User akzeptieren X-Windows als einen De-facto-Standard

19.07.1991

X-Terminals besitzen eine Bitmap-orientierte grafische Fensterarchitektur, die von den meisten Herstellern als ein De-facto-Standard für schnelle Fenster-Applikationen anerkannt wird. X- Windows ist also unabhängig von herstellerspezifischen Netztopologien, Hardwareplattformen oder Betriebssystemen. Jonathan Sheldrake* zeigt die Chancen und Grenzen der X-Terminals auf.

Die sinkenden Preise, die sich jetzt der 1000-Dollar-Grenze nähern, werden so manchen Anwender von dieser Technik überzeugen. Schon jetzt haben die Terminals etliches zu bieten und können es mit manchem PC aufnehmen, vor allem was die grafischen und die Fenstermöglichkeiten betrifft. Zudem sind X-Terminals, abgesehen von den technischen Workstations, die einzigen Desktop-Geräte, die Fenstersysteme im Netz unterstützen .

X-Windows ist vor allem in Umgebungen beliebt, in denen Netze und technische Workstations vorherrschen. Bereits nach einer kurzen Phase der Marktpräsenz entwickelten sich die X-Terminals zur Konkurrenz für verschiedene Produkte wie PCs, Workstations und grafische Terminals. Die Workstations lassen sich im Gegensatz zu den X-Terminals aufrüsten, aber dafür muß der Anwender in den meisten Fällen tief in die Tasche greifen. Wird eine höhere Leistung gewünscht, muß in den meisten Fällen der Rechner ausgetauscht werden. Bei einem X-Terminal dagegen läßt sich ein zusätzlicher Host an das Netz anschließen, von dem jeder Anwender profitieren kann. Die Preise für Workstations sinken zwar auch ständig, aber sie liegen immer noch deutlich über denen der "dummen Terminals". Hinzu kommt, daß ein Netz mit Workstations schwieriger zu verwalten ist.

Daß die X-Terminals beim Preis günstiger abschneiden als grafikfähige PCs oder Workstations, hängt auch damit zusammen, daß der I/O-Bus wegfällt. Allerdings ist die Performance der Endgeräte immer von der Leistungsfähigkeit des Großrechners abhängig.

Farbbildschirme werden sich bis 1994 durchsetzen

Es fällt schwer, sich vorzustellen, da ß sich 12- oder 14-Zoll-Bildschirme durchsetzen, weil sie für sinnvolle Fensterapplikationen zu klein sind. 15-, 16-, und 17-Zoll-Bildschirme, die in der Regel eine höhere Auflösung besitzen, werden für Design, CASE, DTP, Prozeßkontrolle und zur Kontrolle von technischen Daten eingesetzt, wobei sie oft mit ANSI-Fähigkeiten ausgerüstet sind. 19-, 20- und 21-Zoll-Screens haben ihr Einsatzgebiet in wissenschaftlichen und technischen Applikationen. Besonders S/T-Anwendungen im medizinischen und technischen Bereich sind auf X-Terminals sinnvoll. Bis jetzt bietet nur Tektronix Geräte an, die den 3D-Standard berücksichtigen, aber dies wird sich wohl künftig ändern. Bis 1994 dürften die Farbbildschirme den monochromen Geräten den Rang ablaufen. Analysten erwarten zudem, daß sich hochauflösende 16- und 19-Zoll-Terminals durchsetzen werden.

Viele Unternehmen, die mit X-Terminals liebäugeln, besitzen IBM-Mainframes. Connectivity-Software wurde dafür bereits entwickelt. Das ist allerdings eine recht teure Lösung. Denkbar wäre beispielsweise auch ein X-Terminal mit einer 3270- oder 3X-Emulation. Auf diese Weise könnte eine Interaktion zwischen Applikationen des Mainframes und X-Software stattfinden. Auch für heterogene Umgebungen beispielsweise IBM-Großrechner und Unix-Computer sind solche X-Lösungen denkbar.

X-Window-Systeme werden aufgrund ihrer technischen Eigenschaften den Terminalmarkt verändern. Aber auch der Preis spielt hier eine große Rolle. So liegen die Kosten für ein IBM-Terminal um einiges höher als für ASClI/ANSI-Terminals. Ein Produkt für 1500 Dollar hätte sicher in Europa einen erheblichen Erfolg. Im ASCII/ANSI-Markt hätte man bereits mit einem Preis von 800 Dollar gute Chancen.

Eine IBM Emulation könnte sich hier auszahlen und Produkten mit diesen Möglichkeiten ist eine rosige Zukunft sicher. Zwar wird es immer Arbeitsplätze geben, wo eine Standard-Terminal ausreicht, aber viele DV-Verantwortliche sehen.

Die Zukunft gehört den offenen Systemen und damit auch Terminals, die mit Großrechnern unterschiedlicher Hersteller kommunizieren können. Bis ein solches Produkt entwickelt ist, wird es sicher noch eine Zeitlang dauern. Aber die Hersteller, die sich, immer noch auf proprietäre Umgebungen beschränken, haben mit signifikanten Einbußen zu rechnen. Ihnen wird es genauso ergehen wie den Anbietern, die sich nicht rechtzeitig auf Unix einstellen.

X-Terminals sind dabei, eine ernste Konkurrenz für andere grafikfähige Terminals zu werden. Ersichtlich wird dies auch

an den Verkaufszahlen dieser Grafik-Endgeräte, die rückläufig sind, seit X auf den Markt kam. Die Hersteller haben sofort auf diesen Trend reagiert. Tektronix sprang sofort auf diesen X-Windows-Zug auf. Auch DEC richtete seine Terminallinie auf X aus.

NCD und Visual Technology waren bei den X-Anfängen die Marktführer. NCD konnte sich laut IDC auf dem ersten Platz

halten, während es mit den Geschäftsergebnissen von Visual Technology rapide bergab ging und das Unternehmen inzwischen ernsthafte finanzielle Probleme hat. NCD konnte durch OEM-Geschäfte mit Bull und Nokia seine Stellung halten.

Auch die Großen der DV-Branche spielen im Bereich der X-Terminals eine bedeutende Rolle. DEC kann auf eine jahrelange Erfahrung mit grafikfähigen Terminals zurückblicken und bietet eine ganze Reihe dieser Endgeräte an. HP hat als erstes Unternehmen X-Terminals angeboten, die auf RISC basieren. IBM und NCD sind auch in Europa aktiv, aber sie halten einen kleineren Marktanteil als der Anbieter DEC, der nach NCD die zweitgrößten Umsätze erzielt, so das Marktforschungsinstitut IDC. Tektronix ist die erste Firma, die ein PEX-Terminal anbietet, das dreidimensionale Anwendungen unterstützt. Gipsi, ein Unternehmen, das von der französischen Regierung unterstützt wird, verkauft seine leistungsstarken Geräte vor allem in Frankreich.

In der Bundesrepublik dominieren vor allem zwei Anbieter. Siemens bezieht die Terminals von dem norwegischen Hersteller Tandberg Data und kann recht beachtliche Verkaufserfolge aufweisen. Sphinx, bisher vor allem wegen der RAM-Bausteine und Unix-Rechner bekannt, ist auf dem Gebiet X-Terminals ein Newcomer. Das in München ansässige Unternehmen, das seit Ende 1990 X-Terminals im Programm hat, bietet drei RISC-Modelle an. Bewahrheiten sich die Prognosen der Analysten, soll Sphinx bereits 1991 einen erheblichen Marktanteil für sich beanspruchen können.

Der Konkurrenzdruck im X-Terminal-Markt steigt

Studien von IDC ergaben, daß in Westeuropa 1990 rund

18 300 X-Terminals verkauft wurden. Das sei sechsmal soviel wie noch im Jahr zuvor. Das Marktforschungsinstitut geht davon aus, daß 1993 zirka 104 000 und 1994 rund 154 000 solcher Terminals über den Ladentisch gehen. Die Wachstumsraten sind erheblich höher als bei den zeichenorientierten Terminals. Allerdings muß dabei beachtet werden, daß dieser traditionelle Markt um einiges größer ist. Laut IDC wurden allein 1990 zwei Millionen alphanumerische Terminals verkauft. Den X-Window-Systemen steht sicherlich eine rosige Zukunft bevor, aber ein Blick auf die installierte Basis der traditionellen Terminals zeigt doch, daß zeichenorientierte Geräte noch für einige Jahre vorherrschen werden.

Obwohl sich der Markt für X-Terminals stark vergrößert, bedeutet dies für die Anbieter nicht unbedingt ein reines Honiglecken. Grund dafür ist die verschärfte Wettbewerbssituation, ein Ergebnis der wachsenden Anzahl von X-Terminal-Herstellern. Es ist damit zu rechnen, daß einige Anbieter aufgrund dieser Situation bereits 1991 wieder in der Versenkung

verschwinden.