McNealy kann sich nicht mehr auf den Java-Lorbeeren ausruhen

Sun sucht nach einer Post-Java-Strategie

01.12.2000
MÜNCNEN (CW) - Mit Java hat sich Sun eine dominierende Rolle im Softwaremarkt erarbeitet. Doch trotz der wachsenden Verbreitung der Plattform sinkt der Einfluß des Server-Herstellers. Neben Sun etablieren sich weitere Unterstützer. Nun bringt auch noch Erzrivale Microsoft mit .NET ein Schwergewicht in den Enterprise-Markt, zum anderen dominieren bei der Java-2-Enterprise-Edition andere Java-Player. Die McNealy-Company sucht nach neuen Strategien.

Von Sun erwarten Martforscher in absehbarer Zeit eine Antwort auf .NET mit einem klaren Software-Service-Konzept. Nach einem Bericht des Branchendienstes "Computerwire" kommen Gartner-Analysten zu der Einschätzung, dass sich Sun nicht mehr länger auf den Java-Lorbeeren ausruhen kann. Die McNealy-Company benötige demnach einen Highlevel-Abstraction-Layer für geschäftskritische Anwendungen über das Internet. Die heutige Architektur sei dafür zu komplex.

Suns Forschungschef Tom Bittman stimmt den Forderungen nach einer neuen Vision zu, um die starke Position seines Unternehmens bei Anwendungsentwicklern aufrechtzuerhalten. Es sei an der Zeit, den plattformspezifischen Ansatz aufzugeben, um sich stärker auf den Middleware-Bereich zu konzentrieren. "Wir haben über Jahre ein Modell verfolgt, in dem Betriebssystem-APIs an eine Hardwareplattform gebunden waren. Nun befinden wir uns in einer Ära, in der Anwendungen auf einer Middleware sitzen und lediglich Umgebungen wie etwa IBMs Websphere erfordern", so Bittman weiter. Für sein Unternehmen sieht er die Gefahr, im Softwarebereich in die zweite Riege zurückzufallen, falls es nicht gelingt, ein neues Web-Service-Modell zu entwerfen.

Sun droht Abstieg in die zweite LigaDeutlich zeigt sich eine Verschiebung der Fronten. In den letzten Jahren stand Sun durch die weitgehende Kontrolle über die plattformunabhängige Programmiersprache in direkter Opposition zu Microsoft und dessen proprietärerem Windows. Mittlerweile verstärkt sich der Einfluss anderer Unternehmen auf Java, während Microsoft mit .NET einen Trend zu mehr Plattformunabhängigkeit durchblicken lässt. Von Java und Windows verschiebt sich der Focus zunehmend auf Java 2 Enterprise Edition (J2EE) und .NET als marktbeherrschende Paradigmen.

Auf einem Roundtable während der Comdex verwiesen Analysten und Entwickler in diesem Zusammenhang auf die wachsende Bedeutung von Enterprise Javabeans. Derzeit ist die Spezifikation für Enterprise Javabeans 2.0 in der Betaphase, im nächsten Jahr ist mit der Fertigstellung zu rechnen. Probleme sehen viele Fachleute noch in den teils ungeklärten Standardisierungsfragen. So wurde wieder einmal Kritik am Java Community Process (JCP) geäußert. Entwickler wie Steve Richardson von Vercom Systems forderten, dass Sun in Zukunft nicht mehr die letzte Kontrolle und das Vetorecht haben sollte. Dennoch ist er wie viele Kollegen mit der Geschwindigkeit der Innovation des JCPs zufrieden.

Kritik am Java Community ProcessTom Dwyer von der Aberdeen Group warnte gar vor einer zu hohen Geschwindigkeit bei der Weiterentwicklung. So sei nicht unbedingt eine Vielzahl neuer Java-Features gefragt, vielmehr sei ein Großteil der Unternehmen mit den bestehenden Features völlig zufrieden. Kritische Stimmen gab es zu den Vorschlägen, Java der Open Source Community zu übergeben. So äußerte Componentsource-CEO Sam Patterson die Befürchtung, dass dadurch der Standard aufgeweicht wird und Sicherheitsprobleme entstehen. "Die Kunden glauben nicht, dass der Prozess für etwas derart Großes und Plattformübergreifendes wie Java funktionieren wird. Man muss damit rechnen, dass Java als Open-Source-Entwicklung unter Umständen on the fly verändert und in Umlauf gebracht würde", so Petterson weiter.

Vertreter von General Electrics (GE) und Fedex äußerten sich auf dem Symposium zu ihren Entscheidungen zugunsten von Java. Beide Unternehmen erwogen zuvor auch den Weg auf die .NET-Plattform, wobei die Plattformunabhängigkeit letzten Endes für Java gesprochen hat. Dennoch waren viele Teilnehmer der Ansicht, dass .NET keinesfalls ein Hype, sondern eine ernst zu nehmende Alternative zur Java-Plattform sei.