Verhandeln über den Job lässt sich lernen

19.01.2004
Seit es deutlich mehr Bewerbungen als offene Stellen gibt, ist es für viele Jobsuchende schon ein wichtiger Erfolg, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Durchatmen können die Kandidaten dann aber noch lange nicht, sondern jetzt werden sie erst richtig gefordert, wie Bewerbungsberater Gerhard Winkler weiß.

Mit seinen Arbeitsbedingungen ist der Münchner Softwareentwickler rundherum zufrieden: Er hat großen Freiraum in seiner täglichen Projektarbeit, fühlt sich von der Geschäftsleitung über aktuelle Entwicklungen bestens informiert, und die Kollegen pflegen einen unkomplizierten Umgang miteinander. Doch Bewerber erleben im Vorstellungsgespräch auch die andere Seite der Medaille: "Wir stellen hohe fachliche Anforderungen an die Kandidaten. In den Gesprächen sitzen mitunter fünf Führungskräfte und Mitarbeiter einem Bewerber gegenüber, prüfen wir fachliches Wissen ausführlich ab. Da kommen viele Bewerber buchstäblich ins Schwitzen", erzählt er.

Deshalb sollten sich Bewerber auf Vorstellungsgespräche inhaltlich gut vorbereiten und psychisch wappnen. Für Karriereberater Gerhard Winkler, der auf seiner Website www.jova-nova.com viele Tipps in Sachen Bewerbung verrät, trägt vor allem Ich-Stärke zum Gesprächserfolg bei: "Ein selbstbewusster Kandidat schafft es im Bewerbungsgespräch, seine Linie zu behaupten." Er müsse sich nicht verkaufen. Es genügt, wenn er sich und seine Leistungen ins rechte Licht stellt. Dazu gehört zum Beispiel, souverän mit der eigenen Biografie umzugehen. Laut Winkler sollten es Bewerber vermeiden, Sätze mit "leider" zu beginnen.

Statt dessen rät er zu eindeutigen Statements und zu klaren Vorstellungen über die eigenen Konditionen wie Gehalt, Arbeitszeit, Urlaubstage und berufliche Ziele. Das heißt nicht, im Vorstellungsgespräch über potenzielle Überstunden diskutieren zu können. "Damit verschlechtert man seine Chancen gegenüber Mitbewerbern, die sehr gern länger machen, wenn mehr anfällt", weiß Winkler. Schließlich suchen Unternehmen heute Mitarbeiter, die ihren Job hundertprozentig erledigen. Diese Einsatzfreude sollten Kandidaten im Jobinterview auch herausstellen und in ihren Antworten verstärkende Attribute wie "uneingeschränkt", "voll und ganz" oder "absolut" benützen.

Ein zentrales Kriterium für den Erfolg im Vorstellungsgespräch ist für Winkler die Vorbereitung: "Informieren Sie sich so gründlich über die Organisation, als wollten Sie in sie investieren. Tatsächlich tun sie das auch, wenn Sie dort zu arbeiten anfangen: Ihr Lebenslauf ist ein Portfolio, die einzelnen Stationen sind Ihre Assets. Mit einem neuen Job fügen sie ein weiteres Asset hinzu."Gut vorbereiteten Bewerbern gelingt es meist besser, im Vorstellungsgespräch die nötige Gelassenheit zu finden. "Als gelassener Jobsucher bringen Sie Ruhe in jedes Gespräch und wirken zugleich enorm kompetent, wenn sie wie unsere Landwirtschaftsministerin Renate Künast vor jeder Antwort einen Lidschlag lang pausieren", ist der Karriereberater überzeugt. In seinen Augen schaden auch ein wenig Witz und Esprit nicht, da sich der Gesprächspartner aufgewertet fühle, wenn man seinen Geist und Verstand anspreche.

Aus seiner Beraterpraxis heraus beurteilt Winkler Gesprächsanbahnung und Jobverhandlung als Kunst, die " nahezu vollständig erlernbar ist". Allerdings hätten gerade die verzweifeltsten Bewerber nach zahllosen Absagen kaum Interesse, ihre Technik zu verbessern. Anekdoten von Fehlschlägen sind übrigens, so der Bewerbungsprofi, auch im Vorstellungsgespräch nicht angebracht. Wenn, dann sollte man lieber vom Ausprobieren, Bemühen, Weitermachen und vom Mut berichten, den man nicht verliert.