Konferenzmesse mit guten Nachrichten und Hinweisen auf Defizite

Signale von der Linuxworld

07.09.2001
SAN FRANCISCO (ls) - Immer mehr Anwendungen machen Linux fit für den Einsatz in Unternehmen. Allerdings wurden auf der "Linuxworld" auch einige Verbesserungen angemahnt.

IBM übte Zurückhaltung, um in der sensiblen Open-Source-Szene ja nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, Big Blue dominiere das Geschehen rund um Linux. Aber ganz ohne Neuigkeiten geht es nicht. Also stellte IBM zwei Linux-Server aus der X-Serie (früher Intel-basierende "Netfinity"-Rechner) vor. Die Rechner "300 DC" und "330 DC" sind mit einer Bauhöhe von 1U (1,75 Inch) für Racks vorgesehen. Das Tochterunternehmen Tivoli kündigte an, weitere Produkte der Reihen "Security Management Software" und "Web Management Software" Linux-fähig machen zu wollen.

Demonstrativ bekundete IBM den Willen zur Kooperation. Mit einem Linux vom deutschen Partner Suse läuft der Applikations-Server "Websphere Commerce Suite 5.1" auf S/390-Großrechnern. Sendmail Inc. konnte verkünden, dass ihre komplette Linux-Produktfamilie für Internet-Messaging ab sofort auch für Z900-Mainframes verfügbar ist. Turbolinux zeigte die Linux-Version 6.5z, das auf den IBM-Mainframes der Z-Serie neben dem Betriebssystem z/VM läuft. Eine andere Art Großrechner bedient der Distributor mit "Enfuzion", Version 7.0. Diese Cluster-Software verbindet Server und Workstations, egal ob sie unter Linux, Unix oder Windows laufen.

Cluster werden größer"Es gibt eine Fokussierung auf Linux-Cluster, hochverfügbare Systeme und Storage Area Networks", resümiert Stacy Quandt, eine Analystin der Giga Information Group. So zeigte Mission Critical Linux Inc. in San Francisco mit "Convolo Netguard" eine Cluster-Software, die 128 Nodes zu einem Fail-over-System verbindet, um eine hohe Verfügbarkeit zu garantieren. Linux-fähig ist das NAS-Speichersystem "K2" von Big Storage Inc. Im "Global File System" von Sistina Software Inc. können sich bis zu 256 Server ihre Speicherkapazitäten teilen.

Bedenken von professionellen Anwendern aus der Untenehmens-IT, Linux könne nicht genug Sicherheit bieten, tritt HP mit dem Paket "Secure OS for Linux" entgegen. Das Bundle enthält die Version 7.1 von Red Hat, den Web-Server Apache, das Backup-Programm "Amanda", diverse Tools für die Konfiguration und für eine Sicherheitsüberprüfung sowie Support-Rechte.

E-Commerce scheint einigen Firmen die logische Fortsetzung des Erfolgs von Linux auf den Web-Servern zu sein. Great Bridge verspricht einen erleichterten Einstieg in Web-Geschäfte mit einem Paketangebot. Es besteht aus der Datenbank "PostgreSQL", dem Apache-Web-Server und der Skriptsprache PHP. Das Angebot trägt den Titel "Web-Suite".

Red Hat verbindet das eigene Linux, seine Datenbank und seine E-Commerce-Suite "Interchange" sowie einen Update-Service. Das Ganze gibt es aufgrund einer Kooperation auf Compaq-Rechnern mit Support vom Systemintegrator Pionier-Standard-Corp.

Komplimente für KDE/KOfficeWenn auch Linux in Server-Umgebungen deutlich schnellere Erfolge zu verzeichnen hat, ist der Kampf um den Desktop nicht aufgegeben. Die Firma Ximian Inc. präsentierte ihr erstes Produktpaket, den "Ximian Desktop", bestehend aus der Benutzeroberfläche Gnome, dem Web-Browser Mozilla und einfachen Büroanwendungen. Für 50 statt 30 Dollar bekommt man das Büropaket"Star-Office" von Sun hinzu.

"KOffice", eine Parallelprojekt zur Linux-Benutzeroberfläche KDE, präsentierte erstmals das neue Release 1.1 seines Büropakets. Verbessert wurde insbesondere die Textverarbeitung "KWord", deren neue Benutzerführung auffällt. Neu im Paket sind das Bildbearbeitungsprogramm "Krayon" und "Kivio", ein Programm zur Erstellung von Flowcharts. In seiner Keynote-Rede zollte Linus Torvalds KDE und KOffice besonderes Lob. Gegenüber diesen Fortschritten bringe der Kernel 2.4 für Desktop-Zwecke keine bedeutenden Erweiterungen.

Trotz deutlicher Verbesserungen des Angebots für Desktops waren sich die meisten Beobachter in San Francisco einig, dass Linux momentan eher vor weiteren Erfolgen in Server-Umgebungen steht. Bill Claybrook, ein Analyst der Aberdeen Group, erwartet, dass im Laufe der nächsten Jahre die Unix-Derivate in Linux aufgehen. Voraussetzung seien allerdings bessere Support-Angebote großer IT-Anbieter.

In die gleiche Kerbe haute Shane Robison, Chief Technology Officer von Compaq, der die Eröffnungsrede halten durfte. Er kritisierte, es fehle an "One-Stop-Shops" für Linux-Support. Das zweite Defizit bestehe im Mangel an hochqualifizierten Linux-Spezialisten. Beide Faktoren hätten in letzter Zeit eine mögliche schnellere Verbreitung von Linux in "mission-critical" Umgebungen behindert.

Defizite in Sachen Skalierbarkeit großer Linux-Systeme. Darüber hinaus müsse er jedoch anmahnen, dass sich alle Beteiligten an der Entwicklung von Linux an Standards halten und die Entwicklung weitergehender Spezifikationen vorantreiben.

Das war eine Steilvorlage für Ed Leonard, Technologiechef von Dreamworks SKG. In Hollywoods berühmtester Fabrik für virtuelle Filmwelten läuft der größte Teil der mehr als 250 Workstations und über 1000 Server unter Linux - nicht immer ohne Probleme. Dreamworks möchte die einem Projekt zugeordneten Rechner einfacher skalieren können, wenn ein Filmprojekt größeren Aufwand verlangt.

Es bereite seinem Unternehmen Schwierigkeiten, so Leonard, langfristig zu planen. "Es ist sehr schwer, mit der Open-Source-Community zu so etwas wie einer technologischen Roadmap zu kommen."

Xandros statt Corel"Wir sind zur Überzeugung gekommen, dass es einen Bedarf an einer preisgünstigen Alternative zum Windows-Desktop gibt", verkündete William Roseman, einer der Bosse der Investmentfirma Linux Global Partners. Deswegen habe man der neuen Firma Xandros Corp. aus dem kanadischen Ottawa mit zehn Millionen Dollar auf die Beine geholfen.

Xandros landete auf der Linuxworld den Coup: Das Unternehmen übernimmt von Corel das gesamte Linux-Geschäft - von der Desktop-Distribution Corel Linux 3.0 bis zu den Anwendungen. Corel erhält dafür zwei Millionen Dollar in bar, fünf Prozent Anteile an Xandros und eine zwei-prozentige Beteiligung an Linux Global Partners. Mit ersten Produktangeboten ist erst im nächsten Jahr zu rechnen.