Q.4 IBS entwickelt betriebswirtschaftliche Comet-Software weiter

Q.4 IBS entwickelt betriebswirtschaftliche Comet-Software weiter "Viele User ignorieren die Jahr-2000-Initiativen"

19.02.1999
MÜNCHEN (gfh) - Seit fast einem Jahrzehnt wurden die "Comet"- Anwender mit meist leeren Versprechen von Nixdorf, Siemens- Nixdorf, Baan und jetzt Q.4 IBS bei der Stange gehalten. Sicher ist, daß die Software bei vielen Kunden in der Silvesternacht zum Jahr 2000 stehenbleiben wird. Produkt-Manager Ekard Schumann erklärt im Gespräch mit CW-Redakteur Hermann Gfaller, welche Perspektiven sich den dann etwa 5000 verbleibenden Usern eröffnen.

CW: Der ehemalige Baan-Manager Karl-Heinz Voß hat seinem früheren Arbeitgeber die Comet-Schmiede Q.4 IBS GmbH abgekauft. Wie steht das Unternehmen derzeit da?

Schumann: Wir haben 30 Millionen Mark Umsatz erwirtschaftet, 85 Prozent davon mit Update-Lizenzen für Comet und den Rest mit Baan- Software. Hätten wir nicht unseren eigenen Kaufpreis abzahlen müssen, wären wir deutlich in den schwarzen Zahlen.

CW: Wie erfolgreich war das Konzept, Comet-User auf Baan-Produkte zu locken?

Schumann: Die Hoffnung von Baan, sich hier ein lukratives Ablösegeschäft zu erschließen, erfüllte sich nicht.

CW: Sollte nicht ein vorkonfiguriertes "Baan on Board" die Mittelstandskunden locken?

Schumann: Das Produkt existiert noch, es hat aber kein besonders gutes Image.

CW: Wie viele Comet-Anwender gibt es noch?

Schumann: So genau wissen wir das nicht. Vor einem Jahr waren es ungefähr 15000, inzwischen sind es wohl um die 12000 weltweit, davon rund 10000 in Deutschland. Von denen sind etwa 3000 auf die Jahr-2000-fähige Comet-Version 3.2 umgestiegen, weitere 500 auf das Euro-Upgrade 3.3.

CW: Wie aufwendig ist der Umstieg?

Schumann: Die Euro-Erweiterung ist von der Version 3.2 aus in wenigen Stunden zu schaffen. Von älteren Versionen dorthin zu kommen ist dagegen weit aufwendiger - insbesondere, wenn der Kunde Optimierungen vorgenommen hat.

CW: Wie viele Comet-Installa- tionen lassen sich jährlich umstellen?

Schumann: Das machen natürlich die Partner. Aber nach den bisherigen Erfahrungen sind es ungefähr 2500 Anwender.

CW: Wenn von 12000 Comet-Usern 3500 umgestellt sind und in diesem Fall noch bis zu 2500 Kunden dazukommen, bleiben immer noch 6000 Comet-Anwender, deren Software zum Jahrtausendwechsel nicht mehr funktioniert. Ist diese Rechnung richtig?

Schumann: Ja. Unserer Meinung nach werden in diesem Jahr Unternehmen Schäden erleiden bis hin zum Konkurs. Wir verstehen nicht, daß die Anwender kaum auf die noch gemeinsam mit Siemens großangelegten Aktionen unter dem Motto "Ihre Bedenkzeit ist vorbei" reagiert haben.

CW: Gibt es für Comet-User Alternativen zur Umstellung?

Schumann: Wir sind in Verhandlungen mit der SAM GmbH, die ein Tool hat, das die Software mit geringerem Aufwand Jahr-2000- und in eingeschränktem Maße auch Euro-fähig macht. Unser Ziel ist es, den Kunden damit erst einmal über die Jahrtausendhürde zu helfen, damit sie Zeit für einen geplanten Umstieg gewinnen. Aber da gibt es noch die eine oder andere Schwierigkeit.

CW: Welche?

Schumann: Die Adressen der Kunden liegen bei den Werksvertretungen. Diese werden sie nicht einfach uns oder einer anderen Softwarefirma geben. Wenn die Comet-Kunden ein Tool haben wollen, dann möchten die Werksvertretungen damit natürlich lieber selbst ins Geschäft kommen. Hier sichern viele ihre Pfründe, möglicherweise zum Nachteil der Kunden. Daher planen wir, die SAM- Software in die Hände der Werksvertretun- gen zu geben - aber nicht exklusiv. Sie wird auch von uns direkt angeboten werden, von SAM und von Consulting-Partnern - meist ehemaligen Nixdorf- Mitarbeitern.

CW: Mit wie vielen zusätzlichen Umstellungen auf Basis dieses Tools rechnen Sie?

Schumann: Vielleicht 500.

CW: Haben nicht viele Werksvertretungen das Interesse an den weniger lukrativen Comet-Kunden verloren haben, weil sie längst andere Produkte verkaufen und für eine massenhafte Umstellung gar nicht mehr die Kapazitäten haben?

Schumann: Richtig ist, daß viele Partner große Projekte vorgezogen haben. Außerdem kann ich verstehen, daß mach kleiner Comet- Anwender für die Werksvertretung uninteressant ist. Ich selbst habe eine Reihe von Gesprächen geführt, in denen die Kunden damit argumentiert haben, daß zweistellige Jahreszahlen ein Programmfehler sind, für dessen Behebung die Werksvertretung zuständig sei und für die man nicht zahlen werde.

CW: Die User wollen nicht umsteigen?

Schumann: Nach einer Stichprobe von SAM hat rund ein Fünftel der Befragten noch keine Entscheidung für oder gegen eine Jahr-2000- Umstellung getroffen. Tatsächlich haben einige Anwender Werksvertretungen auflaufen lassen, die eine Umstellung vorgeschlagen haben.

CW: Nochmal im Klartext: Aus Ihrer Sicht werden rund 5000 bis 6000 Comet-User auf der Strecke bleiben?

Schumann: Man kann das auch anders herum sehen. Auch wenn sich die Anzahl der Comet-User zum Jahresende massiv verringert, so hat niemand je geglaubt, daß es nach dem Jahr 2000 noch 5000 bis 6000 Anwender geben würde.

CW: Welche Perspektiven haben die Comet-User und Q.4 IBS nach der Jahrtausendwende?

Schumann: Bis vor einem halben Jahr hätte ich keine Antwort gewußt. Unter Siemens-Regie gab es das wenig erfolgreiche ALX- Projekt, vage Absichten in Richtung R/3, auch Baan, sind gescheitert. Seit wir jedoch eigenständig sind, können wir endlich Pläne hervorziehen, die bislang in der Schublade versteckt wurden, um den Baan- oder R/3-Verkauf der Konzerne nicht zu gefährden.

CW: Was sind das für Pläne?

Schumann: Wir werden auf der CeBIT ein Comet 4.0 als Interimslösung vorstellen. Wenn die Software im Herbst 1999 herauskommt, wird sie das Look and feel von Windows-Programmen haben und über Internet-Features verfügen. An den betriebswirtschaftlichen Funktionen wird sich wenig ändern. Der Server wird nur als Datenlieferant genutzt. Die Basic-Anwendung läuft auf dem Client.

CW: Welche Datenbank soll sie benutzen?

Schumann: Den "SQL Server". Generell werden wir uns bei den neuen Produkten an Microsoft-Techniken ausrichten.

CW: Comet 4.0 soll nur eine Übergangslösung sein; wie sieht der eigentliche Comet-Nachfolger aus?

Schumann: Dazu möchte ich noch nicht viel sagen. Die Comet- Funktionen bilden die Basis, hinzu kommt zum Beispiel das auftragsbezogene Produktions-Management, eine Entwicklung, die im ALX-Trubel untergegangen ist. Wir werden eine neue Programmiersprache verwenden, vielleicht Java.

CW: Akzeptieren die Kunden und Werksvertreter das Konzept?

Schumann: Comet 4.0 bietet die grafische Optik, die Kunden in Windows-Zeiten fordern. Außerdem hilft uns diese Zwischenversion, präsent zu bleiben, solange wir am Comet-Nachfolger arbeiten. Ferner lassen sich damit bereits Neukunden gewinnen.

CW: Die Anwender sind gerade erst dabei, für viel Geld auf ein Jahr-2000-fähiges Produkt umzustellen. Viele rüsten dabei auch ihre Hardware-Umgebung auf. Sie werden nicht schon wieder eine neue Software einführen wollen.

Schumann: Sie haben recht, zum Ende dieses Jahres wird das Lizenzgeschäft mit Comet vorerst vorbei sein.

CW: Womit finanzieren Sie dann in den Folgejahren die Entwicklung des Comet-Nachfolgers?

Schumann: Wir haben im Schulterschluß mit Siemens vor, die Comet- Anwender, die noch auf den Quattro-Rechnern von Nixdorf arbeiten, auf aktuelle Hardware und auf eine Windows-Oberfläche zu bringen. Die jetzigen DV-Verantwortlichen verlangen dringend nach einer modernen Benutzerumgebung und sind auch bereit, dafür zu zahlen.

CW: Die Software kommt doch erst im Herbst heraus?

Schumann: Wir bekommen auch Wartungsgebühren von den Altkunden. Aber einige hundert Installationen der neuen Software müssen wir schon unterbringen, um in den schwarzen Zahlen zu bleiben.

CW: Haben Sie mit Ihrem Produktkonzept nicht ein Imageproblem? Die Bezeichnung Comet 4.0 klingt nach Uralt-Technik, während das Versprechen eines Nachfolgeprodukts schlechte Erinnerungen an die vergeblichen Anläufe zur Comet-Modernisierung wachruft.

Schumann: Dem kann ich nichts entgegensetzen.

CW: Schlimmer noch. Die rund 5000 Comet-User, die nicht über die Datumshürde kommen, werden ihre Probleme Ihnen anlasten. Wer gibt dann noch einen Pfifferling auf Q.4 IBS?

Schumann: Lassen Sie mich mit einer Gegenfrage antworten. Warum ist es in all den bewegten Jahren keinem Konkurrenten gelungen, die Comet-Anwender auf seine Seite zu locken? Auch die verärgerten Anwender kommen möglicherweise wieder, wenn wir mit einem neuen Produkt die Anforderungen erfüllen, denen die Mitbewerber bislang offenbar nicht entsprechen können.

CW: Wie reagieren Ihre Partner auf diese Perspektiven?

Schumann: Wir haben rund 30 Werksvertreter, davon 22 in der Anwendergruppe Wnet zusammengefaßt. Dort gibt es noch kein einheitliches Meinungsbild. Aber keiner ihrer Alternativorschläge hat einer eingehenden Betrachtung standgehalten.

CW: Heißt das, die Partner entscheiden erst, wenn die neuen Produkte da sind?

Schumann: Das ist das unternehmerische Risiko, das Herr Voß trägt.

CW: Was geschieht, wenn das Konzept nicht aufgeht?

Schumann: Wir sind auch noch Baan-Distributor. Aber unser Ziel ist es, mindestens die Hälfte des Umsatzes mit Comet und Nachfolgern zu verdienen.

CW: Sind Baan-Einführungen nicht gewinnträchtiger als das Comet- Geschäft?

Schumann: Als Distributor leben wir von der Großhandelsspanne. Wirklich lukrativ ist das Beratungs- und Supportgeschäft, aber hier dürfen wir unseren Partnern nicht ins Gehege kommen.

CW: Aufgrund der angespannten Baan-Situation drängt sich der Gedanke auf, daß Q.4 IBS der Hauptvertrieb für Baan in Deutschland werden könnte.

Schumann: Für das Mittelstandsgeschäft ist das richtig. Hier sind wir erster und exklusiver Partner. Baan selbst konzentriert sich auf Großkunden.

CW: Sie haben eine Kooperation mit Siemens in Sachen Quattro- Ablösung erwähnt. Orientieren Sie sich wieder stärker hin zum früheren Mutterkonzern?

Schumann: Ja. Wir richten gemeinsam ein Kompetenz-Center für den Mittelstand ein. Schließlich sind unsere Partner auf der Hardware- und Middleware-Seite fast immer Siemens-Kunden. Das bedeutet auch, daß das Siemens-Marketing wieder für Comet da ist, nicht nur für SAP, Baan und Navision. Dabei sind die Ziele klar. Siemens will über Comet Hardware in den Mittelstand verkaufen. 5000 Comet- Kunden sind für Siemens ein lukrativer Faktor.

Der Srutz des Kometem

Als die betriebswirtschaftliche Standardsoftware Comet vor über 20 Jahren von Nixdorf in den Markt eingeführt wurde, galt das Konzept als genial. Die in Business-Basic geschriebene Anwendung wurde als Komplettlösung mit Nixdorf-Rechnern und Ablaufumgebung europaweit vermarket. Wie damals üblich, hatte die Standardsoftware im wesentlichen Kernfunktionen zu bieten, die von Entwicklern um individuelle Funktionen erweitert wurden.

Ende der 80er Jahre begann die Karriere des Unix-Betriebssystems und damit der Trend zu offenen Systemen. Nixdorfs Konzept der geschlossenen Komplettlösung war am Ende. Das "Alexander"-Projekt wurde gestartet, um Comet von Basic auf C umzuprogrammieren. Doch bevor erste Ergebnisse sichtbar wurden, verlor Nixdorf seine Eigenständigkeit und ging 1990 in der Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG auf. Für die Comet-User brachen unruhige Zeiten an, wollte der neue Eigner sie doch partout auf Unix-Kurs bringen. Schon damals stiegen viele Anwender auf PC-Plattformen um. Derweil lief das Alexander-Projekt weiter und wurde in "ALX- Comet" umbenannt. 1992 kamen erste Module dafür heraus. Noch wurden etwa 30 000 Installationen gezählt. Drei Jahre später wurden die Unix-Varianten von ALX-Comet um eine NT-Version erweitert. Doch rentiert hat sich dieses Geschäft für Siemens- Nixdorf nie. Schließlich kam es 1997 zur Ausgliederung der Comet- Mannschaft in die Q4 IBS GmbH und zum Verkauf an Baan. Von ALX- Comet wurden inzwischen 400 Kopien verkauft, insgesamt soll es zu diesem Zeitpunkt, so der neue Eigner, noch 15 000 Comet- Installationen gegeben haben.

Baan hat versprochen, beide Produktlinien zumindest bis über die Jahrtausendwende hinaus weiterzuentwickeln. Derweil wurde den neuen Kunden der Umstieg auf Baan-Software empfohlen, versüßt durch die Ankündigung eines modernen komponentenbasierten Mittelstandspakets mit der Bezeichung "Baan on Board". Doch die Comet-User wurden ein weiteres Mal im Regen stehengelassen. Baan hat Q.4 IBS aufgegeben und das Geschäft an den Ex-Baan-Manager Karl-Heinz Voß verkauft.