Knatsch im Arbeitnehmerlager

SAP-Mitarbeiter wählen Aufsichtsräte

30.01.2015
Im vergangenen Jahr wurde die Umwandlung von SAP in eine europäische Aktiengesellschaft beschlossen. Kommende Woche wird das Arbeitnehmerlager im Aufsichtsrat neu gewählt. Im Gegensatz zu anderen Dax-Konzernen geht das nicht ganz lautlos über die Bühne.

Die E-Mail-Postfächer der deutschen SAP-Mitarbeiter quollen in den vergangenen Wochen fast über. "Kennst du sie? Kennst du ihn?", "Kompetent, engagiert, sachlich - für Euch im Aufsichtsrat" oder "Deine Stimme zählt". Die Kandidaten für das Arbeitnehmerlager im Aufsichtsrat des Softwareunternehmens werben um Stimmen. Doch tatsächlich tobt ein heftiger Wahlkampf vor der Stimmenauszählung am kommenden Donnerstag.

Hintergrund für die Wahl ist die Umwandlung der SAP AG in eine Europäische Aktiengesellschaft (SE). Im vergangenen Jahr war auf der Hauptversammlung die Änderung der Rechtsform entschieden worden. Schon das sorgte für Unruhe. Rechtsanwältin Christina Klinger, die für die Kanzlei Rödl und Partner schon mehrere SE-Umwandlungen begleitet hat, kennt das: "Mitbestimmung ist immer ein zentrales Thema bei der Gründung oder Umwandlung in eine SE", sagt sie.

Nicht nur bei SAP monieren Gewerkschafter und Arbeitnehmervertreter, dass durch die Umwandlung Rechte von Arbeitnehmern beschnitten werden. Die Position des Arbeitsdirektors sei in der SE geschwächt, sagt Sebastian Sick von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, der die SE-Umwandlung bei SAP begleitet hat und nun selbst für den Aufsichtsrat kandidiert. Der Aufsichtsratsvorsitzende habe im Gegensatz zur deutschen Aktiengesellschaft immer eine Doppelstimme. Rechtsanwältin Klinger hält dagegen, die Arbeitnehmer erhielten sogar mehr Rechte: So könnten sie unter anderem die Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder festlegen.

Allerdings führt die Umwandlung in die SE tatsächlich häufig zu einer Verkleinerung des Aufsichtsrats. Während nach dem deutschen Mitbestimmungsrecht für Firmen mit mehr als 20.000 Mitarbeitern ein Aufsichtsrat mit 20 Mitgliedern vorgesehen ist, kann er in der SE auf zwölf reduziert werden. Eine Vergrößerung, wie sie vorläufig bei SAP passiert, ist unüblich. Damit ist auch weniger Platz und Macht für Arbeitnehmervertreter - ein weiterer Reibungspunkt.

Einen Vorteil sieht Sebastian Sick aber doch: "Prinzipiell birgt die SE für Arbeitnehmer die Chance, sich internationaler aufzustellen." Drei Aufsichtsratsplätze bestimmt bei SAP jetzt der europäische Betriebsrat. Doch damit schrumpft auch die Macht der deutschen Mitarbeiter. Sie können nur noch über sechs Plätze abstimmen.

Schon das erhöht die Rivalität - 24 Kandidaten rangeln sich um die gut bezahlten Mandate. Zwischen 160.000 und 210.000 Euro bekam die Arbeitnehmerseite im SAP-Aufsichtsrat im Jahr 2013.

Darüber hinaus sorgt auch die Direktwahl ohne Delegierte für Unruhe bei dem Softwarekonzern. Üblicherweise wird bei Unternehmen ab 8000 Mitarbeitern eine Delegierten-Wahl durchgeführt. In den Vorverhandlungen hatten die Arbeitnehmervertreter sich für die Urwahl entschieden. "Auf die direkte Beteiligung der gesamten Belegschaft wurde hier besonderer Wert gelegt", sagt Sick mit Blick auf die Diskussionskultur in der von Akademikern geprägten SAP-Belegschaft.

Das Verfahren ist auch eine Lehre aus der Aufsichtsratswahl im Jahr 2012. Damals hatten Delegierte kurz vor der Wahl das Lager gewechselt. Dieses Mal ging es schon vor der Wahl ruppig zu. Gegenkandidaten warfen einer Konkurrentin Interessenskonflikte vor, weil ein von ihr betreutes Projekt für Kinderbetreuung vor Jahren von der Stiftung des SAP-Gründers Dietmar Hopp unterstützt wurde. Sie weist die Vorwürfe zurück. Für Unfrieden sorgt auch, dass ein Kandidat, der bislang als leitender Angestellter im Aufsichtsrat war, als Gewerkschafter kandidiert.

Typisch sind solche Auseinandersetzung bei der Umwandlung in eine SE eher nicht, sagt Rechtsanwältin Klinger: "Wenn Unternehmen sich im ruhigen Fahrwasser bewegen, läuft das in der Regel reibungslos." Ob die Diskussionen der Wahlbeteiligung tatsächlich gut tun, wird sich zeigen, wenn am Donnerstag die Stimmen ausgezählt werden. (dpa/tc)