Web-Services verändern die Weltwirtschaft

24.11.2003
Von Holger Silberberger

Kooperationsprozesse ohne Zwänge

Diese Betrachtungsweise liefert wichtige Hinweise auf das durchaus revolutionäre Potenzial, das Web-Services in sich bergen. So ist nicht nur Hubert Österle, Professor für Informations-Management an der Universität St. Gallen und CTO der Information Management Group, überzeugt, dass die Technik eine neue Welle der Arbeitsteilung entfachen wird: "Bisher beruhte Arbeitsteilung auf dem physischen und entsprechend aufwändigen Transport von Gütern und Menschen. Web-Services machen uns unabhängiger von diesen Zwängen. Die Technologie erlaubt es Unternehmen, noch enger über Firmen- und Ländergrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Wir werden neue Kooperationsprozesse kennen lernen. Wir werden Zeuge, wie das Monopol der Vernetzung seine Kraft entfaltet."

Die Entwicklung der globalen Arbeitsteilung ist von der Ambition geprägt, jeden Prozess genau dort abzuwickeln, wo sich das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis bietet. Such- und Integrationsaufwände, die gesamten Transaktionskosten behindern jedoch eine solchermaßen optimierte Kräfteallokation. In der Folge werden noch viele Arbeiten innerhalb der eigenen Organisationsstruktur geleistet, obwohl ein entferntes Unternehmen dies deutlich besser oder zumindest preiswerter erledigen könnte. Mit Web-Services aber spielen diese räumlichen Aspekte keine Rolle mehr. Denn die Technik erlaubt es Unternehmen, einen von Standorten losgelösten Handel mit kompletten Geschäftsprozessen zu betreiben und sich auf diese Weise neue Einnahmepotenziale oder Kostenvorteile zu erschließen. Wer bezüglich bestimmter IT-gestützter Arbeitsabläufe über außerordentliche Stärken verfügt, kann diese mittels Web-Services sehr einfach und zu minimalen Implementierungskosten auch anderen Firmen anbieten. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, Abläufe aus allen Geschäftsbereichen kommen als Outtasking-Kandidaten in Frage.

Flexible Wertschöpfung

Zumindest für weniger komplexe Unternehmensfunktionen könnte sich auf Dauer sogar das UDDI-Modell auf breiter Front etablieren: Firmen kaufen ihre Prozesse in offenen Datenbanken nach Webshop-Vorbild ein - inklusive der Option, von einem Tag auf den anderen zu einem anderen Partner zu wechseln. So verliert das starre Modell der Wertschöpfungskette mit dem anstehenden globalen Siegeszug der Web-Services rasch an Bedeutung. Es wachsen schon in den nächsten Jahren mehrdimensionale, weltweit verflochtene und hochdynamische Wertschöpfungsnetze, in denen Unternehmen intensiv kooperieren und neben Waren und Daten in großem Maßstab auch Geschäftsprozesse austauschen.

Von diesem Modell profitieren nicht nur jene Unternehmen, denen es gelingt, ihr betriebswirtschaftliches Know-how als via Internet wiederverwendbare Softwarekomponenten zu vermarkten. Vielmehr verhilft die Option zum selektiven Prozess-Shopping jedem Web-Service-fähigen Unternehmen zu nachhaltigen Rationalisierungseffekten.