Enterprise-Portale/Brückenschlag durch das Unternehmen

Spielend gewinnen

29.06.2001
Der Spielautomatenhersteller Gauselmann hat sich aufgemacht, ein Internet-Portal zu errichten. Es soll die Geschäftsprozesse der Mitarbeiter und der Kunden gleichermaßen vereinfachen. Dabei mussten auch die internen IT-Strukturen gestrafft werden, um die neuen Funktionen ausnutzen zu können. Von Lothar Lochmaier*

Das erste B-to-B-Branchenportal für die Spielautomatenindustrie zu implementieren warf bei der Gauselmann AG einige kritische Fragen auf, denn elektronische Marktplätze zählen nach dem Hype inzwischen nicht mehr zu den IT-Selbstläufern. E-Handelsplätze stifteten bisher bei den meisten Unternehmen oft mehr Verwirrung, als dass sie konkrete Probleme lösen konnten. Dem Marktpotenzial der technologischen Prozessoptimierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette sagten Auguren zwar bis vor kurzem noch große Wachstumschancen voraus, doch herrscht auf den meisten virtuellen Marktplätzen eher Kehraus. Der Grund: Neben der Sisyphusarbeit, die bereits bestehende IT-Landschaft vom Backend bis zum Frontend zu integrieren, erfordert ein beschleunigtes E-Business flexible interne Unternehmensprozesse.

Im Gegensatz dazu stehen nach einer Studie von Morgan Stanley bei den Unternehmen im laufenden Jahr Investitionen, die als Kernziel eine erhöhte Kundenbindung über das Internet verfolgen, ganz oben auf der Tagesordnung. Von 33 möglichen Sparmaßnahmen im IT-Bereich sind nach Angaben der von Morgan Stanley befragten Firmen Customer-Relationship-Management-(CRM-)Aktivitäten am seltensten betroffen. Immer mehr Unternehmen richten deshalb ihre Enterprise-Portale, so sehen es auch die Marktforscher von IDC, neben der allgemeinen Optimierung der Websites vor allem auf Kunden-Support und Groupware-Anwendungen aus.

Laut IDC machen sieben Kriterien ein gutes B-to-B-Unternehmensportal aus: Anwenderschnittstellen, Verzeichnisdienste, Zugangskontrollen, Möglichkeiten zur Authorisierung, Groupware-Elemente, Funktionen für das Wissens-Management sowie die Integration von Applikationen und Prozessen. Mit dementsprechend hohen Ansprüchen an eine umfassende Lösung wollte sich auch Gauselmann dem schärferen internationalen Wettbewerb stellen, um alte Kunden zu halten und neue zu gewinnen.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Markttrends und angesichts der abgeflauten Euphorie bei Internet-Marktplätzen legten die Spielautomatenbauer den Schwerpunkt des Portalprojekts daher vor allem auf die Verbesserung der Kundenbeziehungen. "Als modernes Unternehmen können wir uns schwerfällige Abstimmungs- und Abwicklungsprozesse nicht mehr leisten", so Marketing- und Vertriebsvorstand Jens Kahle zu den Beweggründen.

Kahles Plan sah vor, auf der neuen Online-Plattform ein umfassendes Serviceangebot zu offerieren, um beispielsweise die bevorstehende Euro-Einführung für die Kunden zu erleichtern. Mit weiteren Services wie einem interaktiven Marktplatz will das Unternehmen künftig zudem neue Kunden gewinnen: "Der erste Teil der Investitionen hat sich bereits gelohnt", meint Vertriebsvorstand Kahle. Die Kunden könnten sich zu jedem Produkt Informationen abrufen, online sofort bestellen und den Bestellstatus der Ware jederzeit überprüfen. Der interne Mehraufwand, der zum Beispiel durch Doppelarbeit verschiedener Abteilungen anfällt, sollte zudem systematisch begrenzt werden.

Die bestehende Lösung reichte nicht ausZunächst einmal musste sich der Projektintegrator, die Gauselmann-Tochter BEIT Systemhaus, den internen Erwartungen an ein unternehmenweites E-Business-Portal stellen. Die vor der Implementierung im Unternehmen bestehende DV-Lösung konnte laut Ulrich Beerhorst, IT-Projektleiter bei der Unternehmensgruppe Gauselmann, das weltweite Händler- und Kundennetzwerk nicht mehr ausreichend unterstützen: "Die Herausforderung bestand darin, die verstreuten Anwendungslandschaften und Datensysteme zusammenzuführen", so Beerhorst zu den Rahmenbedingungen innerhalb der Firma.

Das virtuelle Foyer der Gauselmann AG sollte nach erfolgreicher Authentifizierung des Kunden einen direkten Draht zum gewünschten Vertriebsmitarbeiter schalten, der sofort auf die Anfrage reagieren kann. Organisatorisch häufig aufwändige Rückfragen innerhalb des Vertriebs entfallen dadurch. Neben dem heißen Draht zum Kunden rund um die Uhr war ein Kernziel des Projekts, die Mitarbeiter in Vertrieb, Marketing und Service bei ihrer täglichen Arbeit besser zu unterstützen. Folglich musste eine unternehmensweit ausgerichtete IT-Infrastruktur geschaffen werden, die für Kunden sowie Mitarbeiter gleichermaßen den Internet-basierten Zugriff auf den umfassenden Produktkatalog und das darin integrierte Bestellsystem vorsah.

Die Notes-Integration war PflichtNach kurzer Projektevaluierung im August vergangenen Jahres entschied sich Gauselmann für den Offenbacher Portalanbieter Appsolut Software. Dessen Tools wurden den Kernanforderungen am besten gerecht, so Beerhorst. Die Lösung sei einfach und rasch implementierbar, zudem ermögliche sie den Zugriff über verschiedene Endgeräte sowie Browser-Versionen. Außerdem erlaubt die von Appsolut gelieferte "Enterprise Portal Suite" die nahtlose Integration von Lotus Notes, was eine zusätzliche spezifische Herausforderung des Projekts darstellte.

Die im Zuge der Kooperation zwischen Systemhaus Beit und Appsolut entwickelte Portallösung konzentriert sich neben administrierbaren Rollen, Inhalten und Prozessen vor allem auf ein personalisiertes Look-and-Feel der Oberfläche. Dies bedeutet, dass sich das B-to-B-Portal schnell auf sich verändernde Anforderungen einstellt, indem der Nutzer durch Drag-and-Drop selbst die notwendigen Anpassungen vornimmt.

Besonderes Augenmerk richtete Projektleiter Beerhorst dabei auf den Security-Aspekt: "Wir haben ein differenziertes mehrstufiges Sicherheitskonzept entwickelt, bei dem wir Zugangsberechtigungen an unsere Kunden vergeben. Diese wiederum sind in der Lage, weitere Nutzer nach genau definierten Regeln zu berechtigen." Eine genaue Spezifizierung der Kriterien und des Anwendungsbezugs der Nutzerauthentifizierung ist derzeit aber noch Chefsache bei Gauselmann.

Zentrales Kriterium beim Andocken der alten an die neue IT-Landschaft war die einfache und rasche Implementierung. Die modular aufgebaute Suite mit Portal-Engine, Portal-Composer und einem Connector für Lotus Notes stellt dabei die Verbindung zwischen den Front- und Backend-Systemen sicher. Das eingesetzte Softwarepaket bildet dabei eine Art Rahmenwerk (Framework), das benutzerdefinierte Dienste ermöglicht, die mit zusätzlichen Plugins an die spezifischen Bedürfnisse des Anwenders angepasst werden können. Die dafür erforderliche Flexibilität erlauben mitgelieferte Wizards, Templates und weitere Komponenten.

Die Integration in die bestehende IT-Umgebung wird durch vordefinierte Konnektoren zur Backend-Software wie Datenbanken, ERP- und Groupware-Systemen erleichtert. Der Zugriff des Anwenders auf die zahlreichen Windows-Programme erfolgt über die Portaloberfläche per OLE DB, ODBC oder COM.

Kunden von Gauselmann können auf dem Unternehmensportal über eine mehrstufig gesicherte Internet-Verbindung Produkte bestellen und ihren Lieferstatus rund um die Uhr überprüfen. Sie erhalten zudem praxisnahen Direkt-Support für die Installation und Wartung der Geräte. Vertriebsvorstand Kahle sieht in den Produkt-Features ein Startsignal für die gesamte Branche: "Wir machen damit unsere internen Informationsquellen für unsere Kunden zugänglich." Alle an der Prozessabwicklung beteiligten Abteilungen müssen daher natürlich ihre Informationen zeitnah zur Verfügung stellen. Dadurch lässt sich der Informationsfluss zwischen den beteiligten Abteilungen besser koordinieren, ohne dafür ein großes Personalkontingent bereitstellen zu müssen.

Konkret bedeutet dies, dass Kunden sämtliche verfügbare Produktdaten ebenso wie die Vertriebsmitarbeiter abfragen können. Der Vorteil: Die Kunden sind optimal informiert, und intern entfallen aufwändige Rundschreiben, beispielsweise über neue Produkt-Features. Die Folge ist ein stetiger, abteilungsübergreifender Informationskreislauf, der vom Produkt-Management über Marketing und Vertrieb bis hin zur Presseabteilung reicht, die ständig aktualisierte News auf der Plattform bereitstellt.

Weitere Serviceleistungen wie Informationen über Genehmigungsverfahren für Immobilien, Gerätemanipulationen und technische Ausstattungsfragen bieten zusätzlichen, kostenfreien Content für die Kunden. IT-Projektleiter Beerhorst setzt zusätzlich auf die um neue Features erweiterbare Plattform. Hier sei beispielsweise die Bestellung von Ersatzteilen oder der Abruf von Bestandskonten bei der Miete von Spielgeräten denkbar.

Mitarbeiter und Kunden nutzen die Info-Plattform variabel, bestellen mit ein paar Mausklicks Produkte und rufen Benutzerkonten ab. Für Gauselmann resultiert dies in Kostensenkungen für Wartung und Installation der Spielgeräte sowie bei der Automatisierung der Bestell-, Kauf- und Lieferprozessabwicklung, die künftig doppelt so schnell wie bisher erfolgen soll.

Was die ursprünglich zur Jahresmitte geplante Errichtung des virtuellen Marktplatzes mit zahlreichen interaktiven Funktionen angeht, so plädiert Vertriebsvorstand Kahle für eine integrierte Strategie bei der Bindung neuer und alter Kunden. Nach wie vor sei der persönliche Kontakt zum Kunden durch Vertriebsmitarbeiter vor Ort entscheidend. Das Internet diene deshalb vor allem als zusätzliches Medium und ergänzender Vertriebskanal.

Nachdem auf so manchem virtuellen Marktplatz derzeit gähnende Leere herrscht und die Multi-Channel-Vertriebsstrategie häufig ein Schlagwort bleibt, konzentriert sich Gauselmann in der nächsten Ausbaustufe auf die Anbindung des Intranet und Extranet in das Gesamtkonzept.

*Lothar Lochmaier ist IT-Fachjournalist in Tübingen.

GauselmannNeue Wege im Rahmen einer heterogen strukturierten Firmengruppe geht die in Espelkamp ansässige Gauselmann-Gruppe. In vier Jahrzehnten entwickelte sich das von Paul Gauselmann 1957 noch nebenberuflich geführte Unternehmen zum weltweit operierenden Konzern und europäischen Branchenführer in elektronischen Unterhaltungsgeräten. Mit etwa 5000 Mitarbeitern erzielte die Gruppe im vergangenen Jahr einen Gesamtumsatz von mehr als einer Milliarde Mark. Unverwechselbares Markenzeichen des Unternehmens sind die münzbetriebenen elektronischen Unterhaltungsgeräte der Marke "Merkur".

www.gauselmann.de

www.adp-gauselmann.de

Abb: Architektur des Gauselmann-Portals

Quelle: Gauselmann/Appsolut