Outsourcing/Arbeitsteilung setzt Potenziale frei

Wachsen mit dem Partner

10.08.2001
IT-Anwendungen verändern sich rasant. Damit muss sich auch die IT-Infrastruktur der Unternehmen permanent anpassen. Die Hottinger Baldwin Messtechnik in Darmstadt beweist, dass auch ein Mittelständler diesen Wechsel erfolgreich gestalten und damit schneller sowie kostengünstiger von Innovationen profitieren kann. Von Günter Kittel*

Für die Nutzer ist die IT heute wie der elektrische Strom - es interessiert sie nicht, wie IT-Services entstehen, sie wollen sie nur möglichst preiswert beziehen, um die vorhandenen Geschäftsprozesse komfortabel abzuwickeln. Seit nunmehr sieben Jahren werden alle Rechnersysteme der Hottinger Baldwin Messtechnik GmbH (HBM) von einem Outsourcing-Partner betrieben. In dieser Zeit wurde nicht nur die Anwendungslandschaft komplett umgekrempelt, auch die Systemlandschaft hat sich von zwei VAX-Systemen auf nunmehr 16 Server entwickelt. Was damals ein lokales Netz im Hauptwerk in Darmstadt war, spannt sich heute von Boston bis Peking und bedient Hunderte von Anwendern.

Im Jahr 1950 gegründet, kann das Unternehmen HBM auf eine langjährige Erfahrung in der Messtechnik zurückblicken. HBM hat sich mit Wägezellen sowie Produkten für das elektrische Messen mechanischer Größen wie Kraft, Druck, Drehmoment und Weg als eines der führenden Unternehmen am Markt etabliert. Um sich noch besser auf das eigene Kerngeschäft konzentrieren zu können, entschied man sich vor einigen Jahren für das Outsourcing des IT-Betriebes.

HBM lagerte im Jahre 1994 Teile seiner IT-Infrastruktur an Compaq Global Services aus. Zum damaligen Zeitpunkt basierte die IT-Infrastruktur bei HBM auf zentralen VAX-Servern und -Terminals. Ein Umstieg auf PC-Technologie war unumgänglich, wenn das Unternehmen neue Standardapplikationen nutzen wollte. So sollten zum Beispiel Eigenentwicklungen auf Basis von Adabas/Natural durch SAP R/3 ersetzt werden. Der Wechsel hätte jedoch auf keinen Fall mit dem vorhandenen Personal durchgeführt werden können. So kam der Gedanke ins Spiel, den systemtechnischen Bereich in die Hände eines Outsourcing-Partners zu legen. Natürlich spielte die Kostenfrage eine wichtige Rolle bei den Überlegungen. Doch viel wichtiger erschien es, auch in Zukunft mit neuen Techniken schnell und flexibel auf Marktgegebenheiten reagieren zu können.

Mit der Umsetzung des im Sommer 1994 entwickelten Realisierungskonzeptes konnte bereits im darauffolgenden November begonnen werden. In der ersten Phase stand die Ablösung der vorhandenen Hardware an, zudem wurden die einzelnen Schritte festgelegt, mit denen man die veraltete Software ersetzen wollte. Parallel zur vorhandenen Infrastruktur wurde deshalb die neue IT-Umgebung schrittweise aufgebaut und angepasst. Bereits Mitte 1996 war die Implementierung des vereinbarten Realisierungskonzeptes erfolgreich und termingerecht abgeschlossen: SAP R/3 sowie eine neue Bürokommunikationsplattform auf Basis der Microsoft Standardprodukte waren eingeführt. Wesentlich zum Erfolg hatte auch beigetragen, dass bereits zum Beginn ein eigener, vom Outsourcing-Partner betriebener Helpdesk eingerichtet wurde, den HBM auch während des Umstellungsprozesses ständig betreute. Hinzu kam ein externer Spezialist, der vor Ort eingesetzt wurde, um Probleme schnell und unbürokratisch zu lösen.

Schnelles Wachstum der SAP-UmgebungIm Laufe des Jahres 1996 stieg die Zahl der ursprünglich geplanten 130 SAP-Anwender innerhalb kurzer Zeit auf mehr als 200. Eine schnelle Erweiterung der vorhandenen IT-Ressourcen war die Folge. Auch die Nutzung von E-Mail und Internet hielt schon bald Einzug bei HBM, so dass die Infrastruktur aus- und die Hardware der wachsenden Anwenderzahl angepasst werden musste. Die Erweiterung ging schnell und flexibel vonstatten: In regelmäßigen Treffen wurde die aktuelle Situation beleuchtet, die zugesagten Service Level wie etwa die Verfügbarkeit der Server, die Zahl der Helpdesk-Anrufe, der Zeitrahmen für die Fehlerbehebung überprüft und eine gemeinsame Planung über anstehende Maßnahmen und Projekte durchgeführt. Diese "Betriebsführungs-Meetings" finden auch heute noch alle zwei Wochen statt.

Neben diesen mehr operativen Diskussionen kommt es ein- bis zweimal pro Jahr zum Treffen des "Lenkungsausschusses", bei dem sich die Geschäfts- und IT-Leitung von HBM mit dem Geschäftsbereichsleiter Outsourcing-Services sowie dem Account-Manager von Compaq zusammensetzt. Hier werden Maßnahmen zur Sicherung oder Verbesserung der Service-Level und langfristig angelegte Projekte besprochen. Ziel dabei war und ist es, HBMs Unternehmensstrategie mit möglichen IT-Lösungen abzugleichen.

Der ursprünglich auf fünf Jahre abgeschlossene Outsourcing-Vertrag wurde 1999 um weitere drei Jahre verlängert. Eine Besonderheit des Abkommen ist, dass die unternehmenskritischen SAP-R/3-Systeme im Rahmen eines erweiterten Sicherheitskonzeptes in Compaq-Rechenzentren ausgelagert wurden. Betroffen davon sind die produktiven Server sowie das R/3-Archivsystem, die sich nun in Offenbach befinden. Die Entwicklungs-, Test- und Konsolidierungssysteme stehen in einem Data-Center in Dreieich. Zurzeit gibt es Überlegungen, alle unternehmenskritischen Server auszulagern, um sich den Ausbau des Rechenzentrums zu ersparen. Das würde Kapazitäten für die Verbesserung der internen strategischen Prozesse freisetzen.

Das Jahr 1999 hielt für die IT-Abteilung auch eine internationale Herausforderung bereit: die Einführung von SAP R/3 in der Produktionsstätte in Marlboro, Massachusetts. Derzeit greifen zirka 30 amerikanische Anwender per Weitverkehrsanbindung auf die SAP R/3-Umgebung bei HBM zu. Betreut werden sie von der Compaq-Niederlassung in Colorado Springs.

Auch das laufende Jahr ist von vielen neuen Projekten geprägt. Zunächst sollen alle Vertriebsbüros weltweit an die MS-Exchange-Plattform in Darmstadt sowie an SAP R/3 angeschlossen werden. Dazu wurde ein Konzept für die Infrastruktur der Büros erarbeitet und festgelegt, wie der Anschluss an das Werk in Darmstadt erfolgen soll - etwa über Remote Access Service (RAS), Virtual Private Network (VPN) oder Standleitung. Auf der Hardwareseite ist eine wachsende Zahl von Systemen im Einsatz. Neue Konzepte, wie etwa der Aufbau eines Speichernetzwerks (Storage Area Network, SAN) im Darmstädter HBM-Rechenzentrum für sechs daran angeschlossene Server-Systeme, eröffnet neue Möglichkeiten der effizienten Ressourcennutzung und vereinfacht das IT-Management. Die Einführung von Funknetzen in den Zweigbüros ist ebenfalls geplant und wird zu einer höheren Gestaltungsfreiheit bei den Arbeitsplätzen führen. Ein weiteres Projekt für das Jahr 2001 ist die Einführung eines neuen Customer-Relationship-Management- (CRM-)Systems auf Siebel-Basis für die weltweiten Niederlassungen.

*Günter Kittel ist IT-Leiter bei Hottinger Baldwin Messtechnik.

Das UnternehmenDie Hottinger Baldwin Messtechnik GmbH (HBM) (www.hbm.com) wurde 1950 von Karl Hottinger gegründet. Heute gehört das Unternehmen zur britischen Spectris Group Plc. HBM erzielte im Jahr 2000 einen Umsatz von rund 220 Millionen Mark und beschäftigt weltweit 1100 Mitarbeiter, davon 700 im Stammhaus in Darmstadt. HBM fertigt und entwickelt Produkte für das elektrische Messen mechanischer Größen wie Kraft, Druck, Drehmoment und Weg sowie Wägezellen. Das Unternehmen ist dabei Lieferant von Standardprodukten für die verschiedenen Glieder der Messkette wie das Erfassen, Verarbeiten und Anzeigen von Messwerten. Dazu gehören Dehnungsmessstreifen, verschiedene Aufnehmer sowie Systeme zur Messsignalverarbeitung und Software für Industrie, Forschung und Entwicklung. Mehrere Tochtergesellschaften sowie weltweit mehr als 60 Niederlassungen und Vertretungen sorgen für Unterstützung bei der Lösung messtechnischer Aufgaben.

Die IT von HBMServer

- Betriebssysteme: Windows NT, Windows 2000, Compaq Tru 64 Unix, Open VMS;

- Überwachungsplattform: BMC Patrol, Compaq Insight Manager;

- SAP R/3 mit Oracle-Datenbank;

- Bürokommunikation: MS Exchange;

- Internet: Raptor Firewall Classic mit Power VPN Server;

- Backup: Legato Networker:

- MS System Management Server.

Clients

- Betriebssysteme: Windows NT, Windows 2000, Windows 9x.

Abb: Die Netztopologie von Hottinger

Zur standortübergreifenden Bürokommunikation nutzt Hottinger Baldwin Messtechnik das Internet. Für den sicheren Transfer sorgt ein Virtual Private Network (VPN). Quelle: Compaq