Siemens und Nixdorf legen Leitlinien für zukünftige Produktpalette vor

SNI: Das neue Unternehmen setzt auf eingeführte Produkte

17.08.1990

MÜNCHEN (ciw) - Der Siemens-Bereich Daten- und Informationstechnik und die Nixdorf Computer AG haben Leitlinien für eine gemeinsame Produktpalette der Siemens-Nixdorf-Informationssysteme (SNI) vorgelegt: Die bisherige Hard- und Softwarepalette wird - bis auf wenige Änderungen - von der SNI übernommen. Im Zuge der normalen Innovationszyklen sollen gemeinsame Nachfolger die heutigen Maschinen ersetzen.

Die Homogenisierung der Produktpalette soll nach dem Willen der beteiligten Planer so verlaufen, daß "die vorhandenen Kundeninstallationen gesichert werden". Im Strategiepapier, das beide Unternehmen in der vergangenen Woche vorlegten, ist daher festgelegt, die Produkte "schrittweise, entsprechend den technologischen Innovationsmöglichkeiten, in die zukünftigen Siemens-Nixdorf-Informationssysteme-Produktlinien", zu überführen. Konkret: Die vorhandenen Geräte, allen voran die BS2000/7.500, aber auch die gesamte Unixpalette bleiben den Kunden erhalten.

Für die PC Linie gilt das gleiche. Allerdings erwartet man hier schnell zu erzielende Synergie-Effekte und wegen der relativ kurzen Innovationszyklen.

Neben den bereits heute verfügbaren Modellen will das neue Unternehmen in Kürze eine Mikrokanal-Maschine mit 80386SX-Prozessor und bis Mitte 1991 MCA-Modelle mit 386/ 486 Prozessoren zur Verfügung stellen.

Ebenfalls nur vorsichtig vereinheitlicht werden die beiden unterschiedlichen Unix-Paletten. "Die freigegebenen und angekündigten Modelle der Produktlinien MX, WX und Targon bleiben im Produktspektrum, werden weiterhin voll unterstützt und den Markterfordernissen angepaßt", geben die Leitlinien über die Aktivitäten in diesem Bereich Auskunft. Änderungen am Maschinenpark, die ehemals jeder für sich angekündigt hat, werden von der SNI übernommen. Das betrifft den Austausch der bisher in der MX-Reihe eingesetzten Natsemi-Prozessoren gegen Intel Chips, die Konzentration auf das AT&T Unix, Version 5.4, anstelle des noch nicht verfügbaren OSF 1.1 und das Umrüsten der Targon /31 auf den Motorola Baustein 68040. Wie geplant wird die Targon /33 das fehlertolerante System der SNI-Unix-Familie, und die T35 soll vor den anderen Mitgliedern der Reihe mit einem RISC-Chip von Mips Computer Systems ausgerüstet werden. Doch auch in den Siemens-Workstations "WX" kommen ab Mitte 1991 RISC-Prozessoren zum Einsatz.

Bei der "Quattro" praktisch kein Neugeschäft mehr

Um Source-Kompatibiltät zwischen Targon, MX, und WX herzustellen, soll noch in diesem Jahr eine Anwenderschnittstelle, die sogenannte SNI-API (Application Programming Interface), fertiggestellt werden. Sie wird, laut Leitlinie, aus wesentlichen Standards offener Systeme wie X/Open-XPG3, X-Windows, OSF-Motif, PHIGS (für Workstations), SQL, OSI und TCP/IP bestehen, sowie durch die Integration wesentlicher Funktionen und Komponenten aus Sinix und TOS (Targon Operating System) erzeugt.

Die API wird auf den neuen Intel- beziehungsweise Mips-basierten Modellen der existierenden Unix-Produktfamilien zuerst angeboten werden. "Wir wollen ganz eindeutig festlegen, welche Schnittstellen wir heute und in Zukunft als SNI unterstützen, damit der Kunde sicher sein kann, daß sein Equipment und seine Investitionen in Anwendungssoftware zu allen heutigen und zukünftigen SNI-Produkten kompatibel ist", betont Wöbker. Die Beschreibung soll jedenfalls veröffentlicht und Softwarehäusern zugänglich gemacht werden, fügt er hinzu.

Die Produktlinie "Quattro" bleibt nach Aussagen von Wöbker ebenfalls erhalten und wird auf Basis von Kundenwünschen weiterentwickelt. "Da wird nichts zurückgedreht", meint er und verweist auf die Einführung einer 32-Bit CPU- für die Quattro/8870, neue Peripheriegeräte sowie die Erweiterung des jetzt vorhandenen Betriebssystems. Schließlich seien in diesem Bereich 80 000 Geräte installiert und es wäre unvertretbar, wenn man diese Linie, trotz des praktisch nicht mehr vorhandenen Neukundengeschäftes, einstellen würde.

Aussteigen will man dagegen aus der Weiterentwicklung der 8890 von Nixdorf. Allerdings auch hier, ohne einen harten Schnitt zu machen: "Im Gegensatz zu unserer früheren Aussage, die 8890 noch bis 1995 zu unterstützen, werden wir solange Support für dieses Produkt bieten, wie Systeme im Feld installiert sind", erläutert Wöbker.

SNI unterstreicht das

Engagement für BS2000

"Zusätzlich können wir jetzt als Alternative zum vollkompatiblen Umstieg, den wir im vergangenen Jahr durch einen Vertrag mit Comparex eröffnet haben, Systeme unter BS2000 anbieten", freut er sich. Man könne zwei Optionen offerieren: Den Umstieg auf die BS2000-Systeme, auf denen ähnliche Anwendungen mit der gewünschten Rechnerleistung laufen würden; als zweite Variante könnte der Kunde das Siemens-Betriebssystem VM2000 - ein IBM-Derivat - , fahren, mit dem er heutige Nidos-Anwendungen weiter benutzen kann. Wöbker jedenfalls ist davon überzeugt, daß die bisherige 8890-Klientel den von SNI gebotenen Migrationsweg zu BS2000-Systemen der Comparex-Variante vorzieht.

Weil Nixdorf keine Großsysteme im Programm hatte, muß in diesem Segment der SNI-Produktpalette keine Homogenisierung stattfinden. Deshalb wird die BS2000/7.500, die im Geschäftsjahr 1988/89 etwa 69 Prozent des 5,4 Milliarden hohen DI-Umsatzes generierte, in den Leitlinien auch zum "Hauptlastträger für die Kundenanwedunngen und für Hochleistungs-Server" gemacht.

Um das Engagement für den proprietären Mainframe zu unterstreichen, soll das Produktspektrum am oberen Leistungende durch Multiprozessor-Anlagen im Leistungsbereich bis 500 MIPS ausgebaut werden - allerdings nennen die SNI-Planer noch keinen Termin für diesen "Super-Mainframe".

Für den unteren, von ein bis 20 MIPS reichenden Leistungsbereich sind ebenfalls neue Produkte geplant, die im Bürobereich eingesetzt werden können und den Anschluß einer Vielzahl von Low-Cost-Peripherie-Geräten erlauben.

In Sachen Kommunikation und Netze unterbreiten die Planer ihrer heutigen und

zükunftigenem Klientel folgends: "Auf dem Gebiet der Netze mit offenen Systemen wird ein durchgängiges Netzkonzept mit OSI-, TCP/IP, LAN-Manager- und Transdata-NEA-Protokollen sowie die Nutzung aller privaten und öffentlichen Netztypen einschließlich ISDN angeboten."

Eine IBM/SNA-Kopplung stehe ebenfalls für alle SNI-Systeme zur Verfügung. Außerdem ist geplant, die vorhandenen Targon-Network-Management-Funktionen und die Software-administration auf SNI-Unix-Systemen und angeschlossenen PCs bereitzustellen und unter Net-View in SNA einzubinden. Anschließend sollen die Netz-Management -Produkte von DI und Nixdorf zu einem Konzept zusammengeführt werden.

Im Bereich Nachrichtentechnik sind die Planungen noch nicht so weit gediehen. Gewiß ist lediglich, daß die Produktlinie 8818 im Markt bleibt und weiterentwickelt wird. "Es finden derzeit Diskussionen statt, wie wir eine Homogenisierung und einen Abgleich mit dem Siemens-Bereich PN (Private Netze) erreichen können, aber es ist noch etwas zu früh, um disbezüglich genauere Aussagen treffen zu können", bedauert Wöbker.

Weil soviel Wert auf den vorhandenen Kundenstamm gelegt wird, kann die Aussage nicht überraschen, daß alle bestehenden Servicevereinbarungen der Siemens AG und der Nixdorf Computer AG von der SNI übernommen werden: "Über diese Serviceorganisation wer den unseren Kunden künftig auch alle Zubehörprodukte angeboten", geben die Leitlinien zur SNI-Produktplattform Auskunft.

Was die Durchsetzbarkeit des gemeinsamen Angebots bei Neukunden betrifft, gibt sich Wöbker optimistisch: "Wir sind der Meinung, mit unserer Produktpalette nicht nur Altkunden bedienen zu können, sondern auch wachstumsträchtige Produkte zu haben."