US-Berufungsgericht macht Weg frei fuer den Consent Decree Microsoft gewinnt eine Schlacht - aber der Justizkrieg geht weiter

25.06.1995

MUENCHEN (CW) - Die Microsoft Corp. hat vor dem US Court of Appeals vor einer Woche einen grossen Sieg verbuchen koennen: Die drei Berufungsrichter schmetterten eine Entscheidung von US- Distriktrichter Stanley Sporkin vom 14. Februar 1995 einstimmig ab. Dieser hatte den im Juli 1994 zwischen der Gates-Company und dem US-Justizministerium (DOJ) geschlossenen sogenannten Consent Decree abgelehnt. Die US-Richter verwiesen das Verfahren wieder an das untergeordnete Distriktgericht in Washington, D.C., mit der Massgabe, den Consent Decree nunmehr abzusegnen. Anlass zur Freude hat Microsoft auch aus einem anderen Grund: Die drei Richter gaben dem Antrag des Softwarehauses statt, das Verfahren bei Rueckverweisung an das Distriktgericht in Washington, D.C., nicht mehr in die Haende Richter Sporkins zu legen.

Dieser hatte im Februar dieses Jahres den Inhalt des Consent Decree - und damit indirekt auch die Verhandlungsfuehrer des DOJ - heftig kritisiert. Die Vereinbarung liege nicht im oeffentlichen Interesse und sei ein untaugliches Mittel, das umstrittene Wettbewerbsgebaren von Microsoft zu zuegeln. Die Auflagen des Consent Decree seien viel zu eng gefasst und deckten in keiner Weise das beanstandenswerte Geschaeftsgebaren der Gates-Company ab.

Genau an diesem Punkt setzte die Argumentation sowohl von Microsoft als auch des DOJ an, die am 24. April 1995 gegen die Sporkin-Entscheidung Berufung einlegten: Beide argumentierten, Sporkin habe seine Befugnisse bei weitem ueberschritten, seine Jurisdiktion sei schon aus diesem Grund abzuweisen. In der Tat verlangt die US-Rechtsprechung durch den im Jahre 1974 festgeschriebenen sogenannten Tunney Act, dass ein zwischen Kartellbehoerde und einer Gegenpartei geschlossener Consent Decree zwar durch einen Richter bestaetigt werden muss. Dieser habe sich in seiner Entscheidung aber auf den Inhalt des Consent Decree zu beschraenken. Aspekte, die nicht Gegenstand solch einer aussergerichtlichen Vereinbarung sind, darf er hingegen nicht zum Thema seiner Eroerterungen und schon gar nicht zum Anlass einer ablehnenden Entscheidung machen.

Gates hat somit eine Schlacht gewonnen, den Krieg hingegen wohl noch nicht fuer sich entschieden. Offensichtlich ist das DOJ sensibilisiert durch die harsche oeffentliche Kritik seit dem Abschluss des Consent Decree. Diese kulminierte in dem Vorwurf, die Wettbewerbshueter seien viel zu lax mit Microsoft umgegangen und haetten dem Softwarehaus einen Persilschein fuer seine wettbewerbsrechtlich zweifelhaften Geschaeftspraktiken ausgestellt.

Nach Aussagen des Softwareriesen selbst und von Konkurrenzunternehmen fordert das DOJ momentan Informationen ein, um in anderer Sache gegen Gates zu ermitteln. Gegenstand der Untersuchungen ist Microsofts Absicht, in das fuer den 24. August 1995 zur Auslieferung anstehende Windows 95 mit "Microsoft Network" einen eigenen Online-Dienst zu integrieren.

Kritiker des Softwarehauses argwoehnen, Microsoft wolle sich mit seinem Monopol im Markt der PC-Betriebssysteme ein Entree bei den Online-Diensten verschaffen und auf lange Sicht auch dieses Industriesegment dominieren - ein Vorgehen, das durch die Rechtsprechung des sogenannten Sherman Act eigentlich verboten ist.

Die Europaeische Union (EU) verhaelt sich derweil passiv. Deren Kartellrechtsbehoerde, das Directorat General IV (DG IV), hatte im Juli 1994 ein sogenanntes Undertaking-Abkommen mit Microsoft geschlossen, das inhaltlich mit dem Consent Decree uebereinstimmte. Im Gegensatz zu diesem trat das Undertaking-Abkommen jedoch sofort in Kraft.

Wie ein Sprecher der EU in Bruessel sagte, seien im Nachklang der Abkommen mit Microsoft keine offiziellen oder inoffiziellen Beschwerden gegen das Gates-Unternehmen bei der europaeischen Behoerde eingegangen.

Er bestaetigte allerdings, dass das DOJ die EU ueber seine jetzt laufenden Untersuchungen gegen Microsoft bezueglich der Buendelstrategie mit Windows 95 und Microsoft Network informiert habe. EU-Kommissar Karel van Miert sagte, man arbeite sehr eng mit dem DOJ zusammen: "Wir bereiten uns auf alle Eventualitaeten vor. Mehr kann ich momentan nicht sagen."