So optimieren Sie die Bestandsführung

Software bringt Schwung ins Lager

01.12.2004
Von 
Uwe Küll ist freier Journalist in München.

In der mittelständischen Praxis sind spezialisierte Lagerverwaltungssysteme eher selten: „Mittelständler machen gern manuelle Disposition, Planung auf Zuruf“, berichtet Fraunhofer-Experte Wiendahl. Technologien wie RFID bringen seiner Meinung nach nur dort deutlich spürbare Effekte, wo bislang sehr wenig in Sachen Logistikoptimierung unternommen wurde. „In einem gut organisierten Logistikprozess sind sie nur dort sinnvoll, wo Daten besonders schnell oder in besonders großer Zahl verarbeitet werden müssen.“ Das größte Potenzial liegt nicht im Technikeinsatz, sondern in der Organisation: Festlegung von Verantwortlichkeiten und regelmäßige Kontrolle der Abläufe machen 90 Prozent des Optimierungspotenzials aus.

Als Beispiel nennt Wiendahl eine klassische Fehlbuchung, wie sie jeder kennt, der an einem Samstagmittag seinen Einkaufszettel kontrolliert: Nicht selten findet sich da der Posten „2 x Cola“ statt „1 x Cola, 1 x Fanta“. Gegen solche Fehler gibt es für Wiendahl ein probates Mittel: „Wenn die Verkäuferin, die die Buchung vornimmt, abends die Regale auffüllen muss, hat sie einen handfesten Grund, bei der Buchung sorgfältiger zu sein.“ Denn nichts motiviert so zu guter Leistung wie der eigene Nutzen. Das erfordert allerdings eine gründliche Auseinandersetzung mit der eigenen Organisation. Die aber scheuen viele Unternehmen.

Das wirtschaftliche Nutzenpotenzial von Software für die Lagerwirtschaft wächst mit den Anforderungen an die Logistik. Allgemeingültige Aussagen zu Rationalisierungeffekten lassen sich für Wiendahl daraus aber nicht ableiten. Bestandsreduzierungen oder Servicegraderhöhungen von 30 Prozent sind nach seiner Erfahrung jedoch durchaus realistisch.

Ein wenig vorsichtiger ist Olaf Figgener bei seiner Schätzung. Er betreut am Fraunhofer-Institut für Materialwirtschaft und Logistik in Dortmund das Competence Center IT in der Logistik. 15 bis 20 Prozent Bestandssenkung hält er aufgrund seiner praktischen Erfahrung für machbar. „Das erreicht man aber nicht durch die Einführung einer Software allein“, betont auch er. „Nur wenn es gelingt, die Versorgungprozesse so abzustimmen, dass man genau weiß, wann welches Produkt wo zur Verfügung gestellt werden muss, wie lang die Wiederbeschaffungszeiträume sind, und all diese Teilprozesse aufeinander abstimmt, kann man solche Verbesserungen erreichen.“ Dazu gehört beispielsweise, konkrete Dispositionsregeln festzulegen. Hier ist dann auch schon mal ein Machtwort der Geschäftsleitung erforderlich, wenn es darum geht, Sicherheitsbestände herunterzufahren.

Erst wenn Logistikkonzept steht, ist die Auseinandersetzung mit konkreten Softwaresystemen sinnvoll. Grundsätzlich empfiehlt Figgener den Einsatz moderner Standardsoftware, die jedoch zumindest dort an betriebliche Besonderheiten angepasst werden müsse, wo diese einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Ob das mit integrierten ERP-Systemen oder Speziallösungen geschehe, hänge stark von Art und Anzahl der gelagerten Artikel ab. Ein typisches Szenario ist für Figgener die Ersatzteillogistik in der Automobilzulieferindustrie: „Da kommt man ohne automatisiertes Lager nicht mehr aus.“ Grundsätzlich gilt: „Je mehr Artikel, umso eher ist die Automatisierung sinnvoll.“

Algorithmen optimieren Abläufe

Gegenüber ERP-Systemen mit integrierter Lagerverwaltung zeichnen sich die Spezialisten durch mehr Möglichkeiten zur Prozessoptimierung auf Basis spezieller Algorithmen aus - etwa bei der Kommissionierung: Lagerverwaltungssysteme führen Wegeoptimierungen durch, optimieren die Packreihenfolge und die Zonierung im Kommissionierbereich.

Die Max Frank GmbH & Co. KG im bayerischen Leiblfing kommt bislang weitgehend ohne solche Finessen aus. Das Unternehmen produziert und vertreibt mit 200 Mitarbeitern Spezialartikel für den Stahlbetonbau. IT-Manager Thomas Richter erklärt: „Unsere rund 2500 Lagerbewegungen pro Woche bilden wir mit dem ERP-System infor:- COM erfolgreich ab.“ Zwar gebe es hin und wieder Probleme mit der Aktualität der Lagerbestände, wenn ein Kunde beispielsweise unvorhergesehen mehr Ware auf den bereitstehenden Lkw laden wolle als bestellt, doch setze man hier auf organisatorische Maßnahmen und das Ausreizen der vorhandenen Funktionalität.