IT & Business Excellence

Kern-Liebers

SAP-Einführung in Fernost

22.03.2010
Von Andreas  Schmitz

Um SAP in China auf den Weg zu bringen, gelten andere Gesetze als bei einer Implementierung in Europa. Besonders die Mentalitätsunterschiede erschweren die Kommunikation zwischen Europäern und Asiaten. Deshalb betraute Bachmann Arturo Scheffold mit der Projektleitung. Der IT-Spezialist ist gebürtiger Phillipino und bringt gerade jenen multikulturellen Hintergrund mit, der es dem studierten Informatiker ermöglicht, die eine wie die andere Seite zu verstehen. In England und Deutschland studiert, mit Arbeitserfahrung in den USA, Singapur und Honkong bringt er ein breites Spektrum an internationaler Erfahrung mit. Die Meetings mit den Chinesen waren für den 59-Jährigen insofern einfacher, als er weiß, mit deren Mimik umzugehen, sie richtig zu deuten. Scheffold erläutert: "Problempunkte werden oft nicht so direkt angesprochen wie in Deutschland. Man muss manchmal zwischen den Zeilen lesen können".

Die Key User vor Ort sind Chinesen

Nicht zuletzt deswegen hat Bachmann auch andere Schlüsselstellen für dieses Projekt mit Menschen besetzt, die die kulturellen Voraussetzungen erfüllen. Die beiden Key User, die das Projekt vor Ort vorantreiben, sind Chinesen, die durch ihr fließendes Englisch sowohl mit der IT-Zentrale in Deutschland und der deutschen Geschäftsführung in China kommunizieren als auch mit den Chinesen sprechen können.

Sehr chinaspezifisch war dann allerdings eine geschäftliche Eigenschaft, die selbst für Arturo Scheffold neu war. Zwar sind inzwischen die SAP-Module für das Finanzwesen, den Verkauf, die Materialwirtschaft, die Produktionsplanung, die Instandhaltung und die Lagerhaltung im Einsatz. Regionale Eigenheiten machten es jedoch nötig, ein eigens entwickeltes "Bonded Warehouse" an das SAP-System anzuflanschen. "Unverzollte wie verzollte Materialien müssen nicht nur aufgeführt, sondern auch nach ihrer jeweiligen Verwendung dokumentiert sein", erläutert IT-Manager Bachmann, der zudem dem Zoll einen Verification Report vorlegen muss.

Noch interessanter wurde es für IT-Kenner Scheffold und CIO Bachmann allerdings, als sich herausstellte, dass die in SAP erstellten Rechnungen als Dokumente für die Steuer nicht akzeptiert wurden. Nach dem so genannten Golden Tax-System einigen sich Lieferant und Kunde erst nach Lieferung auf das Zahldatum - ein Vorgang, der in der deutschen Zentrale eher für Schmunzeln Verwunderung gesorgt hat, in China allerdings unumgänglich ist. Konsequenz: Das in China übliche Golden-Tax-System musste zusätzlich über Schnittstellen mit dem SAP-System verbunden werden. Nur in dieser Form akzeptierten die chinesischen Behörden die Administration der Geschäfte von Kern-Liebers. "Es gibt keine klaren Richtlinien, anders als in Hongkong oder Singapur", wundert sich Scheffold. Seit Anfang 2010 ist SAP als Standard in China im Einsatz. Nach anderthalb Jahren Planungs-, Implementierungszeit und auch Improvisierungszeit hat CIO Bachmann nun in Schramberg die chinesischen Zahlen auf dem Schirm, die 60 SAP-User aus Fernost täglich pflegen.