Konzentrationsprozeß im Desktop-Business

Vier Anbieter teilen den Markt für PC-Software unter sich auf

09.08.1991

MÜNCHEN (CW) - Die Zeiten, als sich im PC-Bereich Dutzende von Software-Anbietern mit gleichwertigen Produkten tummelten, sind bald vorbei. Schon jetzt hat der Konzentrationsprozeß dazu geführt, daß immer weniger Anbieter ein immer größeres Marktsegment bedienen. Für die Anwender bedeutet diese Entwicklung weniger Auswahl und weniger Markt.

Novell übernimmt Digital Research, Borland schluckt Ashton-Tate. Solche Schlagzeilen bestätigen den Konzentrationstrend, den die Anbietervereinigung Software Publisher Associates (SPA) im PC-Softwaremarkt ausgemacht hat. Danach kontrollieren vier Anbieter 56 Prozent des Marktes. Aufgrund dieser Zahl äußerte Nancy McSharry, Analystin bei der International Data Corp. (IDC), die Befürchtung, daß es bei der PC-Software bald wie auf dem amerikanischen Automarkt aussehen werde: "Drei Branchenriesen, daneben eine Reihe kleiner und unscheinbarer Anbieter."

Nicht ganz so dramatisch beurteilt die amerikanische IDG-Schwesterpublikation "Computerworld" diese Entwicklung, findet aber die Analyse der US-Analystin grundsätzlich durch eine nicht namentlich genannte Studie bestätigt. Darin werde eine Reihe von Firmen genannt, die in nächster Zeit eine Rolle im Konzentrationsprozeß spielen könnte.

Potentielle Aufkäufer sind, so die "Computerworld", vor allem Firmen mit gravierenden Lücken in ihrem Produktangebot. An erster Stelle nennt die Zeitschrift hier die Borland International Inc., in deren Angebot eine stabile Textverarbeitung fehle. Auch die eben einverleibte Ashton-Tate-Corp. habe jedoch nur ein Paket mit verschwindendem Marktanteil eingebracht. Allerdings werde bei Borland derzeit an einer objektorientierten Textverarbeitung gearbeitet.

Zu der Kategorie der Käufer gehören auch Lotus und Microsoft, die nach Informationen von "Computerworld" ein Datenbanksystem brauchen wenngleich Lotus-Sprecher dies bestritten. Wie es heißt, hat das Unternehmen vor einiger Zeit ein entsprechendes Projekt abgebrochen. Microsoft soll dagegen bereits Betatests mit einem Datenbankprodukt durchführen.

Diesen potenten Unternehmen stehen auf der anderen Seite Firmen gegenüber, die sich zu sehr auf ein einziges Produkt verlassen haben und dadurch zu potentiellen Übernahmekandidaten werden. Als Paradebeispiel gilt hier die Wordstar Corp. Nach Ansicht einer Reihe von US-Analysten hat die Textverarbeitungs-Company Ron Posner als CEO nur engagiert, damit er die Firma soweit saniert, daß sie sich gut verkaufen läßt.

Die meisten der Datenbankanbieter sind nach Auskunft von Rich Finkelstein, Unternehmensberater bei der Performance Computing Inc., ebenfalls in Gefahr, übernommen zu werden.

Der Clipper-Hersteller Nantucket soll wegen Qualitätsmängeln der Version 5.0 seiner Dbase-ähnlichen Programmiersprache ebenfalls in Schwierigkeiten gekommen sein. Und auch im Grafikbereich wollen laut "Computerworld" die Akquisitionsgerüchte nicht verstummen: Micrografix und Corel sollen bereits einigen Kaufangeboten erfolgreich widerstanden haben.

Etwas anders stellt sich für das US-Blatt die Situation bei der Wordperfekt Corp. dar. Auch dieser Softwarehersteller lebe vor allem von einem einzigen Produkt, dessen Absatz zudem unter dem Fehlen einer Windows-Version leide. Die ausgeprägte Firmenkultur und der abgelegene Firmensitz, so Unternehmenssprecher, würden mögliche Käufer jedoch abschrecken.