Erstes Power-PC-System im September

Unterstuetzung von Windows NT ist auch fuer IBM ein brisantes Thema

20.08.1993

MUENCHEN (jm) - Auf der Unix-Expo in New York wird die IBM nach Informationen des Unternehmens Power-PC-Systeme ankuendigen, die im ersten Quartal 1994 zur Auslieferung anstuenden. Hartnaeckig halten sich derweil Geruechte, die blauen Marketiers wollten Windows NT auf den Power-PC-Systemen anbieten.

Brancheninsider, die sich auf der IBM nahestehende Quellen berufen, wollen wissen, dass Big Blue NT unterstuetzen wird, die Portierungsaufgaben jedoch Motorola ueberlaesst. Bekanntlich entwickeln beide gemeinsam die Power-PC-Prozessoren.

Diese Darstellung kann sich auf Aussagen stuetzen, die Motorola anlaesslich der Vorstellung des Power-Chips 601 vor knapp einem Jahr abgab: Seinerzeit aeusserten Motorola-Verantwortliche in Muenchen, man werde NT auf den RISC-Chip portieren. Die Frage, wie IBM zu diesen Plaenen stehe, beantworteten die Manager mit der Bemerkung, die Kooperationsvereinbarungen zwischen beiden Unternehmen liessen Motorola freie Hand nicht nur bei der Lizenzierung der CPU an andere Firmen ausser IBM und Apple, sondern berechtige den Halbleiter-Hersteller auch zur Portierung von Microsofts Betriebssystem. Die Informationsquellen weisen darauf hin, sowohl bei Motorola als auch bei IBM habe man die Bedeutung hervorgehoben, die NT fuer die Zukunft der Power-PC-Architektur spielen werde.

Die IBM selbst wird ihre Entwicklerkapazitaeten nach den vorliegenden Informationen auf die "Workplace-OS"-Umgebung konzentrieren, in der sowohl AIX als auch OS/2 laufen. IBMs Betriebssystemumgebung soll ferner Anwendern den Uebergang auf das objektorientierte Betriebssystem Taligent erleichtern. Zu den Informationen wollte die IBM Deutschland GmbH selbst keine Stellungnahme abgeben.

Sollte sich die Gerstner-Company allerdings als NT-Verschmaeher gerieren, wuerde sie allein auf weiter Flur stehen: Alle schwergewichtigen Konkurrenten im RISC-Segment planen, Microsofts Single-User-Betriebssystem auf ihren Rechnern einzusetzen.

Digital verbindet die Zukunft von Alpha mit NT

Hewlett-Packards (HP) PA-RISC-Chip "7100LC", der kommendes Jahr verfuegbar sein soll, unterstuetzt sowohl das fuer Windows NT wichtige Little-Endian- als auch das Big-Endian-Byte- Anordnungsverfahren. Offiziell gibt HP keine Bestaetigung zu den NT-Plaenen. Unternehmensinterne Quellen bestaetigen jedoch, dass noch dieses Jahr diesbezueglich eine Ankuendigung zu erwarten ist.

Sun - Spitzenreiter der RISC-Workstation-Szene - gab Ende Juli 1993 gemeinsam mit Intergraph bekannt, dass man einen Sparc- Prozessor entwickeln werde, auf dem im Gegensatz zu den bisherigen Sun-Prozessoren NT ablauffaehig ist. Auf die 64-Bit-CPU, bei der es sich wie beim HP-Chip um einen hybriden Prozessor fuer beide Byte- Anordnungsverfahren handelt, wird Intergraphs Advanced Processor Division NT portieren.

Der Workstation-Hersteller aus Huntsville, Alabama, erweitert gemaess einem Abkommen mit der Gates-Company von November 1992 zudem das Betriebssystem-Angebot fuer die eigene "Clipper"-Architektur um NT. Bislang rechnen die "Serie-2400"- und "Serie-6400"-Systeme mit Intergraphs Unix-Derivat "Clix". Marketing-Leiter Klaus Ratzer zufolge stecken die US-Entwickler voll in den Portierungsbemuehungen. Wann Intergraph das Clipper-NT auf den Markt wirft, konnte er allerdings nicht sagen. Fuer Intergraphs "TD1"-Intelrechner wird NT ab dessen Verfuegbarkeit mit einer Verzoegerung von etwa einem Monat angeboten werden.

Digital Equipment verbindet die Zukunft der Alpha-Architektur ebenfalls im hohen Masse mit Microsofts Betriebssystem: Ab Anfang September soll die englische Client-Version, vier Wochen spaeter die Advanced-Server-Variante von NT fuer die Alpha-Architektur zu haben sein. Die deutsche Software, so DEC-Sprecherin Theresia Wermelskirchen, folgt fuenf bis sechs Wochen spaeter.

Schliesslich sitzt auch die Silicon-Graphics-Tochter Mips Technologies Inc. in den Startloechern: Sobald NT offiziell erhaeltlich ist, wuerden die Kalifornier Systeme auf Basis der "R4000"- und "R4400"-RISC-CPUs offerieren. Ein R4400-System aus der Taufe gehoben hat bereits die Deskstation Technology Inc. aus Lenexa im US-Bundesstaat Kansas. Das Modell "rpc 44LE" soll um 25 Prozent schneller als Pentium-Systeme sein. Als Mini Tower mit 16 MB Arbeitsspeicher, 512 KB Sekundaer-Cache, 240 MB grosser SCSI- Festplatte und Sony-CD-Laufwerk sowie einer Videokarte mit S3- Grafik-Chip und vorinstalliertem NT soll der RISC-Rechner noch diesen Monat in limitierter Stueckzahl fuer 4500 Dollar verfuegbar sein.