Erklärungsversuch

Warum Apple 2023 ohne neue iPads bleibt

09.11.2023
Von 
Halyna Kubiv ist Content Managerin bei der Macwelt.
Es zeichnet sich ab, dass Apple in diesem Jahr gar keine iPads aktualisiert – zum ersten Mal in seiner Produktgeschichte.
iPad-Fans müssen voraussichtlich auf 2024 warten.
iPad-Fans müssen voraussichtlich auf 2024 warten.
Foto: Dina V, Alim Yakubov / shutterstock.com

Schaut man sich Produktlisten wie bei Everymac an, fällt die recht regelmäßige Update-Geschichte von iPhone, Apple Watch iPad auf: Mindestens einmal im Jahr hat Apple bisher eine neue Generation herausgebracht. Nach iPhone und der Apple Watch kann man buchstäblich die Uhr stellen, aber auch die iPads, egal ob Pro, Air, Mini oder Einstiegs-iPads hat Apple in halbwegs festen Rhythmen aktualisiert.

Nun ist die Herbst-Keynote "Unheimlich schnell" vorbei, auch hat Apple seine Bilanz für das Q4 2023 veröffentlicht, es zeichnet sich also ab, dass in diesem Jahr gar keine neuen iPads erscheinen - ein Novum seit der Vorstellung des Originals im Januar 2010.

Es gab zwar noch im Sommer Gerüchte, dass Apple gleich drei iPads vorbereitet: Zwei iPads Air und ein iPad Mini. Daraus wurde erstmal nichts. Was ist also passiert?

Die losen Fadenenden verknüpfen

Wir können ab hier nur noch spekulieren, aber die Nachrichten aus dem vergangenen Jahr, die Aussagen von Tim Cook und Luca Maestri, sowie die Geschehnisse der letzten Tage lassen recht plausible Schlussfolgerungen zu.

Apple hat die iPads Air mit der fünften Generation auf den M1 aktualisiert, wenn jetzt eine neue Generation in der Mache ist, müsste sie mit dem Chip M3 erscheinen, genauso wie die neuen Macbooks Pro 14 Zoll.

Die neuen Macbooks Pro mit M3-Chip hatte Apple offenbar schon im Sommer 2023 produziert und eingetütet, das ist die plausibelste Erklärung dafür, dass die Einsteiger-Geräte macOS Ventura 13.5 installliert hatten, die Systemversion war vom 24. Juli 2023 bis 7. September 2023 aktuell. Es hätte also der Termin der iPhone-Keynote vom 12. September für die Vorstellung des neuen Basis-Macbook-Pro gepasst. Stattdessen hat sich Apple dafür entschieden, bis Ende Oktober zu warten und gleichzeitig auch Macbooks Pro mit den leistungsfähigeren Varianten M3 Pro und M3 Max vorzustellen - bisher mussten die höheren Varianten immer ein wenig warten.

Eine Erklärung, was passiert sein könnte, haben auf der letzten Bilanzkonferenz Tim Cook und Apples Finanzchef Luca Maestri durch die Blume geliefert. Demnach gebe es immer noch Lieferengpässe besonders beim iPhone 15 Pro und Pro Max, der Hersteller hoffe, diese bis Ende des Jahres aufzulösen.

Wir sind bei den Lieferungen vom iPhone 15 Pro und Pro Max etwas beschränkt. Wir arbeiten hart daran, diese Geräte in die Hände der Kunden zu liefern, die diese bestellt haben. Mit dem Stand heute erwarten wir, dass sich die Nachfrage und Lieferung bis Ende des aktuellen Quartals ausgleichen.

Luca Maestri, CFO Apple

Gräbt man weiter in unserem Archiv, finden wir Meldungen darüber, dass TMSC selbst Anfang 2023 noch Probleme mit der Fertigung der notwendigen Menge von 3-nm-Chip habe, Apple ist so weit gegangen, als dass Cupertino bei TMSC die Produktion von den neuen Prozessoren für ein gesamtes Jahr aufgekauft hat. Einige Leaker behaupten sogar, 2023 würden gar keine M3-Geräte erscheinen, weder Macs noch iPads.

M3-Macs sind da - wann kommen die iPads?

Bei den Macs hat sich das nicht bewahrheitet, bei den iPads schon. Warum hat sich aber Apple für die Macbooks statt für iPads entschieden? Wir vermuten, dass in diesem Fall die Buchhaltung gewonnen hat.

Apples bestverkaufter Mac ist das Macbook Air, das hat der Hersteller recht oft auf Keynotes und Bilanzkonferenzen erwähnt. Bei der Vorstellung von M3-Chips fehlte das Air, dafür hat Cupertino sein höherpreisiges Macbook Pro mit der neuen Generation Apple Silicon ausgestattet. Mit diesem Schachzug umschiffte der Hersteller das Problem der Herstellung hoher Stückzahlen, TMSC kann sich weiterhin auf den A17 Pro für die iPhones 15 Pro (Max) konzentrieren.

Die Macbooks Pro mit M3 Pro und Max sind teuer und damit weniger stark nachgefragt, sodass sich Apple erlauben kann, die Chips dafür neben dem A17 herstellen zu lassen. Aber auch in diesem Fall verzögert sich die Lieferung bereits um mehrere Wochen. Wer heute ein Macbook Pro M3 Pro/Max bestellt, muss bis Ende November warten.

Ermittelt man die ungefähren Produktzahlen, wird klar, warum Apple auf das Macbook statt auf das iPad gesetzt hat. Im vierten Quartal 2022, einem der erfolgreichsten Quartale für den Mac, hat Apple mit seinen Laptops und Desktops rund 11,5 Milliarden US-Dollar damit umgesetzt. Teilt man das durch den Preis für das günstigste Macbook Air M2 zum Zeitpunkt von dessen Markteinführung (1.199 US-Dollar), kommen wir ungefähr auf 9,6 Millionen Geräte.

Doppelt so hoher Chip-Bedarf

Das erfolgreichste Quartal nach Umsätzen für das iPad war bislang das erste Quartal 2023 (Oktober-Dezember 2022) mit 14.482.000.000 US-Dollar Umsatz. Der Umsatzrekord dürfte vorwiegend den iPads Pro mit M2 geschuldet gewesen sein (am 18. Oktober 2022 vorgestellt).

Teilt man diese Summe durch den Einstiegspreis vom iPad Pro 11 Zoll mit M2 (799), müsste Apple bei vergleichbarer Nachfrage 18,1 Millionen iPads produzieren, doppelt so viele wie Macbooks.

Die Entscheidung Apples, heuer keine iPads zu bringen, wird so ein wenig nachvollziehbar: Eine hohe Nachfrage nach der neuen Generation würde die Produktionslinien von TMSC noch stärker auslasten als im Fall von Macbooks. Die Prozessoren, in diesem Fall M3, sind gleich, bei den iPads muss aber der Fertiger doppelt so viele Chips produzieren wie für Macs.

Die Macbooks lassen sich, selbst die Einsteiger-Geräte, teurer verkaufen: Das günstigste Macbook Air kostet 400 US-Dollar mehr, beim Macbook Pro 14 Zoll ist der Preisunterschied noch signifikanter: 800 US-Dollar beim Startpreis von 1.599 US-Dollar. Dazu sind bei den Macbooks Pro nicht so hohe Produktionszahlen zu erwarten wie bei einem Macbook Air, was Apple zusätzlich in die Karten spielt. (Macwelt)