Sprachverwirrung kostet Zeit und Geld

19.11.2002

European Content Club Für elektronische Kataloge gibt es immer noch keine einheitlichen Standards. E-Business-willige Zulieferer müssen ihre Katalogdaten daher in einer ganzen Reihe von verschiedenen Formaten anbieten, Einkaufsorganisationen müssen aufwändige Prüfverfahren aufsetzen. Die deutschen Großunternehmen Bertelsmann, Chemfidence, Deutsche Bahn, Deutsche Post, Deutsche Telekom, EADS und Lufthansa haben sich daher zum European Content Club (ECC) zusammengeschlossen. Sie wollen von ihren Lieferanten nur noch Daten in festgelegten Release-Ständen der Standards UN-SPSC, E-Class, BMEcat sowie ISO-Codes verlangen. Um die bereitgestellten Kataloge zentral verwalten zu können, hat sich der ECC entschlossen, die Errichtung eines „Content Management und Distribution Centers“ (CMDC) auszuschreiben. Dadurch soll jedoch kein Mega-Marktplatz entstehen. Der ECC erhebt ausdrücklich keinen Anspruch auf Exklusivität und lädt alle Unternehmen mit relevanten Beschaffungsvolumina ein, der Initiative beizutreten.

CW: In der Folge müssen elektronische Kataloge also immer noch langwierige Prüfverfahren durchlaufen, bis sie in die aktiven Systeme eingespielt werden können? FRICKE: Das ist zwar besser geworden, zufrieden stellend läuft es aber noch nicht. Die Überwindung der babylonischen Sprachverwirrung wird weiterhin viel Zeit, Geld und Nerven kosten. Der BME hat mittlerweile eine Prüfsoftware entwickeln lassen, mit der die BMEnet GmbH Kataloge testet und zertifiziert.

CW: Bei der Nutzung von elektronischen Marktplätzen sind Zulieferer wie Einkaufsorganisationen gleichermaßen von der anhaltenden Pleitewelle verunsichert. Ist diese Konsolidierungsphase schon abgeschlossen? FRICKE: Ich glaube, es werden noch einige Marktplätze verschwinden. Andere, denen das Wasser bis zum Hals steht, springen über ihren Schatten und schließen sich zusammen. Meines Erachtens wird sich der Markt in sechs bis zwölf Monaten bereinigt haben.

CW: Offenbar haben die Marktplätze viel Potenzial an die E-Procurement-Initiativen der großen Konzerne verloren. FRICKE: Nicht unbedingt, jedenfalls nicht auf dem Markt für wenig strategische Güter. In der Chemiebranche ist es beispielsweise sehr verbreitet, Marktplatzbetreiber als Dienstleister zu nutzen. Andere Unternehmen wollen das lieber selbst steuern und organisieren, vergessen aber, dass sie dabei einiges an Leergeld zahlen müssen. Ich verstehe das nicht, und die Erfahrung zeigt auch, dass viele Unternehmen derartige Projekte abbrechen.

CW: Was halten Sie von den Bemühungen der Softwarehersteller, unter dem Schlagwort Supplier-Relationship-Management neue Lösungen für den Umgang mit Zulieferern anzubieten? FRICKE: Das ist ein Thema für den strategischen Einkauf. Dabei geht es nicht um die Beschaffung unkritischer C-Teile, sondern um die Pflege langjähriger Beziehungen mit Partnern. Wenn ich einen Zulieferer in eine Supply Chain integriert habe, komme ich da nicht so schnell wieder heraus. Diese Lieferanten muss man richtig managen. Dazu zählen zum Beispiel auch Entwicklungspartnerschaften.

CW: Welchen Stellenwert nimmt heute die Organisation der Lieferkette über mehrere Zuliefererebenen ein?FRICKE: In vielen Fällen ist das gar nicht notwendig. Dafür wurden ja die Systemlieferanten erfunden. Die Fertigungstiefe nimmt in vielen Unternehmen ab. In der Folge binden die Firmen in erster Linie direkte Zulieferer ein. Die haben dann die Verantwortung und kümmern sich um ihre nachgelagerten Lieferanten selbst. %

CW: Angesichts leerer Kassen investieren Unternehmen aber zurückhaltender in die medienbruchfreie Organisation von Lieferketten. FRICKE: Das sehe ich anders. Hier liegt nach wie vor ein großes Potenzial. Die Idee ist uralt - vor 20 Jahren nannten wir das integrierte Materialwirtschaft. Die notwendigen IT-Lösungen stehen heute zur Verfügung. Diese Möglichkeiten nutzt die Industrie auch, insbesondere zur Organisation produktionsnaher Prozesse. Vorreiter sind hier die Automobilhersteller. In der Prozessindustrie herrschen dagegen andere Bedingungen. Dort liegt man im Vergleich bestimmt ein bis zwei Jahre zurück. Der Servicebereich steckt noch ganz in den Startlöchern. Dienstleistungen lassen sich zwar ähnlich gut standardisieren wie Schrauben, aber wer macht das schon! Außer einigen Arbeitskreisen des Fraunhofer-Instituts fällt mir da nicht viel ein.

Wir beobachten zudem einen Trend, die Steuerung von Lieferketten an Logistikdienstleister auszulagern, die somit immer größere Stücke der Supply Chain übernehmen.