Siemens fuehrt den PC einer "intelligenten" Nutzung zu Auf den Bahamas surfen und zu Hause nach dem Rechten sehen

10.11.1995

MUENCHEN (CW) - Die Siemens Electrogeraete GmbH macht sich Gedanken ueber die Zukunft des PCs. Bisherige PC-Anwendungen, so die Ueberlegung, nutzen die "Intelligenz" der Rechner naemlich nur unvollkommen. Das "Siemens Home Electronic System" (HES) hingegen nutzt die Faehigkeiten der Mikros als Steuersystem fuer alle heimischen Elektrogeraete. Der digitale Haushaltsgehilfe soll ferner sowohl beim Energiesparen taetig werden als auch die Steuerung von Heizung, Licht und Sicherheitseinrichtungen abwickeln.

Der Geschaeftsbereich der Siemens AG will HES als Management-System fuer den privaten Haushalt vermarkten, "mit dem saemtliche Funktionen im Haus bedient, gesteuert und kontrolliert werden koennen". Wermutstropfen: HES wird erst Ende 1996 auf den Markt kommen.

Kuehlschrank, Spuel- und Waschmaschine, Herd, Lichtanlagen, Jalousien und gegebenfalls eine Sicherheitsanlage lassen sich allerdings nur dann mit dem PC vernetzen, wenn sie ueber einen sogenannten Instabus aneindergebunden sind. Hierbei handelt es sich um einen genormten Kommunikationsweg, auf dem alle Informationen zwischen den einzelnen Komponenten fliessen - im Prinzip also um eine standardisierte Verkabelung.

Die Topologie dieser Bus-Leitung kann linien-, baum- oder sternfoermig ausgelegt sein. Zudem lassen sich die in Haushalten ueblichen Stromkreisverteiler und Geraetedosen verwenden. Der Instabus ist zudem offen fuer spaetere Erweiterungen. Wie das Unternehmen mitteilt, muss hierzu lediglich die Energie- beziehungsweise Bus-Leitung zu den zusaetzlich in das Gesamtsystem aufgenommenen Geraeten durchgeschleift werden. Zusatzkomponenten werden ueber Software im System zugeordnet.

HES kann mit jeder Geschirrspuelmaschine

Siemens verspricht, HES sei insofern ein offenes System, als es mit den "haustechnischen Produkten" aller Hersteller zusammenarbeiten koennen wird.

Zentrales Element von HES ist der "Home Assistant", ein Multimedia-PC mit beruehrungsempfindlichem Monitor. Um die Funktionen dieses Info- und Steuerungsterminals abzurufen, hat Siemens begonnen, eine Benutzeroberflaeche zu stricken. Diese setzt auf Windows 95 auf.

Der Benutzer steuert ueber Symbole auf dem Touchscreen alle Haushaltsgeraete. Wie bisher kann der PC natuerlich auch fuer alle ueblichen Anwendungen benutzt werden. So mausert sich der heimische Rechner von einer mehr oder weniger intelligenten Schreibmaschine in ein - O-Ton Siemens - multifunktionales Steuerungs- und Ueberwachungssystem.

Den Bayern schwebt vor, dass ueber HES beispielsweise nicht nur Waschprogramme programmiert und auf energietechnisch guenstige Zeiten gelegt werden. Auch die Energieversorgung lasse sich ueber HES steuern. Zudem kann der Anwender technische Hinweise und Hilfestellungen zu den Geraeten abrufen. Da der HES-Rechner ueblicherweise auch an das Telefonnetz angeschaltet ist, kann bei technischen Stoerungen auch gleich ein Wartungsdienst informiert werden. Wer seine Wohnung oder sein Haus per Kamera ueberwachen moechte, kann auch dies ueber HES tun.

Besonders interessant wird HES insofern, als sich dessen Benutzer ueber Telefon von ueberall in sein heimisches Infoterminal einklinken kann. Besitzt etwa ein tragbarer Computer eine entsprechend ausstaffierte Videokarte, lassen sich sozusagen Live- Mitschnitte aus der eigenen Wohnung betrachten. Auch waere die ebenso klassische wie peinigende Frage zu Beginn jedes Urlaubs obsolet, ob man denn auch alle Haushaltsgeraete ausgeschaltet hat. Ein Kontrollgang via Notebook buegelt in Zukunft so manches Alzheimer-Problem aus.