SAP = teuer?

28.10.2008
Von  und
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Viele IT-Verantwortliche stöhnen über die Kosten ihres SAP-Betriebs. Doch die Schuld liegt nicht allein beim Hersteller.

Keine Ahnung wie viel SAP kostet, aber es ist auf jeden Fall zu viel." So urteilen viele Anwender, wenn sie an SAP denken. Immerhin 39 Prozent erachten die SAP-Betriebskosten als hoch beziehungsweise zu hoch, ergab eine Umfrage unter 426 Finanz- und Controlling-Leitern, die von Raad Consult in Münster initiiert wurde. Lediglich neun Prozent der Befragten machten gleichzeitig auch Einsparpotenziale aus. Nur 16 Prozent der interviewten Unternehmen erklärten, ihren SAP-Betrieb bereits so weit optimiert zu haben, dass kaum weitere Einsparpotenziale vorhanden seien.

Gefühlt teuer - ein Imageproblem

Doch nicht nur den SAP-Anwendern bereiten die Kosten Kopfschmerzen. Auch in Unternehmen, die keine Software aus Walldorf einsetzen, hat der Konzern unter dem Gesichtspunkt Kosten ein Imageproblem. Von über 2000 befragten IT-Verantwortlichen stuften 61 Prozent die SAP-Lösungen als teuer ein, ermittelten die Analysten von Raad Consult. Diese Einschätzung basiert jedoch oft auf einer schlechten Faktenkenntnis. Gerade einmal 15 Prozent der IT-Manager gaben an, die Preismodelle der SAP gut zu kennen. In den meisten Fällen wird der Preis daher eher nach Gefühl bewertet, resümieren die Marktforscher.

Die Gründe, warum SAP so hartnäckig das Attribut teuer anhaftet, sind vielfältig. Sicher ist auch der Softwarehersteller wegen seiner komplexen Preis- und Lizenzmetriken sowie der jüngsten Anhebung seiner Wartungsgebühren nicht unschuldig an diesem Ruf. Aber auch die Anwenderunternehmen treiben durch Fehler im SAP-Betrieb die Kosten für ihre Softwarelandschaften in die Höhe.

CWTV-Tipp

Die Transparenz im Preis- und Lizenzmodell der SAP nimmt immer mehr ab. Damit werden auch die Verhandlungen und das Lizenz-Management komplexer und schwieriger. Analysten geben Tipps, wie Anwender den Durchblick und die Kontrolle behalten können:

www.computerwoche.de/tv/520

www.computerwoche.de/tv/521

Kosten erkennen

Zwischen 30 und 50 Prozent der gesamten IT-Ausgaben deutscher Unternehmen lassen sich den Lösungen der SAP sowie zugehörigen Dienstleistungen zuordnen, schätzt Karsten Tampier, Benchmark-Berater von Maturity Consulting. Dabei fehle den meisten Firmen jedoch die Transparenz darüber, ob sich diese Investitionen auszahlen oder ob sie an dieser Stelle Geld verschwenden. Um den tatsächlichen Aufwand zu bestimmen, bemühen die Unternehmen traditionell die "Kosten pro Anwender". Allerdings unterliegt diese Bezugsgröße je nach Systemlandschaft immensen Schwankungen. "Die beabsichtigte Transparenz der SAP-Kosten lässt sich damit aber nicht erreichen", so Tampier.

Wer wissen will, ob seine SAP-Kosten zu hoch sind, muss die gesamte Leistungserbringung der Walldorfer systematisch analysieren und die tatsächlichen Aufwandstreiber ermitteln, rät der Benchmark-Spezialist. Dazu sollten Anwender alle Ebenen einer SAP-Landschaft betrachten und bewerten: Dazu zählen die Infrastruktur, die Basis, das Applikations-Management und der Service Desk. Herauskommen sollte ein möglichst komplettes Bild von der Relevanz der Geschäftsprozesse, der Unterstützung durch die SAP-Software, dem Nutzen und Auslasten der einzelnen Module sowie dem Reifegrad der Anwendungen und den Qualitätsanforderungen.

Das Potenzial zum Sparen

Trotz der Unterschiede zwischen den Unternehmen gibt es laut Maturity Consulting typische Sparpotenziale, die über eine große Anzahl von SAP-Plattformen hinweg immer wieder auftauchen:

  • Konsolidieren und Harmonisieren von SAP-Systemen: IT-Verantwortliche müssen die richtige Balance zwischen zentral und dezentral gesteuerten Prozessen im SAP-System finden. Die Entscheidung richtet sich nach dem Einsatz bestimmter Module sowie nach dem Grad, wie die Anwendung standardisiert und genutzt wird.

  • Das optimale SAP-System-Management: Die Schnittstellen zwischen der Infrastruktur, der SAP-Basis, dem Anwendungsbetrieb und den Anwendern müssen exakt definiert werden. Zusätzliche Kosten entstehen immer dann, wenn es zu viele organisatorische Schnittstellen gibt sowie die Änderungsanforderungen schlecht geplant werden. Wer die einzelnen Anforderungen nach Aufgaben ordnet und auf bestimmte Zeiten reduziert, verringert den Aufwand.

  • Am Standard bleiben: Häufig wird SAP an die Prozesse des Unternehmens angepasst, anstatt die Unternehmensabläufe an die von SAP definierten Standardprozesse anzugleichen. Das Ergebnis ist nach einigen Jahren ein stark modifiziertes System, das zwar die Anforderungen des Kunden abdeckt, dafür aber zu viel Geld für individuelle Anpassungen verschlingt.

Kosten verursachen

"Ein Grund für teure SAP-Landschaften ist deren Alter", meint Diana Bohr, Chief Technology Officer beim Beratungshaus West Trax. Zwar liefen viele Installationen bereits auf dem aktuellen Release "ERP 6.0" oder zumindest R/3 4.7, doch selten verwendeten die Firmen auch die neuesten Funktionen. "Unternehmen haben in den letzten Jahren rein technische Release-Wechsel vollzogen, ohne die aktuellsten Funktionen der ERP-Software zu nutzen." Außerdem blieben viele kundenspezifische Erweiterungen in Betrieb, die nicht mehr erforderlich seien, da die SAP-Software diese mittlerweile über Standardfunktionen abdecke. "So gut wie kein Unternehmen prüft, welche Funktionen, die es selbst einmal codiert hat, nun die SAP-Software zur Verfügung stellt." Stattdessen halten viele an den Behelfslösungen fest. "SAP-Systeme ließen sich effizienter verwalten und auch leichter upgraden, wenn sie nur noch die wirklich benötigten Eigenentwicklungen enthielten", lautet Bohrs Fazit.

Komplexe ERP-Systeme verursachen hohe Betriebskosten, bestätigt Christian Hestermann, Research Director ERP bei Gartner. Dazu habe SAP beigetragen, aber auch die Anwender selbst: "Firmen sind in erster Linie damit beschäftigt, die Funktionen, die sie in den letzten Jahren für viel Geld entwickelt haben, zu betreiben." Ein Rückbau dieser Komplexität ist machbar. Das Problem dabei: Unternehmen müssten zunächst einigen Aufwand betreiben, ehe sich Einsparungen ergeben.

Kosten in den Griff bekommen

Auch beim rein technischen SAP-Betrieb können Firmen sparen:

  • Virtualisierung: Durch Server-Virtualisierung lässt sich bestehende Hardware besser auslasten. Hatte SAP früher die Wartung und den Support von virtualisierten Produktivsystemen abgelehnt, steht der Konzern dem Konzept nun aufgeschlossen gegenüber.

  • Utility-Computing. Einige IT-Dienstleister gehen dazu über, den ERP-Betrieb in ihre Utility-Modelle zu überführen. Dabei verwalten sie die SAP-Systeme ihrer Kunden in flexiblen Rechenzentrumsumgebungen. Der Nutzer kann die Betriebskosten pro Anwender und Monat beziffern. Zudem helfen die Serviceanbieter den Firmen dabei, die SAP-Umgebungen aufzuräumen und zu verschlanken, indem sie beispielsweise Systeme zusammenfassen und abschalten.

  • Konsolidierung: Ein Dauerbrenner im SAP-Umfeld bleibt die Konsolidierung der Systeme. Laut einer Untersuchung von Raad Consult arbeiten zwar bereits zwei Drittel der SAP-Anwender mit wenigen, einfachen Systemen. Das andere Drittel wird sich aus Sicht der Analysten jedoch über kurz oder lang um die Konsolidierung seiner SAP-Landschaft kümmern müssen. Dabei geht es in erster Linie um das Standardisieren und Vereinfachen. Ziel muss sein, die Zahl der Anwender, Softwareversionen und Systeme deutlich zu reduzieren. Anlässe für Konsolidierung gibt es viele, beispielsweise Unternehmenszukäufe, die Reorganisation von Geschäftsprozessen oder die Ablösung von Altsystemen.

  • Outsourcing: Potenzielle Skalen- und Kosteneffekte sowie das Know-how der Outsourcing-Dienstleister sind gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten schlagkräftige Argumente. Zudem sind manche SAP-Umgebungen einfach zu klein, um sie effizient in Eigenregie betreiben zu können. In diesen Fällen kann es durchaus sinnvoll sein, das Rechenzentrum einschließlich des SAP-Betriebs oder komplette Geschäftsprozesse auszulagern. Um die Kosten im Griff zu behalten, sollten die Anwender allerdings auf folgende Punkte achten, rät Maturity-Experte Tampier:

  1. Qualität der Service-Level-Agreements (SLA): Gut und gerne die Hälfte aller Vereinbarungen zu Service Levels weisen Schwächen auf. Beide Seiten konzentrieren sich meist auf die Technik und nicht auf die relevanten Leistungen wie die tatsächliche Verfügbarkeit der Anwendung. Wenn aber das SLA nicht sauber formuliert ist, kann sich der Dienstleister stets darauf berufen, dass die technische Verfügbarkeit schließlich gegeben sei.

  2. Transitionskosten: Konflikte sind programmiert, wenn bei den Vertragsverhandlungen der Aufwand für die Übergabe der IT zu gering geschätzt wurde. Leider ist dies oft der Fall, und zumeist tragen beide Seiten Schuld daran. In der Due Diligence macht der Klient - häufig aus Unwissenheit - ungenaue Angaben zur Zahl der zu übergebenden Rechner. Der Dienstleister hingegen bleibt bevorzugt unspezifisch, um den Auftrag zu bekommen.

  3. Optionale Dienstleistungen: Grundsätzlich ist der Wettbewerbsdruck unter IT-Dienstleistern keineswegs nur von Vorteil für den Kunden: Der vermeintlich gute Preis erweist sich manchmal als Hypothek. Wenn der Preis für den Betrieb der übernommenen IT-Umgebung signifikant unter dem Marktpreis liegt, wird der Dienstleister versuchen, den Umsatz auf anderen Wegen zurückzuholen. Optionale Dienstleistungen, die als selten periodisch auftretende Aktivitäten eingeschätzt und im Outsourcing-Vertrag als eigenständige Leistungen deklariert wurden, können zu beträchtlichen Rechnungspositionen anwachsen.