Betriebswirtschaftliche Standardsoftware/Noch keine Aussagen zur Rentabilität

Schwäbischer Zulieferer packt US-ERP-Software in den Tank

24.10.1997

Ein kräftiges Wachstum prognostiziert der Verband Deutscher Ingenieure (VDI) dem Markt für langlebige Autoersatzteile. Bei wachsendem Fahrzeugbestand erreichen heutige Autos ein immer höheres Alter; sie fahren jedes Jahr um zwei bis drei Prozent mehr. Dadurch steigen Abnutzung und Ausfallrate von Teilen und somit Reparatur- und Ersatzteilbedarf.

Die Automobilzuliefererindustrie erwartet trotzdem keine paradiesischen Zustände. Denn steigenden Stückzahlen und wachsenden Qualitätsansprüchen stehen sinkende Margen gegenüber. Die Branche muß jetzt Produktion und Vertrieb noch effektiver organisieren. Nur so kann sie mit der zunehmenden Internationalisierung Schritt im Kfz-Bereich halten und sich neuen Herausforderungen stellen.

Vor allem aus der branchen- spezifischen Praxis eines Automobilzulieferers resultieren die Anforderungen, die bei der Auswahl einer neuen Hard- und Softwarelösung entscheidend waren. Um flexibel für Anpassungen zu bleiben und um auf neue Entwicklungen schnell und unabhängig reagieren zu können, sollte sie in jedem Fall eine Programmiersprache der vierten Generation unterstützen. Ganz oben auf der Checkliste der DV-Verantwortlichen standen außerdem: Datenbankorientierung, eine grafische Benutzeroberfläche sowie die Integration aller betrieblichen Einheiten mit Buchhaltung, Vertrieb, allgemeiner Verwaltung und Produktion.

Rund 15 verschiedene Produkte kamen in die engere Wahl. Sie wurden auf ihre Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die für den Automobilzulieferer enorm wichtigen Forecast- und Prognose-Module geprüft.

Beim direkten praxisorientierten Vergleich ließen sich die Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungen miteinander abwägen. MFG/PRO von QAD machte schließlich das Rennen. Wichtige Entscheidungskriterien waren die kurze Implementationszeit, die Anpassungsfähigkeit und natürlich der Preis. Überzeugend kamen die Vorteile des amerikanischen Systems in der Produk- tionsplanung zur Geltung, berichtet der PPS-Verantwortliche.

Die Einführung des neuen Systems begann im Januar 1996 mit der Installation einer komplett neuen Hardware einschließlich PC-Netzwerk. Als Server des Netzwerks ist eine Hewlett-Packard 9000 unter HP Unix und Net-Server 100-C im Einsatz. 35 PCs mit Modem und einem knappen Dutzend Drucker sind über No- vells Netware 4.10 angeschlossen.

Die DV wurde komplett ersetzt

Die zweite Phase umfaßte Test und Konfiguration der Software. Eine Integration in bereits vorhandene Systeme mußte nicht erfolgen, da die DV komplett ersetzt wurde. Im zweiten Halbjahr 1996 begann Schmid Donzdorf, sämtliche Module von MFG/PRO zu implementieren. Insgesamt 35 Mitarbeiter im gesamten Betrieb arbeiten heute mit der neuen Software. Auf den Clients steht ihnen zusätzlich Windows mit den Programmen der MS-Office-Familie zur Verfügung.

Mit der EDI-Anwendung Actis ist die Verbindung zu externen Systemen hergestellt. Zur Zeit können die Kunden damit Lieferungen abrufen und bestellen. MFG/PRO bereitet die Daten automatisch auf. Für Schmid Donzdorf ist dies von großer Bedeutung, da sich die Abrufmengen der Autoindustrie praktisch jeden Tag verändern. Nächster Schritt wird der Rechnungsabruf über EDI sein. Geplant ist ferner, auch die Lieferanten in den elektronischen Datenaustausch einzubinden.

Aus dem Kienzle-System wurden lediglich die Stammdaten übernommen. Dies erübrigte sich bei den neu erfaßten Bewegungsdaten. Für die Datenübernahme sowie die Unix-Unterstützung nahm Schmid Donzdorf die Dienstleistungen der Integral Software und Service GmbH aus Neu-Isenburg in Anspruch. Diese Tochtergesellschaft des US-amerikanischen Softwareherstellers QAD vertreibt im deutschsprachigen Raum die Business-Komplett-Software MFG/PRO und leistet auch Support.

Als positive Effekte der neuen Software werden die zeitgenauere Disposition, eine exakte Kapazitätsplanung sowie die Reduzierung der Umlauf- und Lagerbestände hervorgehoben. Die Aufteilung der Software in Materialbedarfsplanung und Kapazitätsplanung sei "sehr clever" gelöst. Dadurch wird eine detaillierte Analyse der Produktionskapazitäten über einen sehr langen Zeitraum hinweg erreichbar.

Besonders intensiv kommen die Programmfunktionen Verkauf, Produktion und Einkauf zum Einsatz. Mit Hilfe des Moduls zur Materialwirtschaft wird täglich eine Ressourcenplanung (MRP) erstellt. Mehr als eine tagesgenaue Auswertung rentiert sich für das Unternehmen derzeit nicht. Früher jedoch mußten alle Prognosen im Unternehmen von Hand errechnet werden - bei 2500 Endprodukten eine sehr personalaufwendige Angelegenheit. Mit dem neuen System ist Schmid Donzdorf in der Lage, den Bedarf bis in die Fertigung stundengenau abzurufen.

Aus Sicht des Unternehmenslenkers bietet das Planungssystem noch einen weiteren Vorteil: "Verändere ich eine Planungsgrundlage, kann ich sofort die Auswirkungen am Bildschirm mitverfolgen - ganz gleich ob es sich um Material oder um die Verfügbarkeit handelt." Dem Kunden gegenüber lassen sich somit verbindliche Aussagen treffen. Im nachhinein kann der Automobilzulieferer auch die eigene Leistung anhand des Plans überprüfen.

Noch keine Aussagen zur Rentabilität

Aus der Vorausberechnung des kurz-, mittel- und langfristigen Materialbedarfs verspricht sich der Geschäftsführer den größten Rationalisierungseffekt. Zwar will er zur Rentabilität der Anschaffung heute noch keine Aussage machen, geplant sei jedoch, den Umlauf- und Lagerbestand um 50 Prozent zu senken und die Durchlaufzeiten ebenfalls um die Hälfte zu reduzieren. Schmid kommt dabei auf eine Amortisa- tionszeit von etwa drei Jahren für das neue System. Sein Fazit: "Durch die Einführung können wir Einsparungspotentiale von bis zu 50 Prozent erzielen. Das liegt vor allem an der zeitpunktgenauen Planung von Endprodukten mit Hilfe des automatisierten Prognose-Ist-Abgleichs, am Ressourcen-Management und an der Ein- und Auslaufterminierung mit Änderungsdiensten.".

Angeklickt

Bei der Organisation von Geschäftsprozessen verfolgt der schwäbische Automobilzulieferer Schmid einen ganzheitlichen Ansatz. Das Unternehmen orientiert sich an Kunden- und Vertriebswegen, was die Auflösung von Abteilungsgrenzen und die Ausrichtung auf Geschäftsabläufe nach sich zieht. Daraus ergaben sich steigende Anforderungen an eine betriebliche DV-Lösung, was schließlich die Ablösung der in die Jahre gekommenen Software Kifos Dialog nötig machte. Im Januar 1997 wurde die alte Kienzle-Software durch MFG/PRO, eine integrierte und modular strukturierte Client-Server-Lösung für Unternehmensplanung und -steuerung, ersetzt.

Unternehmen

Die 1924 gegründete August Schmid GmbH & Co. KG im schwäbischen Donzdorf erkannte schon früh das zukünftige Marktpotential der Automobilisierung. Von einem Massenmarkt war dieser Sektor damals jedoch noch weit entfernt. 1932 löteten und formten Donzdorfer Arbeiter die ersten Tanks in mühevoller Handarbeit. Für den Großhandel wurden Tankstellengeräte wie Meßeimer, Faßpumpen, Kanister und ähnliches gefertigt.

Das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg war gleichzeitig ein Mobilitätswunder. In ihren "rasenden" Isettas, VW-Käfern und DKWs bevölkerten die Deutschen (West) bald das silberne Band der damals herrlich freien Autobahn. Seit 1955 lieferte Schmid Donzdorf Kraftstoff- und Hydrauliktanks, Ölbehälter und Ziehteile für die gesamte Fahrzeug-, Motoren- und Maschinenindustrie. Der Ford Taunus P5 und der Opel Rekord waren die ersten Fahrzeuge mit Schalldämpfern aus dem Hause Schmid.

Das Programm wurde in den folgenden Jahrzehnten kontinuierlich auf mehr als 500 verschiedene Schalldämpfungsanlagen für das gesamte deutsche Fahrzeugprogramm ausgebaut. Die Typenvielfalt wurde schließlich noch einmal erweitert: um kleinste Schalldämpfer für Handhabungsgeräte wie Scheren und Sägen sowie um größere Exemplare für Gabelstabler und Busse.

Heute fertigt Schmid Donzdorf auch Katalysatoren aus eigener Entwicklung für unterschiedliche Einsatzgebiete. 200 Mitarbeiter produzierten 1996 Schalldämpfungsanlagen und Behälter für die Industrie und den Kfz-Zubehör-Großhandel im Wert von etwa 36 Millionen Mark. Der Betrieb ist ein Vertreter des deutschen Mittelstands mit derzeit etwa 200 aktiven Kunden.

Der Anbieter

Integral Software und Service GmbH ist die deutsche Tochtergesellschaft des US-amerikanischen Softwareherstellers QAD. Im deutschsprachigen Raum ist Integral der größte Distributor der Business-Komplett-Software MFG/PRO. Hardware, Beratung, Projekt-Management, Systemimplementierung und -integration, Support und Schulung im Umfeld der ERP-Gesamtlösung komplettieren das Angebot. Das System adressiert mittelständische Zulieferer der Segmente Automobil, Industrieprodukte und Konsumgüter.

*Steffen Schmid ist geschäftsführender Gesellschafter der August Schmid GmbH & Co. KG, Donzdorf