NT-Intel-Workstations drängen Unix-Klassiker zurück

RISC-Anbieter besinnen sich auf alte Stärken

02.08.1996

Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens IDC spielen Pentium-Rechner unter dem Betriebssystem Windows NT besonders in den kommerziellen Märkten eine immer größere Rolle. Traditionelle Unix-Anbieter hätten es deshalb schwerer, in diesem Segment Fuß zu fassen. Diese richten sich daher wieder verstärkt auf technische Märkte aus und legen den Schwerpunkt ihrer Produktentwicklung auf höhere Rechenleistung und verbesserte Grafikunterstützung, so die Marktforscher.

Die Workstation-Auslieferungen sind 1995 in Westeuropa nach Stückzahlen um satte 48 Prozent gestiegen gemessen am Umsatzwert ergab sich allerdings nur ein Zuwachs von 18 Prozent. Insgesamt verkauften die Hersteller rund 387000 Workstations im Wert von 4,06 Milliarden Dollar, so IDC.

Die großen Wachstumsträger sehen die Analysten in den sogenannten Personal Workstations. Diese hätten wertmäßig um 106 Prozent und nach Stückzahlen um 123 Prozent zugelegt. IDC zählt zu den Personal Workstations neben Intel-NT- und Low-end-RISC-Systemen auch Intel-basierende Rechner unter Unix. Allein die NT-Pentium- basierten Rechner erreichten 1995 im gesamten Workstation-Markt einen Anteil von 33 Prozent bei den Auslieferungen und 15 Prozent nach Umsatzwert.

Traditionelle Workstations haben der Studie zufolge nicht mit dem Wachstumstempo der Personal Workstations Schritt halten können. Dennoch ergeben sich für diesen Markt solide Zuwächse von 15 Prozent nach Stückzahlen und fünf Prozent beim Umsatzwert. Größter Anbieter herkömmlicher Workstations in Westeuropa ist nach wie vor Sun Microsystems mit einem Marktanteil von 35 Prozent nach Stückzahlen. Auf den Plätzen folgen Hewlett-Packard, Digital Equipment, IBM und der kalifornische Hersteller Silicon Graphics (SGI), der wie schon im Vorjahr die größten Zuwächse verzeichnen konnte. Siemens-Nixdorf landet auf dem sechsten Rang. Der deutsche Hersteller bringt allerdings mit der Personal Workstation "Celsius 1" auch einen "Pentium-Pro"-basierten Rechner unter Windows NT auf den Markt. Im September soll darüber hinaus eine Doppelprozessor- Variante angeboten werden. Bernd Kosch, Chef der Workstation- Entwicklung bei SNI, glaubt, daß insbesondere die Zwei-Chip- Implementationen des Pentium Pro den RISC-Systemen auch bei technischen Anwendungen "das Wasser abgraben" werden.

Der Höhenflug der Intel-Maschinen ist vor allem auf die gestiegene Performance der Pentium-Pro-Prozessoren zurückzuführen.

Ende 1995 übertraf die Integer-Rechenleistung des 200-Megahertz- Pentium-Pro mit 8,1 Specint95 die des 300-Megahertz-Alpha-Chips "21164" von Digital Equipment und lag damit vorübergehend vor allen RISC-Prozessoren. Inzwischen ist allerdings ein Alpha-Chip mit 433 Megahertz verfügbar, der eine Leistung von 13,3 Specint95 erreicht. Bei den für den technisch-wissenschaftlichen Bereich bedeutenden Fließkomma-Werten haben die Intel-Chips stark aufgeholt.

Für die Intel-Systeme spricht neben der gestiegenen Rechenleistung auch das Preis-Leistungs-Verhältnis. Wie das US-Fachblatt "Microprocessor Report" berichtet, bringt etwa ein Pentium-Pro- System für weniger als 10 000 Dollar deutlich mehr Integer- Leistung als eine RISC-Workstation zu einem vergleichbaren Preis mit ähnlicher Konfiguration. Dabei seien auch die Fließkomma-Werte gleich hoch oder höher als die der RISC-Maschine.

Auf kurze Sicht werden die RISC-Anbieter bei technisch orientierten Anwendern wegen der Vielzahl verfügbarer Software noch die Nase vorn haben, meinen Experten. Dies könnte sich aber bald ändern. Die große installierte Basis der Pentium-Systeme lockt die Softwarehersteller. Cadence und Mentor etwa wollen ihre Workstation-Software auf die x86-Plattform portieren. In wenigen Jahren, so die Prognose, könnte für NT-Pentium-Systeme ebensoviel technische Software verfügbar sein wie für Unix-RISC-Plattformen.