der Entwicklung des MP3-Standards mitgearbeitet hat, ist skeptisch. Die Inhalte sollten transparent und beweglich bleiben, fordert er. "Inkompatible digitale Inseln sorgen dagegen dafür, dass die Anwender weiter Daten illegal kopieren." (ba)