AWS und Harvard forschen

Quantensprung bei Quantennetzwerken?

13.09.2022
Von 
Michael Cooney ist Senior Editor bei der amerikanischen Schwesterpublikation Network World.
Amazon Web Services und die Harvard University haben einen ambitionierten Dreijahresplan geschmiedet, um die Forschung im Bereich der Quantentechnologie voranzutreiben.
Amazon Web Services und die Harvard University wollen der Quantenforschung gemeinsam einen Schub verleihen.
Amazon Web Services und die Harvard University wollen der Quantenforschung gemeinsam einen Schub verleihen.
Foto: teh_z1b - shutterstock.com

Das AWS Center for Quantum Networking (CQN) und die Harvard Quantum Initiative (HQI) wollen gemeinsam Projekte fördern, um die Forschung an Quantenspeichern, -applikationen und integrierter Photonik voranzubringen. Das Ergebnis könnte den Grundstein für künftige Quantennetzwerke und ein Quanteninternet legen. Im Rahmen der Kooperation wird AWS die Quantenherstellungskapazitäten des Harvard Center for Nanoscale Systems finanziell unterstützen. Letzteres befasst sich mit Nanofabrikation, Materialcharakterisierung, Lithografie und Bildgebung. Es wird von der US-amerikanischen National Science Foundation unterstützt.

Die dreijährige Forschungsallianz mit HQI ist die erste Partnerschaft die das im Juni 2022 angekündigte AWS CQN eingeht. Darüber hinaus betreibt AWS auch das Amazon Quantum Solutions Lab.

"Mit herkömmlichen Methoden nicht realisierbar"

Harvard möchte seinerseits mit dem HQI ein eigenes Quanten-Ökosystem aufbauen, das Wissenschaftler und Ingenieure aus Universitäten, Unternehmen und Regierungsinstitutionen zusammenbringt. Das soll der Wissenschaft und Technik von Quantensystemen einen Schub verleihen - von Hochgeschwindigkeitsnetzwerken über sichere Kommunikation bis hin zu hochpräziser Sensorik, heißt es seitens des HQI.

Antia Lamas-Linares, die bei AWS Quantennetzwerke verantwortet, verspricht sich von der neuen Partnerschaft eine Menge: "Im Rahmen dieser gemeinsamen Initiative werden Spitzentalente Quantennetzwerke erforschen. Das zu realisieren, erfordert ein tiefes Verständnis der größten wissenschaftlichen Herausforderungen der Branche. Es wird zur Entwicklung neuer Hardware, Software und Anwendungen für Quantennetzwerke führen." In der Zukunft werde die Vernetzung von Quantencomputern eine Vielzahl neuer Anwendungen mit geclusterten Computern ermöglichen. Für AWS würden in naher Zukunft Applikationen für Quantensicherheit und Datenschutz relevant, so die Managerin.

In einem Blog-Beitrag versprechen AWS-Forscher eine "globale Kommunikation, die durch Quantenschlüssel-Verteilung ein Datenschutz- und Sicherheitsniveau erreicht, das mit herkömmlichen Kryptografie-Methoden nicht realisierbar ist." Quantennetzwerke würden die Fähigkeiten einzelner Quantenprozessoren miteinander verknüpfen und ihre leistungskraft verstärken. "Damit werden Quantennetzwerke auch leistungsstarke und sichere Cloud-Quantenserver bereitstellen können."

Das Quanteninternet ist gefragt

Neben Security-Anwendungen bieten Quantennetzwerke Potenzial für weitere bahnbrechende Entwicklungen, darunter das so genannte Quanteninternet. Diverse Anbieter und Institutionen wie das Center for Quantum Networks streben den Aufbau eines solchen Quanteninternets an, das neue Technologieerfindungen und einen wettbewerbsfähigen Markt von Quantendienstleistern und Anwendungsentwicklern hervorbringen soll.

Forscher des Cisco Quantum Lab veröffentlichten vor kurzem einen Beitrag, der verdeutlicht, dass die Vernetzung von Quantencomputern durch die Verbindung mehrerer Quantenchips eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung größerer Quantencomputer spielen kann. Außerdem böten vernetzte Quantensensoren eine stärkere Erfassungsleistung - in Zukunft könnten Tausende oder sogar Millionen von Geräten über ein globales Quanteninternet verbunden werden.

"Ein weiteres Beispiel für eine Quanteninternet-Anwendung ist das datenschutzfreundliche Quantencomputing, auch bekannt als Blind Computing, bei dem ein Benutzer aus der Ferne auf einen Quantencomputer zugreifen kann, um eine Berechnung durchzuführen, wobei diese Berechnung selbst für den Anbieter der Dienstleistung verborgen bleibt", so die Cisco-Forscher. "Ein Pharmaunternehmen kann beispielsweise ein Medikamentenmolekül privat auf einem Quantencomputer entwerfen, ohne die Formel dafür preisgeben zu müssen. Diese Anwendungen bringen einen kommerziellen Wert und rechtfertigen die Entwicklung der Quantennetzwerk-Technologie."

Das Kollaborationsprojekt von AWS und der Harvard University hat zum Ziel, wichtige nächste Schritte in Sachen Quantenvernetzung zu gehen, sagt Lamas-Kinares. "Es geht also nicht nur um Quanteninformation, die wir bis zu einem gewissen Grad bereits beherrschen. Wir können Qubits mit Hilfe von Photonen von A nach B übertragen. Dabei stellen sich diverse Fragen: Wie können wir die Reichweite erweitern? Wie gehen wir mit komplexen Topologien um? Wie können wir die Entwicklung dieser zukünftigen Komponenten des Quantennetzwerks beschleunigen? Dazu brauchen wir Speicher, Routing, fortschrittliche Silizium-Photonik, integrierte Photonik, Repeater und vieles mehr. Jede einzelne dieser Komponenten ist ein Forschungsprojekt in sich. Deshalb gibt es ein so großes Potenzial für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie."

Neben der Technologieentwicklung wollen CQN und Harvard auch ein Team von qualifizierten Fachkräften aufbauen, das die Entwicklung von Quantennetzwerken vorantreiben sollen. Zu diesem Zweck wird AWS auch ein neues Stipendienprogramm für Hochschulabsolventen, Doktoranden und Postdocs finanzieren, um die nächste Generation von Quantenwissenschaftlern und -ingenieuren auszubilden, wie Lamas-Linares betont: "Wir müssen dafür sorgen, dass mehr Menschen eine Ausbildung in Quantentechnologien erhalten und diese Fähigkeiten in die akademische und in die Business-Welt tragen." (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Network World.