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Zu Beginn der Pandemie vor mittlerweile mehr als zwei Jahren gab es viele Spekulationen darüber, wie sich die globale COVID-19-Krise auf die Zukunft der Arbeit auswirken wird. Ein Resultat ist sicher, dass viele Mitarbeiter in der Home-Office-Isolation den Sinn ihrer Tätigkeit stärker hinterfragen. In den USA führte das Ergebnis dieser Reflektion bereits zu einer rekordverdächtigen Kündigungswelle, die als "The Great Resignation" vermutlich in künftige Geschichtsbücher eingehen wird. Als Alternative entschieden sich viele Mitarbeiter für Quiet Quitting, hierzulande ist die "stille Kündigung" auch als Dienst nach Vorschrift bekannt.
Eine andere Entwicklung ist wohl, dass sich in Sachen Führungsstil die Spreu vom Weizen trennt: Gute Manager vertrauen ihren Mitarbeitern und setzen auf Motivation und zielorientiertes Führen, schlechte Chefs setzen auf Mikromanagement und stärkere Kontrolle. Schaffen sie es nicht, ihre Mitarbeiter komplett zurück ins Büro zu beordern, führt dies in harmloseren Fällen zu Kontrollanrufen, wenn die Präsenzanzeige in Teams oder einem anderen Messaging-Dienst längere Zeit auf Inaktiv (Gelb) steht.
In besonders schlimmen Fällen kommt dabei - soweit möglich und erlaubt - sogar sogenannte Bossware zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Software zur Überwachung der Tastatur oder der Maus. Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Mitarbeiter auch im Home-Office während ihrer gesamten Arbeitszeit arbeiten.
Die arbeitnehmernahe US-Organisation Coworker.org hat in ihrer Bossware- und Employment-Tech-Datenbank mehr als 550 Produkte aufgeführt, die Techniken wie KI, Standortverfolgung und Biometrie nutzen, um Mitarbeiter zu verwalten und ihre Daten zu sammeln - oft ohne ihr Wissen.
Kontrolle der Mitarbeiterproduktivität auf dem Vormarsch
Überwachung von Mitarbeitern gibt es dabei nicht nur jenseits des großen Teichs oder anderne Ländern mit nur schwach ausgeprägten Arbeitnehmerrechten. Wie eine Studie von VMware ergab, haben 60 Prozent der deutschen Unternehmen seit der Umstellung auf hybride Arbeitsformen Maßnahmen zur Kontrolle der Mitarbeiterproduktivität entweder bereits eingeführt oder planen, diese einzuführen.
Zu diesen Maßnahmen gehören das Monitoring von E-Mails (41 Prozent), Collaboration Tools (41 Prozent) und Web-Browsing (30 Prozent), sowie Videoüberwachung (30 Prozent), Webcams (25 Prozent) und Keylogger-Software (25 Prozent). 34 Prozent der Unternehmen, die das Monitoring von Geräten bereits eingeführt haben und 45 Prozent derer, die dies gerade tun, stellen jedoch eine erhöhte oder sogar drastisch erhöhte Fluktuation ihrer Mitarbeiter fest.
In den USA, wo auch rigidere Kontrollmaßnahmen vollkommen legal sind, war die Überwachung von Firmencomputern schon lange vor 2020 und COVID-19 ein Problem. Erst Corona führte jedoch zu einem Boom bei Lösungen, um diesem Kontrollwahn Grenzen zu setzen, berichtet das Online-Magazin Vice. So seien die Suchanfragen nach sogenannten "mouse mover"- und "mouse jiggler"-Lösungen ab März 2020 sprunghaft angestiegen, als viele Schreibtischarbeiter zu Beginn der Pandemie vom Büro nach Hause wechselten, und blieben seitdem konstant hoch.
Auch die virtuellen Regale von Online-Händlern wie Amazon sind voll mit Plug-and-Play-Mouse-Mover, mit denen sich der Mauszeiger von unten drehen lässt, oder USB-Sticks, auf denen eine Software vorinstalliert ist, die Mausbewegungen nachahmt. Durch Einstecken des Sticks wird dem Computer vorgegaukelt, dass es sich um eine aktive Maus handelt.
I have gone into the WFH wilderness, and have brought back a discovery - The Mouse Jiggler. It keeps your mouse active, even if you’ve gone off to have a lunch/dump/whatever. I had no idea this was a thing, but it is. Shirkers of the world unite! pic.twitter.com/YNgpG3Qk1I
— Alice Radley (@alice_radley) January 25, 2023
In manchen Fällen muss man aber nicht einmal ein Gerät kaufen, um eine sich bewegende Maus zu imitieren. Im Internet werden zahlreiche Programme zum kostenlosen Download angeboten, die eine Maus nachahmen. Der Haken dabei: Ein Mitarbeiter, dem sein Unternehmen so stark misstraut, dass er eines dieser Geräte benötigt, hat wahrscheinlich auch keine Admin-Rechte, um neue Software auf seinem Firmen-PC zu installieren.
Es gibt auch spezielle Videos mit Linien und Mustern auf YouTube, die dem Mitarbeiter Zeit verschaffen, um eine Toilettenpause einzulegen oder ähnliches. Diese Videos mit meist sechsstelligen Abrufzahlen sind für die Wiedergabe auf einem Smartphone-Bildschirm gedacht. Auf diesen legt man die Maus und die Bewegung der Linien im Video sorgen dafür, dass sich der optische Mauszeiger bewegt. Kommentaren im Reddit-Forum r/antiwork zufolge soll eine analoge Uhr mit Sekundenzeiger ähnliche Effekte erzeugen.
"Die Pandemie hat sich als Katalysator erwiesen, um dem "9-to-5"-Schema eine Absage zu erteilen", zitiert Vice eine Vertreterin des Mouse-Mover-Anbieters Tech8 USA. Das Blatt habe sich zu Gunsten der Arbeitnehmer gewendet. Sie schätzen die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und haben keine Angst, Arbeitgebern, die diese Werte nicht teilen, eine Absage zu erteilen. Der Mouse Mover sei ein neues Instrument in diesem Wandel.