Zuerst parallele Angebote zu Unixware und Open Server

SCO setzt alles auf die Open-Source-Karte

23.06.2000
MÜNCHEN (ls) - Santa Cruz Operation (SCO), führender Anbieter von kommerziellem Desktop-Unix, beugt sich dem Druck des Marktes: Parallel zu den vorerst weiter vermarkteten Betriebssystemen "Unixware" und "Open Server" werden zwei eigenständige, aber funktional vergleichbare Open-Source-Varianten auf Basis des Linux-Kernels 2.4 erscheinen.

Die Entscheidung sei "im Grundsatz" gefallen, bestätigt Hans Bayer, Geschäftsführer der deutschen SCO, Bad Homburg, aber man brauche noch etwa einen Monat bis zur offiziellen Bekanntgabe. "Open Source in unser Business-Modell zu integrieren erfordert noch einiges Fein-Tuning."

Als Namen für die beiden Varianten sind "SCO-Linux" und "Linuxware" im Gespräch. Sie werden möglicherweise noch in diesem Jahr, wahrscheinlich aber im ersten Quartal 2001 erscheinen. Vorgesehen sind eine 32- und eine 64-Bit-Version. Beide kommen im Bundle: Die 32-Bit-Version wird voraussichtlich zusammen mit einem Web-Server und IP-Applikationen für Softwareentwickler und Anwender angeboten. Eine darüber hinaus um etliche Tools erweiterte 64-Bit-Ausgabe zielt vor allem auf Internet- und Application-Service-Provider (ISPs und ASPs).

Es handelt sich um einen Neuanfang für SCO, das zwischen Microsofts Windows-Systemen und dem aufstrebenden Linux-Markt zerrieben zu werden droht. "Wir werden die nächste Ebene über dem Betriebssystem, wir nennen das Serverware, mit Sicherheit auf die Open-Source-Schiene bringen", kündigt Bayer an. Die Middleware "Tarantella" soll nicht mit offenem Quellcode herauskommen, aber noch in diesem Jahr auf diverse Linux-Varianten portiert werden.

Eine Lücke im Linux-Markt sieht SCO vor allem bei Spezialangeboten. Die "Non-Stop-Cluster" des Unternehmens arbeiten mit zwölf und mehr Nodes, während man sich bisher im Linux-Umfeld normalerweise mit zwei bis vier Nodes bescheiden muss. Symmetrisches Multiprocessing endet unter Linux gemeinhin bei acht CPUs, bei Unixware - vielleicht auch bei "Linuxware" - sind es 32. Und mit SCOs "Webtop" ist es möglich, mehrere Server von einer Konsole zu steuern, so als wären sie ein einziges System. Allerdings sind in diesen Fällen lizenzrechtliche Fragen mit den ursprünglichen Technologielieferanten zu klären, bevor derlei portiert werden kann.

Derzeit sieht SCO in der Portierung von Anwendungen eine der wichtigsten Aufgaben. Die Schnittstellen für die Anwendungsprogrammierung (APIs) müssen in jedem Fall so geändert werden, dass nicht nur die alten eigenen Applikationen und die der Softwarepartner, sondern auch solche für bekannte Linux-Derivate auf den entsprechenden Maschinen laufen können. Die andere Hausaufgabe besteht in der Entwicklung von Gerätetreibern.

SCO hofft, dafür die sehr guten Kontakte und Beziehungen im Linux-Feld nutzen zu können. Das Unternehmen ist Gründungsmitglied der neuen Linux-Standardisierungsinitiative Free Standards Group und hält Beteiligungen an Caldera Systems Inc., Turbolinux und Linuxmall.com. Außerdem kooperiert die Firma mit Suse und Linux International.

Jetzt hofft Bayer auf die Softwarebranche: "Unix-Softwarehäuser gehen in den nächsten Jahren definitiv auf Open-Source, denn das wird immer deutlicher die Plattform für Internet-basierende Applikationen. Den Trend kann keiner der etablierten Hersteller stoppen. Open Source ist die historisch logische Nachfolge von Open Systems."