Rationelle Software-Entwicklung Standards erhoehen die Effizienz und Qualitaet von SW-Bausteinen Von Siegfried Kroeger*

06.01.1995

Wesentliche Voraussetzung fuer die wirtschaftliche Software- Erstellung sind rationelle Fertigungsmethoden. Die Verringerung der Fertigungstiefe durch Einsatz vorgefertigter Module ist ein wichtiges Mittel dazu. Voraussetzung fuer deren Verwendung sind jedoch einheitliche Schnittstellen.

Derzeit bemuehen sich verschiedene Gremien darum, Schnittstellen auf binaerer Ebene zu schaffen, die von der verwendeten Entwicklungsumgebung unabhaengig sind. Spaetestens wenn sich hier ein Standard herauskristallisiert, sind starke Impulse fuer den Softwaremarkt zu erwarten. Eine Schluesselposition nimmt die Objects Management Group OMG ein, an deren Vorgaben sich viele Entwickler orientieren.

Dieser Herstellervereinigung arbeitet Vorschlaege fuer gemeinsame Schnittstellen und Verfahren aus. Erste Resultate finden sich etwa in den IBM-Konzepten "System Object Model" (SOM) und "Distributed System Object Model" (DSOM) fuer die verteilte Verarbeitung, die zusammen mit "Bento" von Apple in dem plattformuebergreifenden "Open Doc" muenden sollen.

Weit verbreitet ist Microsofts "Component Object Model". Die einzelnen Bausteine sind nicht nur unabhaengig von der Programmiersprache, mit der die Anwendung erstellt wird, sie lassen sich auch nachtraeglich in Programme einfuegen, die ueber eine entsprechende Schnittstellen verfuegen. Eine konkrete Ausfuehrung einer solchen Schnittstelle ist die 2.0-Version des "Objekt Linking and Embedding" (OLE). Sie legt fest, wie sich Objekte verhalten muessen, damit sie von Anwendungen benutzt und integriert werden koennen.

Diese Module stammen urspruenglich aus Visual Basic. Der Programmierer klickt einfach eine gewuenschte Funktion der Visual Basic Extensions (VBX) an und zieht sie mit der Maus in sein Entwicklungsfenster. Zu den Bausteinen hinzufuegen muss er nur noch den Moertel, der die Bausteine miteinander verbindet. Ohne die VBX- Tools ist Visual Basic praktisch nicht mehr verwendbar.

Allerdings kommen die VBX-Komponenten nicht ueber das 16-Bit- Stadium hinaus. Die "OLE Custom Controls" (OCX) dagegen werden auch in 32-Bit-Ausfuehrungen erhaeltlich sein. Sie basieren auf OLE 2.0 und lassen sich in jeder Programmierumgebung nutzen, die diese Schnittstelle unterstuetzt.

Mit Softwarebausteinen hat ein Programmierer wichtige Elemente fuer verschiedene Anwendungen zur Verfuegung. Aufgabe eines Programmier- Teams ist nun noch die Verbindung dieser Elemente zu einem neuen Ganzen. Damit verringert sich der Programmieraufwand erheblich und die Produktivitaet steigt. Projekte koennen schneller vorangetrieben werden.

Einer breiteren Akzeptanz stehen jedoch noch Qualitaetsmaengel im Wege. Oft bleibt die Herkunft der Tools ungewiss, der Support ist nicht sichergestellt. Leider haben sich die meisten Programmierer mit dieser Situation arrangiert.

Fuer einen wesentlichen Teil der Probleme ist Windows verantwortlich. Groessere Probleme ruft jedoch die mangelhafte Versionskontrolle hervor.

Angeblich sollen die Tools aufwaertskompatibel sein; in der Praxis funktioniert das haeufig nicht. Ursache dafuer ist ein Denkfehler von Microsoft bezueglich der Handhabung von Dynamic Link Libraries (DLLs). So ist es nicht immer moeglich, alte Versionen zu loeschen. Die Folge: ueberfuellte Systemverzeichnisse. Obwohl eine Problemloesung unbedingt notwendig waere, scheint sie noch nicht in Sicht.

"Programmiert man unter Windows, muss man seine Toleranz gegenueber Fehlern ziemlich hochschrauben", gesteht ein Entwickler, der nicht genannt sein moechte, resigniert. "Inzwischen wissen sogar die Endanwender, dass sich Windows-Programme aus unerklaerlichen Gruenden verabschieden. Den Anspruch, keinen schwerwiegenden Fehler zu produzieren, habe ich aufgegeben."

Allerdings wird auch niemand in den naechsten zwei Jahren ohne Tools seine Anwendungen entwickeln koennen. Voraussetzung dafuer ist eine gute Hotline.

Programmierer Thomas Lautenbach schwoert derzeit auf die Tools von Heiler Software. Allerdings setzt auch er Hoffnungen in Qualitaetsnormen wie ISO 9001. Er sieht einen Marktdruck entstehen, der dadurch bestimmt ist, dass Endprodukthersteller ohne Zertifikatsnachweise kaum Chancen haben, bei Auftragsvergaben in Betracht zu kommen. Daher draengen die Verwender dieser Tools zunehmend auf Qualitaet, denn deren Nutzen ist unverkennbar. Die Angst vieler Entwickler, sich von Produkten anderer abhaengig zu machen, die man nicht kontrollieren kann, wuerde dadurch vermindert und die Verbreitung gefoerdert.

Auch Helmut Lagler, Geschaeftsfuehrer der Firma Lagler Spezial- Software GmbH in Kassel, kann sich eine rationelle Software- Entwicklung ohne Tools nicht vorstellen. Allerdings setzt er sein Vertrauen in die Grossen der Branche: "Auf Dauer muessen Firmen wie Microsoft oder Borland hinter den Qualitaetsstandards stehen. Kleine Unternehmen werden nicht bestehen koennen; denn sie muessen fuer die Qualitaetssicherung einen relativ hohen Aufwand betreiben."

* Siegfried Kroeger ist Redakteur bei der Muenchner Agentur PR-COM.