Preisgestaltung für Programme muss sich stark verändern

Software-Lizenzen verteuern Rechenpower

08.10.2004
MÜNCHEN (kk) - Chiphersteller steigern die Leistungsfähigkeit der Rechenwerke durch neue Techniken wie Hyper- und Multithreading, Partitionierung und das Aufbringen von zwei Kernen auf einem Prozessor. Bleiben die Softwarelieferanten bei ihren bisherigen Lizenzmodellen, müssen Anwender, die die bessere Hardware nutzen wollen, mehr zahlen.

Spätestens seit AMD und Intel angekündigt haben, im kommenden Jahr Prozessoren mit zwei Rechenkernen auf den Markt zu bringen, geraten die Softwarehersteller unter Druck: Ihre derzeitigen Preismodelle konterkarieren den technischen Fortschritt, neue Abrechnungsverfahren werden dringend benötigt. Die Branche ist in Aufruhr, weil einheitliche Lizenzen für die immer ausgefeiltere Hardware fehlen. Einig ist man sich nur, dass in den kommenden zwei Jahren dringender Handlungsbedarf seitens der Programmhersteller besteht.

Viele Softwarehäuser berechnen die Kosten für die Programme nach der Rechenpower der Maschinen, auf denen diese installiert sind - und zwar auf CPU-Basis. Bei zwei Prozessoren auf einem Chip stellt sich die Frage, ob ein Doppelchip als einzelner oder als zwei CPUs zu werten ist. Die Softwarehäuser kassieren naturgemäß für Maschinen mit solchen Prozessoren lieber die doppelten Lizenzgebühren, Chiphersteller wollen aber die technischen Neuerungen möglichst kostengünstig an die Benutzer weiterreichen. Intel und AMD streben daher die Abrechnung nach den physikalisch vorhandenen Prozessoren an und erachten deshalb die Anzahl der Chipsockel als maßgeblich für die Berechnung.

Microsoft folgt diesem Beispiel und "rechnet bis jetzt noch nach den physikalisch vorhandenen Prozessoren" ab, erklärt Frank Mihm, Pressesprecher Windows Server System bei Microsoft Deutschland. Derzeit benötigt man auch nicht mehr als eine Softwarelizenz je Prozessor. Das ist wichtig für CPUs, die über Hyper- und Multithreading-Funktionalität verfügen. Mihm stellt aber in Aussicht, dass sich an dem Modell demnächst etwas ändern könnte. Für einige Programme, etwa die System-Management-Software "Operations Manager 2004", beweist Microsoft schon jetzt Kreativität und rechnet nach Anzahl der vom Programm verwalteten Geräte ab.

IBM: Mit schlechtem Beispiel voran

Die Situation wird komplizierter, wenn sich eine CPU partitionieren, also in logische Einheiten mit jeweils eigener Betriebssystems-Instanz, unterteilen lässt. IBMs leistungsstärkster "Power-5"-Prozessor etwa erlaubt die "Mikropartitionierung" in bis zu zehn Einheiten. Jürgen Ley, Produkt-Manager Z-Series Operating Systems bei IBM, bestätigt, dass sich Big Blue bei den Lizenzgebühren auf Power-basierenden Maschinen nach der Anzahl der logischen Prozessoren richtet. Im Extremfall kann bei Konsolidierungsvorhaben also die Lizenz für eine einzige Power-5-CPU das gleiche kosten wie für zehn Maschinen mit Single-Core-Prozessor. Anders sei das bei den Mainframes geregelt, die entweder nach Leistung oder physikalischer CPU abgerechnet werden. "Da müssen wir bei den anderen Servern auch hinkommen", fordert Ley.

Nachdem IBM bereits beim "Power 4" als erster Hersteller zwei CPU-Kerne in ein Stück Silizium goss und mittlerweile seit drei Jahren Systeme mit solchen Prozessoren verkauft, sollten die Verantwortlichen bei Big Blue eigentlich eine für die Anwender befriedigendere Lösung gefunden haben. Offenbar ist die Branche aber erst durch die Ankündigungen von Intel und AMD, die ein Massengeschäft erwarten lassen, auf das Problem aufmerksam geworden.

Ähnlich tief wie IBM greift Oracle seinen Kunden in die Brieftasche. Die auf der Homepage des Datenbankspezialisten hinterlegte Definition der Lizenzeinheit berücksichtigt bereits die "Multicore-Chips", die mehr als einen Prozessorkern enthalten: "Zum Zweck der Berechnung der Anzahl an Prozessoren, die lizenziert werden müssen, zählt ein Multicore-Chip mit n Prozessorkernen als n Prozessoren." Allerdings will sich Oracle nach Angaben von Jaqueline Woods, Vice President of Global Pricing and Licensing Strategy, "nach zusätzlichen Methoden zur Lizenzierung umsehen".

Intel und AMD sind sich einig

Chiphersteller AMD empfiehlt den Softwareherstellern dringend, neue Arten der Preisgestaltung zu entwickeln. Zwar kommen die ersten Dual-Core-Prozessoren von AMD erst Mitte 2005 auf den Markt, aber der Erfolg der CPU hängt - im Niedrigpreissegment PC-Server-Markt - nicht zuletzt auch von moderaten Softwarekosten ab. Als Übergangslösung schlägt das Unternehmen vor, die Lizenzgebühren an der Anzahl der im Rechner vorhandenen Prozessorsockel auszurichten. Das entspräche am ehesten der jetzt üblichen Praxis. Denkbar sei auch, die Programmkosten nach der Anzahl der Benutzer auszurichten.

AMDs Auffassung, die ausnahmsweise auch Mitbewerber Intel teilt, stimmen die Marktforscher der IDC zu. Seit diesem Jahr zählen die Analysten in ihren Statistiken nicht mehr die Rechenkerne in einer Maschine, sondern die Anzahl der Prozessorsockel. Ein Server mit vier Dual-Core-CPUs wird als Vier-Wege-Rechner angesehen. Ebenfalls unberücksichtigt bleibt die Fähigkeit eines Chips, mehrere Threads parallel auszuführen.

Das kommt insbesondere Sun Microsystems zugute, das mit dem "Ultrasparc IV" erstmals das Multithreading auf Chipebene eingeführt hat und diese Technik stark favorisiert. David Yen, Suns Verantwortlicher für die Chipentwicklung, erwartet sich von dieser Technik, die im Prinzip die Wartezeit der CPU auf Daten aus dem Hauptspeicher nutzt, den größten Leistungszuwachs. In Zukunft werden die Server seiner Meinung nach mit einer Vielzahl kleiner Aufgaben, etwa durch RFID-Funkchips, belastet, so dass sich die Gesamtleistung einer CPU durch ausgedehntes Chip-Multithreading enorm steigern lasse.

Die zukünftige Ultrasparc-Generation, die derzeit unter dem Codenamen Niagara entwickelt wird, soll acht Prozessorkerne enthalten, die jeweils vier Threads parallel abarbeiten können. Es scheint unrealistisch, dass Anwender bereit wären, dafür Lizenzkosten zu zahlen, die heute für ein Acht-Wege- oder sogar 32-Wege-System zu berappen sind. Sun selbst umgeht dieses Problem und verlangt für seine Server- und Desktop-Program- me eine fixe jährliche Gebühr, die sich nach der Anzahl der Mitarbeiter im Anwenderunternehmen richtet.

Kreativität beweist auch Bea Systems, das sich bei seiner Preisgestaltung einen Mittelweg ausgedacht hat, der sich an den Chipherstellern orientiert: Die verlangen für eine Dual-Core-CPU rund 30 bis 40 Prozent mehr als für einen herkömmlichen Chip - nicht mehr, denn er bringt ja auch selten die doppelte Performance. Bea schlägt für Maschinen mit Dual-Core-Chips deshalb 25 Prozent auf die Lizenzgebühren auf.

CA testet die Leistung

Noch feiner differenziert Computer Associates. Die Company unterzieht jedes neue Rechnersystem einem internen proprietären Performance-Test und stuft es in eine Leistungsklasse ein, die die Höhe der Lizenzgebühr bestimmt. "Dabei spielt es keine Rolle, welche Art von Prozessor im System steckt. Wir bewerten die Leistung des Gesamtsystems", erklärt Georg Lauer, Regional Manager Technology Services bei CA in Darmstadt. Die Einstufung der Rechner dient auch dazu, den richtigen Leistungstyp für die gewünschte Software zu finden. Die Liste der gängigsten Systeme ist mittlerweile auf mehr als 150 Seiten angewachsen und steht den CA-Partnern zur Preisfindung für die Programme offen.

Die Betrachtung und Bewertung der Rechnerleistung als Grundlage des Software-Pricings ist ein erster Schritt in Richtung eines zeitgemäßen Abrechnungsverfahrens, das sich am Konzept von Service-Levels orientiert. Die Kosten eines Programms könnten sich beispielsweise danach richten, welche Systemverfügbarkeit oder Leistungskategorie erreicht wird. Edouard Bugnion, Chief Technology Officer des Virtualisierungsspezialisten VMware, erwartet, dass sich in den kommenden zwei Jahren die Preisgestaltung für Software stark verändern wird. Seiner Meinung nach werden sich die Lizenzgebühren in Zukunft danach ausrichten, wie viel Computing-Arbeit mit den Programmen erledigt werden kann.

In Zeiten von Utility- und On-Demand-Computing versprechen die IT-Hersteller den Anwendern mehr Flexibilität. Ressourcen sollen je nach Bedarf einzelnen Aufgaben zugeteilt, Kosten nach Service-Levels abgerechnet werden. Die Softwareindustrie trägt dem bei ihrer Preisgestaltung aber in den meisten Fällen noch nicht Rechnung. "Bis heute", rügt Bugnion, "hat niemand ein Messinstrument zur Bestimmung der Lizenzen oder Ressourcen entwickelt." Vielmehr beschäftigen sich in Großunternehmen ganze Abteilungen mit den komplizierten Abrechnungsverfahren. Wer diese Arbeit scheut, kauft pauschal mehr Lizenzen als eigentlich benötigt, um nicht eines Tages der Softwarepiraterie bezichtigt zu werden.

Abrechnungsmodelle

Ein einheitlicher Umgang der Softwarefirmen mit den Dual-Core-CPUs fehlt. Die COMPUTERWOCHE fand folgende Abrechnungsmodelle:

- Abrechnung nach Anzahl der Prozessorsockel im Rechner,

- nach Anzahl der Benutzer,

- nach Anzahl der Mitarbeiter im Anwenderunternehmen,

- nach Anzahl der vom Programm bedienten Geräte,

- nach interner Einstufung des Rechners in eine Leistungskategorie,

- prozentualer Aufschlag bei Verwendung von Dual-Core-CPUs.

In Zukunft werden sich die Softwarepreise danach richten, welche Arbeitslast damit erledigt wird. Um mehr Flexibilität - Stichwort On-Demand-Computing - zu erreichen, dürften Service-Levels definiert werden, die dann die Lizenzgebühren bestimmen.

Fazit

Die IT-Szene ist in Aufruhr, weil die alten Preismodelle dem technischen Fortschritt im Weg stehen. Was sich bereits vor drei Jahren bei der Einführung der ersten CPU mit zwei Rechenkernen abzeichnete, wird im kommenden Jahr, wenn AMD und Intel den Massenmarkt bedienen, zum Problem: Wie stufen Softwarelieferanten solche Prozessoren ein, und welche Preise verlangen sie dafür? Schon heute reagieren einige Softwarehäuser mit kreativen Berechnungsmodellen, eine einheitliche Sichtweise der Industrie fehlt aber und macht Programme auch im Preis wenig vergleichbar. Schlimmer ist jedoch, dass althergebrachte Lizenzmodelle nicht für flexible IT-Strukturen taugen.