Microsoft propagiert plötzlich das dumme Windows Terminal

Thin Client: Gates tanzt auf allen Hochzeiten

18.04.1997

Auf der Windows Hardware Engineering Conference (WinHEC) in San Franzisko gab Gates erste Designvorstellungen vom Windows Terminal zum besten. Dieses unterscheidet sich sowohl von den Plänen der Network-Computer-Protagonisten Oracle, Sun und IBM als auch von den Referenzspezifikationen, die Microsoft selbst mit Intel für einen Net PC festgezurrt hat.

Beim Windows Terminal soll es sich laut Gates um ein System handeln, das ohne Browser-Software und Betriebssystem auskommt. Auch besitzt es keine CD-ROM- und Diskettenlaufwerke. Nach Angaben von Kunden, die das Softwarehaus vorab informierte, wird das Gerät mit 4 MB Arbeitsspeicher, einem ROM-Speicher, einer Netz- sowie einer Grafik-Display-Schnittstelle und darüber hinaus mit einer Tastatur und einer Maus ausgestattet.

Anwendungen wie etwa Microsofts eigene "Office"-Suite werden in diesem Konzept ausschließlich auf Servern plaziert, an die die Microsoft-Clients angeschlossen sind. Das Windows Terminal empfängt allerdings nur sogenannte Screen Images von den Windows-Applikationen. Diese werden auf der künftigen Windows-NT-Version 5.0 laufen. Das Betriebssystem soll, was für das Windows-Terminal-Konzept wichtig ist, Multiuser-fähig sein. Bisherige NT-Versionen sind dies nicht.

Allerdings ist das Protokoll, das die Übertragung der Screens vom NT Server auf die Windows Terminals ermöglichen soll, noch nicht definiert. Es ist auch noch nicht geklärt, ob es sich bei diesem Protokoll um ein Microsoft-eigenes, also proprietäres, handelt, das ausschließlich mit dem NT-Betriebssystem zusammenarbeitet, oder um eines, das auch andere Multiuser-Betriebssysteme unterstützt.

Die Citrix Systems Inc. etwa hat mit "Winframe" solch ein Produkt im Programm. Mit der Winframe-Software ist es möglich, auf "dummen" Terminals auch solche alphanumerischen Applikationen zu nutzen, die auf einem NT-Server-Betriebssystem aufsitzen. Darüber hinaus bietet Citrix über sein Windows-Protokoll Independent Console Architecture (ICA) eine Möglichkeit, auf Terminals auch grafikbasierte Applikationen ablaufen zu lassen.

Dataquest-Analyst Martin Reynolds warnte davor, daß durch das Windows-Terminal-Konzept die Probleme vom Desktop auf den Server verlagert würden. In solch einem Szenario benötigten Server sehr viel Speicher. Dieser sei aber für Server sehr viel kostspieliger als für Tischrechner.

Ein weiteres Manko des Vorschlags besteht darin, daß beim Versand von Screen Images die Netze insbesondere in Umgebungen mit Hunderten von Benutzern extrem belastet werden. Die permanenten Datenströme vom NT Server zum Windows Terminal könnten ein Netz schnell in die Knie zwingen. Außerdem befürchten Insider, daß Anwender mit einem proprietären Protokoll in eine Umgebung aus NT-Server-Betriebssystem mit Microsoft-Applikationen einerseits und Windows-Terminals andererseits gezwungen werden.

Details, wer ein solches Terminal wann auf den Markt bringt, nannte Microsoft nicht. Insofern handelt es sich bei den Eröffnungen um Technologieaussagen zu Produkten, die bisher nur auf dem Papier existieren.

Insider werfen Microsoft seit langem vor, mit solchen Verlautbarungen die Branche verunsichern zu wollen, um bereits existierenden oder kurz vor der Markteinführung stehenden Produkten das Wasser abzugraben.