Mips Computer soll Compaq eine Beteiligung angeboten haben

US-DV-Koalition will eigenen Workstation-Standard setzen

22.02.1991

NEW YORK/MÜNCHEN (ciw) - Compaq, High-end-PC-Hersteller und weltweit Nummer zwei hinter IBM, hat die Initiative erneut an sich gerissen. Dieses Mal dreht es sich nicht wie 1988 mit EISA um eine gegen IBM gerichtete PC-Architektur, sondern um neue Workstations, mit denen der RISC-Marktführer Sun angegangen werden soll.

Die Texaner scheinen Gerüchten zufolge zusammen mit Microsoft Initiator einer Koalition zu sein, die einen einheitlichen Standard für diese Rechner schaffen will. Die Workstation soll auf dem kürzlich angekündigten 64-Bit-RISC-Prozessor R4000 von Mips basieren.

Laut "Wall Street Journal" versuchen die bereits eng miteinander kooperierenden Häuser Microsoft Corp. und Compaq Computer Corp., noch andere DV-Hersteller dazu zu bewegen, den als zukunftsträchtig eingestuften Workstation-Markt mit einem einheitlichen Standard verstärkt zu penetrieren. Digital Equipment, Santa Cruz Operations (SCO) und Mips Computer Systems sollen sich bereits für die Koalition entschieden haben. Es lägen sogar bereits erste Pläne für eine solche Workstation vor, von der Analysten vermuten, sie ziele eher in den kommerziellen als in den technisch-wissenschaftlichen Bereich.

Wenn es zu einer Vereinbarung kommt, könnte den Berichten zufolge der R4000 von Mips (siehe auch PC & Workstations, Seite 25) als CPU der Maschine eingesetzt werden. SCO wird demnach ein Unix-Betriebssystem entwickeln Die Microsoft Corp. selbst, die einen Anteil an SCO hält, ließ bereits unabhängig von den aktuellen Gerüchten verlauten, daß man Windows auf die wichtigsten Workstation-Plattformen portieren wollte.

DECs Beteiligung an dieser Allianz macht ebenfalls Sinn um einen ist Digital bereits einer der größten Kunden von Mips und zum anderen im Besitz von fünf Prozent des Aktienkapitals.

Damit ist der VAX-Hersteller hinter dem japanischen Maschinenbau-Konzern Kubotu, der insgesamt 22 Prozent der Mips-Aktien hält, größter Einzelaktionär des amerikanischen Chip-Highflyers.

Außerdem könnte DEC mit Hilfe einer auf den kommerziellen Markt ausgerichteten Workstation endlich auch in einem Bereich erfolgreich agieren, den man mit den im technisch-wissenschaftlichen Sektor angesiedelten DEC-Stations bislang nicht erreicht.

Compaqs Motiv erscheint ebenfalls eindeutig: Die Texaner bemühen sich schon seit längerem, in Geschäftsfelder vorzudringen, die über das reine - nicht mehr allzuschnell wachsende - Stand-alone-PC-Business hinausgehen. So versuchen sie beispielsweise, ihre Mehrprozessor-Maschine "Systempro" im Bereich der mittleren Datentechnik zu etablieren. Außerdem soll Compaq bereits seine Fühler Richtung Workstations ausgestreckt haben. Spekulationen zufolge steht nämlich die Übernahme des auf High-end-Grafik-Workstations spezialisierten Herstellers Silicon Graphics Inc. bevor. Dort wurde betont, man wolle unabhängig bleiben. Die Gespräche mit einer Reihe von Computerherstellern, zu denen auch Compaq gehören würde dienten ausschließlich "strategischen Geschäftsbeziehungen"

Auch wenn das Übernahmegerücht falsch sein sollte, belegt es doch Compaqs Bestreben, neue Märkte anzugehen. Durch eine auf den kommerziellen Markt ausgerichtete Workstation mit Standard-Architektur schlüge der texanische Produzent zwei Fliegen mit einer Klappe. Er könnte ein neues, wachstumsträchtiges Marktsegment erobern und würde gleichzeitig seine Abhängigkeit vom bisher einzigen Mikroprozessor Lieferanten Intel reduzieren.

Gesetzt den Fall, die Koalition käme zustande und würde einen Standard für Workstations etablieren, so wäre dies auch ein Angriff auf die Marktführerschaft von Sun Microsystems. Der Unix-Pionier war offenbar ebenfalls bemüht, Compaq als Kunden für seine Sparc-Prozessoren zu gewinnen. "Sun hätte Compaq natürlich gern auf der Sparc-Schiene gesehen. Da hat es auch intensive Verhandlungen gegeben, die aber für uns leider nicht erfolgreich waren, weil Mips der Firma Compaq eine Beteiligung von zehn Prozent angeboten haben soll. Das machte den Deal mit Mips natürlich attraktiver", erklärt Gert Haas, Marketingleiter der Sun Microsystems GmbH. Im übrigen hegt er keine Befürchtungen, daß sein Unternehmen durch eine mögliche Allianz Marktanteile verlieren könnte: "Der Unterschied zwischen Sparc- und Mips-Chips hat bisher auch darin gelegen, daß alle Sparc-basierten Systeme zueinander binärkompatibel sind, die von Mips nicht. Ich glaube, diese Koalition will in erster Linie ein Application Binary Interface schaffen, das die Systemkompatibilität gewährleistet", so Haas; das wäre aber schon ein gewisser Fortschritt. Immerhin könne es dazu führen, daß mehr kommerzielle Anwender Unix basierte Systeme implementieren. "Wir machen uns nur dort das Geschäft streitig, wo bereits Unix eingesetzt wird"relativiert er die Konkurrenzsituation. Allerdings glaubt der Sun Mann nicht an eine Veränderung der Rollenverteilung im RISC-Workstation-Markt: "Die Reihenfolge wird weiter Sun IBM und Mips sein."

Noch ist das Koalitions-Vorhaben offenbar geheime Kommandosache. Denn keiner der Hersteller, die in der vergangenen Woche vom "Wall Street Journal" genannt wurden, wollte sich äußern. Eine Sprecherin der texanischen Compaq Corp. verwies den Artikel ins Reich der Hirngespinste: "Der Beitrag ist rein spekulativ, es gibt keine konkreten Absprachen über eine Koalition der genannten Firmen." Sie war lediglich bereit einzuräumen, daß Compaq selbstverständlich strategische Verbindungen mit anderen Häusern eingegangen sei und daß Microsoft sich unter diesen Partnern befinde. Allerdings scheinen zumindest die Dementis abgesprochen zu sein. Die Compaq-Sprecherin: "Zu den Koalitionsgerüchten äußert sich keines der in dem Artikel erwähnten Unternehmen anders als wir selbst.