SAP-Kunden müssen Budgets neu planen

27.10.2008
Von  und
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Nach der überraschenden Erhöhung der Wartungsgebühren durch SAP müssen die Anwender neu kalkulieren. Das zeigt eine exklusive Umfrage der COMPUTERWOCHE.

Unter den SAP-Anwendern gärt es. Nachdem der Konzern im Frühjahr dieses Jahres den Wartungssatz für Neukunden von 17 auf 22 Prozent angehoben hat, erwischte es im Sommer auch die Bestandskunden. Bis 2012 sollen die jährlichen Supportgebühren schrittweise auf 22 Prozent steigen. Die computerwoche hat in einer exklusiven Befragung ihrer Leser erhoben, was diese von der neuen Wartungspolitik halten und welche Folgen daraus für das eigene Unternehmen resultieren. Das sind die Ergebnisse der Umfrage:

1. Firmen müssen IT-Budgets neu planen

drei Viertel der befragten Anwender sehen durch die Erhöhung der Wartungsgebühren größere zusätzliche Ausgaben auf ihr Unternehmen zukommen. Knapp 29 Prozent der Befragten gehen von einer großen und 41 Prozent von einer eher großen Mehrbelastung der Firmengeldbeutel durch SAPs neue Wartungssätze aus. Dementsprechend sieht sich die Mehrheit auch veranlasst, ihre IT-Budgets neu zu planen. Über 39 Prozent rechnen fest damit, ihre Budgetpläne überarbeiten zu müssen, weitere 24 Prozent halten das für wahrscheinlich.

2. SAP verärgert seine Kunden

Freunde hat sich SAP mit der geänderten Wartungsstrategie nicht gemacht. Mittlerweile wissen zwar fast alle (99 Prozent), dass die Supportgebühren steigen, darauf vorbereitet waren aber die wenigsten. Fast 80 Prozent der Befragten bekunden, SAP beziehungsweise SAP-Partner hätten sie nicht ausreichend über die Neuerungen im Wartungsmodell unterrichtet.

Für zusätzlichen Ärger sorgt außerdem die Tatsache, dass der Konzern seine Klientel mit zweierlei Wartungsmaßstäben misst. Anwenderunternehmen, die jährlich mehr als fünf Millionen Euro an Wartungsgebühren nach Walldorf überweisen, bleiben von der Erhöhung aus-genommen und zahlen weiterhin nur 17 Prozent. Diese Ungleichbehandlung befürworten lediglich sieben Prozent der antwortenden IT-Manager. 23 Prozent können diese Wartungsstrategie nur bedingt nachvollziehen, und fast 70 Prozent der Befragten halten es für nicht gerechtfertigt, dass Großkunden von der Wartungserhöhung verschont bleiben.

3. Anwender lehnen den neuen Support ab

Die SAP-Verantwortlichen begründen die höheren Wartungsgebühren mit der steigenden Komplexität der Softwarelandschaften ihrer Kunden. Dieser Trend erhöhe die Anforderungen an den Support des Herstellers, rechtfertigen sie die Einführung des für alle Kunden in Zukunft verpflichtenden "Enterprise Support". Die computerwoche-Umfrage kann diese Sichtweise nicht bestätigen. In Sachen Komplexität zeigt sich ein ausgewogenes Bild. Etwa die Hälfte der Befragten charakterisiert die eigene SAP-Landschaft als eher komplex (25 Prozent), komplex (19 Prozent) oder sehr komplex (acht Prozent). 48 Prozent der Antwortenden behaupten das Gegenteil und bezeichnen ihre SAP-Systeme als eher nicht komplex (21 Prozent), nicht komplex (17 Prozent) beziehungsweise gar nicht komplex (zehn Prozent).

Trotz des ausgewogenen Meinungsbildes zur Komplexität der SAP-Landschaften fällt die Ablehnung des Enterprise Support eindeutig aus. Fast 79 Prozent der Befragten gab an, dass die bisherige Standardwartung ausreiche. Zehn Prozent der IT-Manager erklären, einzelne Leistungen des neuen Supportpakets zu benötigen, und lediglich elf Prozent geben zu Protokoll, das neue Supportangebot ganz beziehungsweise teilweise brauchen zu können.

4. Kunden fehlt Verständnis für höhere Gebühren

Angesichts der skeptischen Haltung der Anwender zum Enterprise Support überrascht es nicht, dass auch die höheren Wartungsgebühren auf breite Ablehnung innerhalb der SAP-Klientel stoßen. Etwa 84 Prozent der befragten IT-Manager kritisieren den gestiegenen Supportsatz als nicht gerechtfertigt. Lediglich 13 Prozent äußern Verständnis für die höheren Gebühren. Mit ihren Vorstellungen eines gerechten Wartungssatzes liegen die Befragten weit unter den SAP-Tarifen. Für fast 51 Prozent beträgt die akzeptable Obergrenze der jährlichen Supportgebühren 15 Prozent vom Lizenzpreis. Rund 34 Prozent legen die Messlatte auf 20 Prozent. Nicht einmal zehn Prozent der Antwortenden sind mit Wartungssätzen von mehr als 20 Prozent einverstanden.

5. Anwender wollen SAP-Kosten drücken

SAP könnte den Unmut der Anwender schmerzhaft zu spüren bekommen. Jeweils 52 Prozent der befragten IT-Manager geben an, SAP-Projekte beziehungsweise den Kauf weiterer Lizenzen auf Eis zu legen und in Zukunft verstärkt Alternativen zu SAP-Produkten prüfen zu wollen. Konkret stehen dabei Upgrade-Vorhaben auf der Kippe. Darüber hinaus wollen viele Unternehmen in Zukunft auch Best-of-Breed-Anbieter und Eigenentwicklungen in ihren Softwareplänen berücksichtigen. SAPs Privileg als einziger strategischer Lieferant von Business-Software gehört in vielen Unternehmen der Vergangenheit an.

Fast ein Drittel der Befragten kündigt zudem an, die Kosten im SAP-Betrieb senken zu wollen. In diesem Zusammenhang denken die Anwender darüber nach, Lizenzen aus der Wartung zu nehmen beziehungsweise die Zahl ihrer SAP-User zu reduzieren. Außerdem wollen viele Firmen aktiv Widerstand gegen die Erhöhung der Wartungsgebühren leisten und ihren Softwarelieferanten an den Verhandlungstisch zwingen. Die Zeiten, in denen eine ERP-Strategie gleichbedeutend mit einer SAP-Strategie war, scheinen vorbei zu sein.

Fakten zur Umfrage

Die COMPUTERWOCHE wollte wissen, was SAP-Kunden vom neuen Enterprise Support und den höheren Gebühren halten.

An der von der COMPUTERWOCHE-Marktforschung organisierten Umfrage haben sich zwischen dem 15. und 22. Oktober dieses Jahres über 150 Anwenderunternehmen beteiligt. Mehr als drei Viertel der Antwortenden gaben an, im Bereich IT zu arbeiten. Weitere elf Prozent kommen aus den Vorstandsetagen. Der Rest verteilt sich auf andere Firmenbereiche.

Vor allem Vertreter von Konzernen und dem gehobenen Mittelstand haben sich an der Umfrage beteiligt. Fast 58 Prozent der Antwortenden kommen aus Firmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Weitere 17 Prozent der befragten SAP-Kunden beschäftigen zwischen 500 und 999 Mitarbeiter, knapp zwölf Prozent gehören in die Kategorie 250 bis 499 Mitarbeiter. Der Anteil kleinerer Firmen an der CW-Umfrage beträgt 13 Prozent.

Viele der teilnehmenden Firmen setzen moderne Versionen der SAP-Software ein. Über 69 Prozent gaben als aktuelles Release ERP 6.0 an, ein Viertel arbeitet mit R/3 4.7. Lediglich sechs Prozent der Befragten betreiben noch eine R/3-Version im Release-Stand 4.6.

IT-Budgets unter Druck

Die unsichere konjunkturelle Lage macht vielen Unternehmen zu schaffen. Um Kosten zu sparen, nehmen die Finanzverantwortlichen verstärkt auch die IT-Budgets aufs Korn. Das sagen Analysten und Verbände zur weiteren Entwicklung:

  • Forrester Research: 40 Prozent der großen Unternehmen haben in diesem Jahr ihre IT-Budgets wegen der Finanzkrise gekürzt. 24 Prozent der 950 befragten IT-Manager haben ihre Gelder eingefroren, und 28 Prozent gaben an, die Krise wirke sich nicht auf ihre Budgets aus.

  • Gartner: Die weltweiten IT-Ausgaben werden 2009 nur noch um 2,3 Prozent gegenüber dem laufenden Jahr zulegen. Zuvor waren die Analysten von einem Wachstum in Höhe von 5,8 Prozent ausgegangen.

  • Bitkom: In der deutschen IT-Branche ist noch alles in Ordnung. 86 Prozent der befragten Mitgliedsunternehmen spüren derzeit keine Auswirkungen der Finanzkrise. 13 Prozent der 300 befragten Firmen geben an, dass sich der Umsatz schwächer entwickelt beziehungsweise weniger Aufträge hereinkommen.