Volltext-Recherchesystem mit Megamedia Dokumente fuer Kassenaerzte im neuen Client-Server-System

10.06.1994

Einen weitreichenden Informationsverbund via ISDN installiert derzeit die Kassenaerztliche Bundesvereinigung in Koeln. Mitte dieses Jahres sollen bereits hundert Anwender mit dem DIS-KBV- System auf der Basis von Client-Server-Installationen arbeiten. Als Datenbank fungiert die Volltext-Datenbank BRS/Search.

Die zentralen Zielvorgaben fuer das DIS-KBV waren ein schneller Informationszugriff, mehr Informationssicherheit und ein besseres Informationsmanagement. Es sollte sich aber bei dem DIS-KBV um kein reines Archivsystem zur Aktenverwaltung handeln, sondern vielmehr um ein darueber hinausgehendes intelligentes, inhaltsanalytisch orientiertes Recherche- und Dialogsystem mit der Option des Volltext-Retrievals und flexibler Abfragemoeglichkeiten. Hohe Benutzerfreundlichkeit und die prinzipielle Offenheit fuer andere Anwendungen wie Fax, E-Mail, Termin- und Adressverwaltung waren weitere zentrale Anforderungen.

Fuer die Realisierung wurde eine Client-Server-Loesung gewaehlt und als Datenbank auf dem Unix-Server das relationale System von Oracle in Betracht gezogen, das sich aber als nicht tauglich erwies. Schliesslich entschied man sich fuer die Volltextdatenbank BRS/Search auf einem Unix-Rechner in einem Netzwerk mit PC- Arbeitsstationen. Bei dem Mitte 1993 installierten neuen DIS-KBV handelt es sich um ein Volltext-Recherchesystem, erstellt mit dem Produkt Megamedia der Firma AIS GmbH Dortmund.

Die Nutzung dieses DIS sollte nicht nur lokal in der Kassenaerztlichen Bundesvereinigung erfolgen, sondern auch per Datenfernuebertragung von den Kassenaerztlichen Vereinigungen (KVen) aus. Zu diesem Zweck erfolgt ein Remote-Zugriff ueber den ISDN- Dienst der Telekom, mit dem jede KV auf den Datenbestand der KBV zugreifen kann. Ende 1993 wurden die ersten KVen angeschlossen. Bis Mitte 1994 werden bereits mehr als hundert Anwender mit dem DIS-KBV arbeiten. Bei weiterhin planmaessigem Verlauf sollen bis Anfang 1995 insgesamt 15 KVen in den Informationsverbund per ISDN eingebunden sein. Bis Ende 1995 soll der Komplettausbau abgeschlossen sein. Einige KVen beabsichtigen schon jetzt, auf der Basis von DIS-KBV auch fuer ihre Bereiche ein eigenes DIS-KV einzurichten, das in Teilen in den Informationsverbund zwischen KBV und KVen eingebracht werden soll.

Auch andere Organisationen interessieren sich bereits fuer das System: so das Bundessozialgericht, die Kassenzahnaerztliche Vereinigung und freie aerztliche Verbaende. Mit dem Bundessozialgericht wird in diesem Zusammenhang zur Zeit die Moeglichkeit einer Kooperation einschliesslich eines Informationsverbunds mit der KBV und den KVen geprueft. Zur Deutschen Presseagentur (dpa) als externer Informationsanbieter besteht seit Januar 1994 eine Verbindung.

Ausgehend von beliebigen Textvorlagen in elektronischer oder in Papierform, werden die Dokumente erfasst, indexiert und in der Datenbank abgespeichert. Jedes Dokument wird mit einer Objektbeschreibung versehen. Objektbeschreibung und Volltext bilden eine Einheit. Die Eingabe erfolgt ueber eine Standardbearbeitungsmaske, die in ihrem formalen und inhaltlichen Aufbau der Objektbeschreibung entspricht und nach erfolgter Recherche zugleich fuer die Ergebnisdarstellung auf Dokumentebene dient.

Die Dokumente werden in verschiedene Klassen eingeteilt, um unterschiedlichen Schutzaspekten Rechnung zu tragen: Jeder Benutzer hat nur Zugriff auf die Dokumente, die fuer ihn freigegeben sind. Fuer die Zukunft werden neben Textdokumenten auch andere digitale Formen geprueft - zum Beispiel Tabellen, Bild und Ton bis hin zu Videosequenzen - um auch komplexeren Anforderungen gerecht zu werden. Im Vordergrund steht die Benutzerfreundlichkeit, der Dialog mit dem System laeuft dementsprechend ausschliesslich masken- und menuegestuetzt ab.

Im Rahmen der Recherche kann sowohl auf den Volltext eines Dokuments und Dokumentausschnitte (Kontext) als auch auf die Objektbeschreibung und deren Komponenten zugegriffen werden. Zusaetzlich stehen zahlreiche Hilfsfunktionen sowie eine Thesaurus- Funktion mit verschiedenen Begriffsrelationen wie Ober- und Unterbegriffe und Synonyme zur Verfuegung, um die Erfassung und Recherche inhaltlich zu unterstuetzen.

Fuer die Recherchearbeit werden zwei unterschiedliche Verfahren angeboten, die je nach Aufgabenstellung zum Einsatz kommen:

Strukturierte Suche - analog aufgebaut zur Eingabemaske mit den Kategorien der Objektbeschreibung und einer Dokumentations- und Aktenplanunterstuetzung, eignet sich diese Methode fuer die gezielte beziehungsweise spezielle Suche. Die Verknuepfung von Suchbegriffen mit logischen Operatoren ist moeglich.

Interaktive Suche - mit schrittweiser Einengung des Suchraums und frei assoziierten Suchbegriffen auf beliebige Dokumenteninhalte.

Die Gesamtzahl der Trefferdokumente wird angezeigt, auf Wunsch laesst sich die Uebersichtsliste oeffnen. Hier kann navigiert und relevante Treffer koennen selektiert werden.

Der Benutzer ist in der Lage, die Trefferliste interaktiv umzugestalten: Aenderungen der Sortierbegriffe oder der Ausgabereihenfolge werden sofort umgesetzt. Die Suche laesst sich mit Verfeinerung fortsetzen. In der Suchhistorie ist es jederzeit moeglich, auf eine vorherige Suche durch Eingabe der Suchnummer zurueckzuschalten.

Die Ergebnisse der Recherche werden in frei gestaltbaren Listen (Ergebnis- und Bearbeitungslisten) praesentiert, die eine Sortierung nach bestimmten Kriterien wie Datum, Autor oder Dokumentenart zulassen. Fuer die einzelnen Dokumente ist eine beliebige Weiterverarbeitung moeglich, zum Beispiel Druckausgabe, Export in eine Datei oder ein Textverarbeitungssystem.

Megamedia Docman unterstuetzt PC-Arbeitsplaetze (unter Windows 3.1, NT oder OS/2), die ueber Ethernet oder Token Ring vernetzt sind. Die Arbeitsplaetze (Clients) lassen sich als

- Erfassungsplaetze mit Scanner und Ganzseitenbildschirm,

- Retrieval-Plaetze ohne zusaetzliche Peripherie (Nutzung vorhandener PCs),

- Retrieval- und Druck-Plaetze mit Laserdrucker sowie als

- kombinierte Erfassungs-/Retrieval- und Druckstationen

konfigurieren. Die Anbindung erfolgt wahlweise ueber SUN-PC-NFS, Novell LAN Workplace 4.1 oder FTP PC/TCP.

Mindestens ein Unix-System dient als Server der PC-Clients. Er betreibt die Datenbank (BRS/ Search oder relationale Datenbanken). Fuer den Betrieb der optischen Speicher ist im Bedarfsfall ein zweiter Unix-Server angebracht, um eine bessere Skalierbarkeit des Systems zu erreichen. Weitere Server-Funktionen wie Fax, E-Mail, Vorgangssteuerung etc. lassen sich beliebig auf Server-Rechner verteilen. Dieser Multi-Server-Betrieb ist von besonderer Bedeutung bei der Auslegung von Netzen fuer viele Benutzer. Besonders hervorzuheben ist die extrem kurze Entwicklungszeit. Durch die bereitstehenden Klassen des objektorientierten Integrationsrahmens konnte das DIS-KBV in knapp drei Monaten - inklusive Prototyping - fertiggestellt werden. Die Client-Seite wurde komplett in Smalltalk modelliert. Auf der Server-Seite war innerhalb des Integrationsrahmens keinerlei Programmierung mehr notwendig.

Fuer Anwendungen unter MS-Windows wie Winword, Amipro, Excel, Corel etc. bietet Megamedia besondere Einbindungen in die Arbeitsoberflaeche mit Nutzung der DDE-, OLE- und MDI-Techniken von MS-Windows.

Folgende Weiterentwicklungen sind unter anderem geplant:

- Einbindung der juristischen Datenbank Juris;

- Einbindung von Bibliotheken;

- Erstellung eines KBV/KV-spezifischen Thesaurus; Integration weiterer Windows-Anwendungen;

- Die Moeglichkeit der vergleichenden Dokumentenanalyse (Synopse);

- Sammelmoeglichkeit fuer wichtige autoren- und themenbezogene Zitate;

- Gebuehrenordnungs-Datenbank;

- Lingustische Verarbeitung: Sie soll der automatischen Textanalyse und eventuellen Semantikverdichtung dienen.