IT-Rezentralisierung/IT-Zentralisierung als kontinuierliche Aufgabe

Server-Konsolidierung erfordert gründliche Planung

30.06.2000
Wer Server-Konsolidierung schlicht als Reduzierung der installierten Rechner interpretiert, ist auf dem Holzweg, argumentiert Paul Huppertz*. Damit die IT künftigen Anforderungen gerecht werden könne, gehe es vielmehr darum, ein kontinuierliches Wachstum an Rechenleistung zu ermöglichen und zu steuern.

Angesichts der großen Zahl von Rechnern, die inzwischen in den Client-Server-Rechenzentren installiert sind, suchen überlastete RZ-Teams verstärkt nach Kontrollmöglichkeiten. Nicht wenige lassen sich von dem vermeintlich hilfreichen Konzept der Server-Konsolidierung locken, ein Schlagwort das die Marketing-Strategen der IT-Hersteller geschickt platzieren.

Wenn Andrew Grove, der ehemalige CEO von Intel, mit seiner provokanten These Recht hat, dass heute nur etwa fünf Prozent der Server in Betrieb sind, die im Jahr 2005 installiert sein werden, scheint die Situation dramatisch: Selbst bei einer Fehleinschätzung um 50 Prozent sind bis dahin zehnmal mehr Server im RZ zu erwarten. Deshalb ist es unabdingbar, schon jetzt Vorkehrungen zu treffen.

Betrachtet man das Wort Konsolidierung genauer, wird klar, dass es dabei in erster Linie um die Festigung einer Anlage geht und weniger um eine Reduzierung der Anzahl beteiligter Komponenten, wie bei den großen Server-Zahlen meist unterstellt wird. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass die Anzahl installierter Server weiter wächst. Die eigentliche Aufgabe besteht darin, stabiles Wachstum in diesen Dimensionen zu ermöglichen.

Diese Interpretation führt zwingend dazu, dass - wie beim Bau von himmelwärts strebenden gotischen Kathedralen - die Fundamente und Strebewerke geschaffen oder ausgebaut werden müssen, die Halt und Zusammenhalt für alle erforderlichen Teilsysteme bieten können. Angesichts derartiger Maßnahmen wird auch klar, dass hier ein Zeithorizont von drei bis fünf Jahren ins Auge gefasst werden muss. Wie soll oder kann Konsolidierung in Rechenzentren unter diesen Voraussetzungen aussehen?

1. Die Ausgangs- und Zielpositionen festlegenVor den systemtechnischen Detailfragen der Server-Konsolidierung gilt es zunächst zu klären, ob und was von den erforderlichen IT-Services noch selbst erbracht werden soll oder muss. Da in dem betrachteten Zeitraum von fünf Jahren neben dem klassischen Outsourcing die real nutzbaren Möglichkeiten von Application-Service-Providing (ASP) sowie Application- und Data-Hosting ihre Reife erreichen werden, lohnt es sich, diese bei der Eingangsanalyse der Konsolidierungsmöglichkeiten einzubeziehen.

In jedem Fall sollte eine geschäftsprozessorientierte Konsolidierung des IT-Einsatzes angestrebt werden. Dabei ist das RZ bisher zwar der erste IT-Service-Provider des Unternehmens, aber schon lange nicht mehr der einzige. Es ist also zu prüfen, ob und wie lange noch ausschließlich die Funktion des "Rechnerzentrums" ausgefüllt werden muss und ab wann übergreifende Aufgaben im Sinne eines IT-Service-Managements zu übernehmen sind.

Solche Aufgaben sind in den Konzepten der IT-Infrastructure Library (IT-IL) der Central Computer and Telecommunication Agency (CCTA) beschrieben. Die CCTA ist der IT-Dienstleister der britischen Regierungsbehörden. In der IT-IL gibt es einen unternehmensinternen IT-Service-Provider, der jegliche IT- und TK-Dienstleistungen für das Unternehmen bereitstellt, unabhängig davon, ob er sie selbst erstellt oder extern einkauft (siehe Grafik "Die neue Rolle der IT-Abteilung").

2. Das Fundament festigenWurde entschieden, wesentliche IT-Services weiterhin selbst zu erbringen, dann sollte es eine der ersten Maßnahmen sein, das technische Fundament der Server-Farmen auf ausreichende Solidität zu prüfen. Dazu gehört neben der Untersuchung und laufenden Anpassung der raum- und versorgungstechnischen Elemente wie Stellfläche, Raumausnutzung, Stromzufuhr und Klimatisierung vor allem die Sicherung der inhärenten Stabilität der einzelnen Komponenten und Teilsysteme.

Hier geht es darum, das eingehende und das bereits eingesetzte Material auf ausreichende Belastbarkeit und Störfestigkeit zu prüfen, bevor es im komplexen IT-Systemverbund zum schwächsten Glied werden kann. Im Einzelnen bedeutet das, dass schon an die Beschaffenheit, Konstruktion und Ausstattung der Einzelsysteme differenzierte Qualitätsanforderungen gestellt und durchgesetzt werden müssen, die die Solidität und Stabilität des zusammengesetzten IT-Systems sichern.

Bevor also beispielsweise mit dem gängigeren, aber auch wesentlich komplexeren Konsolidierungskonzept des Clustering begonnen wird, sollten die aufgezeigten Konsolidierungsschritte auf der Ebene der einzelnen IT-Komponenten geprüft werden (siehe Grafik "Die Vorstufen bis zum Cluster-Einsatz").

3. Die Grundkonstruktion überprüfenKundige IT-Systemarchitekten werden jetzt einwenden, dass der vorher erläuterte Schritt doch viel zu früh gemacht wurde. Diese Kritik zeigt, dass sie ihren Blick schon für das übergreifende Gesamtkonzept geschärft haben, das im Folgenden erläutert werden soll.

Die eingangs genannten Maßnahmen führen nur dann zu einem brauchbaren Ergebnis, wenn eine ausreichend genaue Vorstellung von der Belastung existiert, die die Gesamtkonstruktion aushalten muss. Daraus wird abgeleitet, welche Grundkonstruktion zweckmäßig ist und wie stabil, solide oder massiv die tragenden Säulen und das Strebewerk sein müssen.

Die Grundkonstruktion betrifft die Frage, welche Kombination von Bauelementen im engen Verbund die absehbare Last tragen, die notwendige Haltbarkeit aufweisen und eine ausreichende Verarbeitungsleistung erbringen kann. Hier geht es um die Struktur des Skeletts für den "IT-Korpus": Welche Hardwarearchitekturen und CPU-Familien kommen in den nächsten fünf Jahren (noch) zum Einsatz? Zu nennen sind hier etwa 32 oder 64 Bit, UMA/SMP, NUMA, MPP, Cluster-Konzept, Bus-System, Kanal oder Switch, Speicherhierarchie etc.

Eine weitere Frage: Wie werden die Funktionen zwischen diesen Systemen verteilt (Spezial- oder Universal-Server, Server-Farmen, Serverless Storage, Serverless Backup, LAN-less Backup etc.)? Wie werden diese untereinander zusammengehalten (Speicher-Busse, Highspeed LANs, FC, NAS, SAN, Web-Strukturen), und wie erfolgt der Client-Zugang (Fat, Slim oder Thin Client, Windows Terminal Server, Windows oder Browser)?

Die tragenden Säulen sind hier die Hardware-, Betriebssystem- und Middleware-Plattformen, die die Infrastruktur für die eigentlichen IT-Anwendungssysteme bilden. Damit ergibt sich die grundlegende Frage, auf welchem Plattformmix konsolidiert werden soll. Hier muss eine eindeutige Festlegung getroffen werden. Anhand dieser Vorgaben sollten die erforderlichen Konsolidierungsschritte umgesetzt werden.

4. Die tragenden Säulen benennenAls tragende Säulen auf der Hardwareseite kommt mit Blick auf die nächsten fünf Jahre und die wachsenden Transaktions- und Datenvolumina nur eine Auswahl aus der Tabelle in Frage ("Hardwareplattformen"). Die Einstufung nach Midrange und Highend sollte helfen, die wirtschaftlich angemessene Lösung zu finden. Mehr als drei Betriebssystem-Plattformen sollten dabei nicht berücksichtigt werden. Zur Auswahl stehen Windows 2000, Solaris, HP-UX, AIX, Tru 64 Unix, Linux sowie OS/390. In puncto Datenbanken ist eine Beschränkung auf zwei Systeme aus folgender Gruppe sinnvoll: Oracle, SQL Server, Informix, DB2 und/oder UDB.

5. Den Raum zwischen den tragenden Säulen füllenDie ausgewählten IT-Säulen sind im Rahmen der Konsolidierung vorrangig Trägersysteme für die verschiedenen grundlegenden IT-Services: Dazu zählen etwa das Sign-on, das Bereitstellen von Binär- und Datendateien, Druck- und Output-, Namens- und Verzeichnis- sowie Sicherheitsdienste. Die Konsolidierung der Daten- und Anwendungslogik ist eine separate Aufgabe.

Eine weitere Konsolidierungsstufe besteht darin, diese meist heterogenen Basisservices so weit wie möglich zu vereinheitlichen. Damit lässt sich eine erhebliche Stabilisierung des Systembetriebs erreichen. Beispiele für die anstehenden Aufgaben sind SingleSign-on-Funktionen (bescheidener: Not-so-often-Sign-on (NoSoSo), ein einheitliches, transaktionsfähiges Dateisystem, die Einführung von NAS und SAN, plattformübergreifendes Output-Management von allen Quell- zu allen Zielsystemen und -formaten und unternehmensweit einheitliche Namensverzeichnisse und Nummernsysteme.

Auf dem Weg dorthin liegen Teilaufgaben wie räumliche und physische Zusammenführung von Server-Gruppen, Implementierung von geeigneten Cluster-Strukturen, Bildung von überschaubaren Server-Farmen sowie Vereinheitlichung oder Integration von Datenformaten.

6. Den IT-Systembetrieb rationalisierenDie höheren Weihen der Konsolidierung kann erreichen, wer auf der Basis einer integrierten IT-Infrastruktur effizientes Workload- und Ressourcen-Management betreibt. Das bedeutet, die anfallenden Verarbeitungsaufgaben situations-, prioritäts- und lastbezogen an den Punkt in der IT-Systemlandschaft zu verlagern, an dem die jeweils bestmögliche Ressourcenkombination mit der erforderlichen Verarbeitungskapazität verfügbar ist.

Vor dieser Reifestufe müssen DV-Verantwortliche aber noch die Herkulesaufgabe eines geschäftsprozessorientierten IT-Service-Managements bewältigen: Dabei geht es um den Aufbau einer automatisierten und integrierten Verwaltung von Anwendungen, Middleware, Servern, Netzwerk- und Client-Komponenten. Das Beherrschen dieser Aufgaben ist eine Voraussetzung dafür, dass ein Unternehmen genau und sicher erkennen kann, wo sich die benötigte Ressourcenkombination überhaupt befindet.

7. Den notwendigen Elan aufrecht erhaltenAus all dem folgt, dass IT-Konsolidierung kein Sonntagsspaziergang, sondern eher eine Gipfelbesteigung ist. Gefordert ist sorgfältige und kontinuierliche Ingenieursarbeit. In Anbetracht der weiter steigenden Komplexität, der technischen Dynamik und des verschärften Wettbewerbs ist eine Konsolidierung aber unabdingbar, damit ein Unternehmen auch in drei oder vier Jahren noch in der Lage ist, durch IT-Einsatz Konkurrenzvorteile zu sichern, auszubauen oder neu zu gewinnen.

*Paul Huppertz ist Produkt-Manager und leitender Berater bei der Plenum Institut GmbH in Wiesbaden.

Abb.1: Die Vorstufen

Vor der Umsetzung von Zentralisierungskonzepten durch Clustering sollten alle Einzelkomponenten auf Verfügbarkeit geprüft werden. Quelle: Plenum

Abb.2: Die neue Rolle der IT-Abteilung

Als Service-Provider im eigenen Unternehmen stellt die IT-Abteilung selbst erstellte und zugekaufte Leistungen zur Verfügung. Quelle: Plenum