Kooperation statt Governance und Kontrolle

Was Enterprise Architekten können müssen

04.01.2018
Von 
Christoph Witte arbeitet als Publizist, Sprecher und Berater. 2009 gründete er mit Wittcomm eine Agentur für IT /Publishing/Kommunikation. Dort bündelt er seine Aktivitäten als Autor, Blogger, Sprecher, PR- und Kommunikationsberater. Witte hat zwei Bücher zu strategischen IT-Themen veröffentlicht und schreibt regelmäßig Beiträge für die IT- und Wirtschaftspresse. Davor arbeitete er als Chefredakteur und Herausgeber für die Computerwoche. Außerdem ist Witte Mitbegründer des CIO Magazins, als dessen Herausgeber er bis 2006 ebenfalls fungierte.

Reimann wünscht sich deshalb Architekten, die auch sehr gute Cloud-Architekten sind, die Anwendungen parallelisieren können, die gerne in DevOps-Umgebungen arbeiten, also "eher technisch orientierte Leute". Sie brauchen dieses technische Know-how und entsprechende Erfahrungen, um überhaupt Ernst genommen zu werden. Und natürlich benötigen sie sehr gute Kommunikations- und Moderationsfähigkeiten. Aber nur mit Rhetorik kommen Architekten heute nicht mehr weiter. "Früher konnte man auch aus dem Controlling heraus Architekt werden. Aber das geht nicht mehr."

Architekten gehen stark in die Moderatorenrolle

Eine andere leitende Enterprise-Architektin in einem sehr großen deutschen Industrieunternehmen legt dabei deutlichen Wert auf die Moderations- und Kommunikationsfähigkeiten der Architekten: " Wir sind bringen viele Fraktionen zusammen und schauen, dass ihnen geholfen wird." Die Enterprise-Architektin, die nicht namentlich genannt werden möchte, hält zwar Spezialistentum bei Architekten auch für sehr wichtig, aber "wir setzen Architekten immer mit einem gewissen Generalistentum gleich".

Da ein Architekt eine Brücke zwischen Softwareentwicklung und Fachbereichen bauen müsse, sei es wichtig, früh überfachliche Skills wie Moderationsgeschick, Kommunikationsverhalten oder Konfliktlösungs- und Vermittlungskompetenz zu entwickeln. Ähnlich wie bei Daimler wird auch in ihrem Unternehmen ein neues Ausbildungskonzept erarbeitet und sogar ein eigener Fach-Karrierepfad für Architekten.

Auslöser für den Bedeutungsgewinn von EA ist auch hier die Digitalisierung, so die Enterprise Architektin: "Alle merken, dass Digitalisierung nur mit IT funktioniert, mit mehr und modernerer und wahrscheinlich auch anderer IT. Das löst einen Run auf die IT-Abteilungen aus, und die Fachbereiche merken, dass sich ihre Forderungen zum Teil überlappen, widersprechen oder schon von anderen gestellt worden sind. Deshalb sehen sie auch, dass es eine Instanz geben muss, die trotz dieser vielen verschiedenen Anforderungen das Gesamtsystem und seine Effizienz nicht aus den Augen verliert. EAM kann diese Instanz sein, weil sie das Wissen und die Tools dazu hat."

Kundenorientierung widerspricht den alten EA-Regeln

Die vielen neuen Anforderungen, die auch Ausbildung und Arbeitsalltag der EA drastisch verändern, lassen sich für die Architektin in einem Wort zusammenfassen: Kundenorientierung. "Das relativiert natürlich die Regeln der traditionellen EA, bei denen es um Redundanzfreiheit, Harmonisierung von Systemen und einheitlichen unternehmensweiten Standards geht. Dem Endkunden ist das völlig gleichgültig. Er will eine schnelle, einfach verständliche Applikation, die auch bei der Bedienung noch Spaß machen soll."

Daraus resultiert auch eine neue Arbeitsweise der EA. "Wir wollen nicht mehr mit Regeln und Vorgaben von oben nach unten arbeiten, sondern mit Angeboten, die von vielen als hilfreich empfunden werden. Das wirkt wie eine `sanfte´ Standardisierung. Man verordnet keine Standards mehr, sondern diese sind so attraktiv, dass sie jeder benutzen will." Diese neue Mindset wirke sich auf die Zusammenarbeit mit der EA aus und garantiere im Grunde, dass "wir uns weder im Elfenbeinturm wiederfinden noch als Bremser empfunden werden."

Enterprise Architekten bei DB Systel: Weniger Kontrolle, mehr Kooperation

Stefan Gerberding, Enterprise Architekt der DB-Systel, berichtet, dass die Deutsche Bahn im vergangenen Jahr das Programm "Zukunft Bahn" gestartet hat, das den Konzern in die Digitalisierung begleitet. "Die Umgestaltung der IT-Landschaft ist Teil dieses Zukunftsprogramms und Enterprise Architecture ein wichtiger Baustein darin", erklärt Gerberding.

Zurzeit arbeiten allein in der DB-Systel 150 bis 200 Architekten, davon rund 30 im Bereich der Enterprise-Architektur. Ein Team unterstützt den CIO bei der Planung der internen IT, ein anderes arbeitet mit dem CTO der DB Systel. Es nimmt Querschnittaufgaben wahr, entwickelt Referenzarchitekturen, übernimmt die IT-Governance und analysiert Technologietrends.