Web-Services: Evolution statt Revolution

26.04.2002

Oltmanns: Web-Services setzen ein sauberes Design voraus und müssen vorhandene Geschäftsprozesse abbilden. Zudem lässt sich die Mehrheit heutiger Unternehmensanwendungen kaum in Komponenten zerlegen. Wer SAP verwendet, hat da schon Glück, weil die Produktarchitektur bereits modular ist und BAPI-Schnittstellen bietet. Diese lassen sich relativ einfach mit einem Web-Services-Wrapper versehen.

Völter: Web-Services und bisherige Komponententechnologie sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Komponenten haben den Vorteil, dass ich bestimmte Funktionen an den Container eines Applikations-Servers auslagern kann, etwa Transaktionsverwaltung und Sicherheit. Web-Services können diese Funktionalität der Komponenten über ein weiteres Kommunikationsprotokoll einem Client zur Verfügung stellen. Das Problem ist nur, dass ich derzeit noch keine Sicherheitsinformationen transportieren oder Transaktionen abwickeln kann. Deshalb lassen sich Web-Services bisher nur für relativ einfache, zustandslose Zugriffe auf Dienste-APIs verwenden.

CW: Das Marketing suggeriert, dass die angebotenen Basiskomponenten für Web-Services identisch implementiert und daher leicht zu verwenden sind. Tatsächlich sind die Spezifikationen aber noch im Fluss, und erst kürzlich wurde mit der Web Services Interoperability Group (www.ws-i.org) ein Konsortium geschaffen, das eben die Standardisierung künftig sicherstellen soll.

Starke: Mit der Spezifikation von SOAP begann eine Kooperation auf technischer Basis zwischen feindlich gesinnten Herstellern etwa von Microsoft mit Sun und IBM. Beide Lager kommen von dieser Schiene nicht mehr herunter. Deshalb muss man sich über die Zukunft der Spezifikationen nicht grundsätzlich sorgen, zumal Anwender und unabhängige Gremien an der Formulierung der Standards mitwirken.

Völter: Es würde ja schon reichen, wenn man sich auf Dauer auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen könnte.

CW: Ein Ziel mit Web-Services ist ein dynamisches E-Business, in dem Dienste auch über das Web kommunizieren. Aspekte wie Transaktionen, Sicherheit, Quality of Service, Verfügbarkeit und Authentifizierung sind jedoch bisher nur ansatzweise geklärt. Gibt es schon Kunden, die trotzdem den Sprung ins weite Web wagen?

Hohneck: Es gibt erste, aber recht unspektakuläre Anwendungen. So etwa im Einkauf oder in straff organisierten Lieferketten. Aber viele Unternehmen sind sehr vorsichtig, einen Teil ihrer Geschäftslogik derart zu exponieren. In kleineren Unternehmen sehen wir zudem den Trend zu Zusammenschlüssen in lokalen Marktplätzen. Dort können die Teilnehmer im kleinen Rahmen ihre eigenen Standards definieren.

CW: Werden XML-Initiativen wie Rosettanet oder Ebxml, die eine Standardisierung von Geschäftsabläufen im Web anstreben, mit dem Web-Services-Konzept verschmelzen?

Starke: Organisationen wie Ebxml arbeiten noch langsamer als deutsche Behörden. Ich bezweifle, dass wir in den nächsten zwei Jahren verwertbare Ergebnisse sehen werden. Auch die Versprechungen der Marketiers, dass Web-Services künftig vollautomatisch untereinander kommunizieren können, höre ich mit Skepsis. Es wird keine weltweiten Standards geben, die vorschreiben, was eine Rechnung oder ein Artikel ist. Wir sprechen in unseren Projekten mit großen Handelsorganisationen, die die Aktivitäten Hunderter von Handelsunternehmen bündeln, und die sagen uns, dass es häufig nicht kosteneffektiv ist, sich in langwierigen Abstimmungen auf gemeinsame Definitionen zu einigen.

Völter: Vor zehn Jahren wurde versucht, über Corba-Task-Forces Business-Standards zu spezifizieren. Das hat aber nur wenige Unternehmen interessiert. Seit Jahren wird davon geredet, dass sich Komponenten wiederverwenden lassen sollen. Auch das funktioniert nicht, sondern es werden nur die Container weiterbenutzt, weil sich niemand auf die fachlichen Gemeinsamkeiten einigen kann. Letztlich sind es also nichttechnische Probleme, die da gelöst werden müssen, und das geht nur sehr langsam voran.

Kocher: Nicht nur die Artikel müssten einheitlich beschrieben werden, sondern auch die Geschäftsprozesse, um etwa festzulegen, welche Reihenfolge und welche Schritte eine Transaktion umfasst. Alle Beteiligten müssten dazu den selben Business-Flow haben.

Hohneck: Durch das Herausgeben von Geschäftslogik mache ich mich auch abhängig von Ereignissen, die anderswo ablaufen und automatisch zu Transaktionen und Geschäftsvorfällen in meinen Systemen führen. Je mehr Web-Services ich verwende, desto mehr Hoheit über meine Geschäftsprozesse gebe ich her.

CW: Also sind Web-Services zunächst einmal ein weiterer interessanter Ansatz für die interne Anwendungsintegration. Was soll denn nun ein CIO oder IT-Chef in dieser Situation praktisch machen?