Konzentration im Bürolärm

Sprache ist der Störfaktor Nr. 1

24.04.2011
Von pte pte
Großraumbüros erleichtern zwar die Teamarbeit, stören jedoch zugleich auch die Konzentration. Denn der Arbeitsalltag ist damit einer neuen Lärmquelle ausgesetzt.

"Das akustische Hauptproblem in Büros ist heute die Sprache", betont Markus Meis vom Hörzentrum Oldenburg im pressetext-Interview. Das Problem wird angesichts seiner hohen Bedeutung noch viel zu wenig berücksichtigt - arbeitet doch heute fast jeder zweite Erwerbstätige im Büro, was alleine in Deutschland 17 Millionen Menschen sind.

Mit der Umgestaltung der Büros in den vergangenen Jahrzehnten änderte sich auch die Schallsituation dramatisch. Dominierten Maschinen die Geräuschkulisse, sind Nadeldrucker und Co. heute längst durch leisere Geräte ersetzt, in Technikecken verbannt oder eingehaust. "Die Kommunikationsgesellschaft fordert heute, dass wir immer mehr kommunizieren. Deshalb haben sich auch die Open-Space-Büros durchgesetzt, die Besprechungen und Teamarbeit erleichtern sollen", erklärt Meis. Problematisch dabei ist, dass Büroarbeit weiterhin Ruhe und Konzentration erfordert, etwa beim Lesen und Verfassen von Texten.

Der Schallpegel im Büro durch Gespräche, Telefonklingeln, Papiergeraschel oder Tastaturklappern liegt heute meist zwischen 50 und 60 Dezibel (dB/A). Das ist teils noch immer über der Obergrenze von 55 dB, die die Arbeitsstättenverordnung für vorwiegend geistige Tätigkeiten festlegt. Deutlich verständlicher Sprachschall verschlechtert laut Meis aber schon ab 35 dB nachweislich die Leistung. "Unsere Ohren spitzen sich bei Sprache automatisch. Je besser Sprache verstehbar ist, desto stärker konzentrieren wir uns ungewollt darauf, was unsere eigene kurzfristige Sprachverarbeitung stört", betont der Raumakustiker.

Anders als Gerüche oder Sehreize kann man Schallwellen nicht durch Gewöhnung weitgehend ausblenden. "Die Hörzellen im Ohr ermüden erst, wenn bereits erste Schädigungen eintreten. Anpassung an vertraute Geräusche gelingt zwar teils emotional, beseitigt aber nicht die Konzentrationsstörung." 34 Minuten Arbeitszeit kostet der Bürolärm täglich, zudem beeinträchtigt er Wohlbefinden und Gesundheit. "Menschen fühlen sich teils stärker als durch Zeitdruck belästigt und erzeugen Stresshormone, was anspannt, verkrampft und sogar Rücken und Nacken schädigen kann."

Gegenmaßnahme betreffen zunächst die Arbeitsorganisation wie etwa die räumliche Gruppierung der Mitarbeiter nach ihrer Kommunikationstätigkeit, die Schaffung von Besprechungsinseln und Rückzugsräumen sowie leise Klingeltöne am Telefon. Alles weitere ist Frage der Raumakustik, so Meis. "Schallschluckende Materialien verkürzen die Nachhallzeit und beruhigen, zudem lässt sich Sprache auch durch Trennwende abschirmen." Moderne Kommunikationssysteme erkennen und filtern darüber hinaus Störgeräusche und passen sich an die Situation an, was etwa bei Videokonferenzen von Vorteil ist.

Dennoch gilt es auch bei der Geräuschreduzierung typische Fehler zu vermeiden. Extreme Schallreduzierung wie bei einem Tonstudio ist etwa ebenfalls ungünstig, da sie die Sprache noch besser verständlich macht und somit die Ablenkung steigert. Schließlich sei die Sound-Maskierung als weitere mögliche Maßnahme - wobei Musik oder Rauschgeneratoren den Bürolärm überdecken sollen - eher kurzfristige Notlösungen. "Einerseits muss es von den Mitarbeitern akzeptiert werden, andererseits erreicht man damit den weiteren Anstieg des Schallpegels", gibt der Oldenburger Hörexperte zu bedenken. (pte)