VoIP zwischen Mythos und Realität

13.02.2004
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Voice over IP (VoIP), die Vermittlung von Sprachverkehr über Datennetze, sorgt immer wieder für Diskussionen und spaltet die Fachwelt. Für die einen ist es die Vermittlungstechnik der Zukunft, für die anderen ein Mythos, der mit der heutigen Realität in der Telekommunikation nicht viel gemein hat.

"Kazaa-Gründer entwickeln Skype-Software zum kostenlosen Telefonieren via Internet", "IBM plant Migration zu VoIP", "Terrornetzwerk Al Qaida kommuniziert mit Paltalk via Internet", "QSC führt IPfonie ein" - das ist nur ein kleiner Teil der Schlagzeilen aus den letzten Monaten rund um das Thema Telefonieren via IP-Netze. Alle Meldungen suggerieren, dass nun, wie es Gartner formuliert, "die Zeit für VoIP reif ist". Zudem steht mittlerweile in fast 80 Prozent aller deutschen Netzprojekte die Frage nach der VoIP-Fähigkeit im Pflichtenheft. Trotzdem geht etwa Forrester Research davon aus, dass VoIP erst im Jahr 2020 die klassische Telefonie in den öffentlichen TK-Netzen Europas ablösen wird.

Mit VoIP wachsen TK- und IT-Welt zusammen, wenn beispielsweise das Telefon den PDA als elektronisches Rufnummernverzeichnis nutzt. Foto: Mitel
Mit VoIP wachsen TK- und IT-Welt zusammen, wenn beispielsweise das Telefon den PDA als elektronisches Rufnummernverzeichnis nutzt. Foto: Mitel

Diese scheinbaren Widersprüche lösen sich auf, wenn man die verschiedenen Spielarten des Telefonierens über IP-Netze näher betrachtet. Ein Verfahren ist dabei die Internet-Telefonie, bei der mit Hilfe von Client-Software auf einem PC oder PDA über das öffentliche Internet kommuniziert wird. Dagegen bezeichnet VoIP im engeren Sinne den Transport des Gesprochenen in Form von Datenpaketen über IP-Netze, die nicht zwangsläufig zu den öffentlichen Netzstrukturen des Internets gehören. Hierbei ist wiederum zwischen der unternehmensinternen Kommunikation und Telefonaten mit Dritten zu unterscheiden.

Zur Rubrik Internet-Telefonie zählen die populären Softwareprogramme wie Skype oder Paltalk, die auf den ersten Blick Fantastisches versprechen: das kostenlose Telefonieren via Internet mit Hilfe eines Software-Clients und eines Headphone. Damit mutiert im Prinzip jeder Internet-Anschluss, egal ob zu Hause oder im Internet-Café, zur Telefonzelle. Allerdings eignen sich die Produkte vorwiegend für Privatkunden.

Mit "QSC IPfonie" hat die Kölner QSC AG hierzulande Anfang Dezember einen VoIP-Service für ihre privaten DSL-Kunden realisiert. Untereinander telefonieren die IPfonie-Nutzer über das ATM-Backbone des Providers kostenlos. Endet ein Telefonat jedoch im klassischen Telefonnetz, zahlt der Anrufer je nach Tageszeit zwischen 1,5 und 2,5 Cent pro Minute.

Während QSC im Privatkundensegment damit bereits eine VoIP-Lösung vermarktet, setzt der Provider im Business-Umfeld noch auf Voice over DSL. Diese zweigleisige Strategie begründet QSC-Vorstand Bernd Puschendorf damit, dass VoIP im Geschäftsumfeld bisher keine so gute Funktionalität und Qualität wie ISDN aufweise. Ferner funktioniere bei Ferngesprächen das Roaming zwischen den Carriern noch nicht problemlos, und die notwendige Priorisierung der VoIP-Sprachpakete sei in den einzelnen Netzen unterschiedlich gelöst.