Mikrokanalrechner zerstören Daten auf Diskettenlaufwerken

PS/2-Maschinen der IBM kämpfen mit technischen Schwierigkeiten

26.01.1990

MÜNCHEN (CW) - Anwender der leistungsstärksten IBM-386-Rechner können in Schwierigkeiten geraten, wenn sie auf ihren PCs Windows/386 laufen lassen. Beim Kopieren von der Festplatte auf Diskettenlaufwerke werden möglicherweise alle Daten der Floppy zerstört.

Wie die IBM Corp. jetzt in den USA bekanntgab, haben Mikrokanal-Rechner aus der PS/270-Modellreihe Probleme, Daten korrekt auf Diskettenlaufwerke zu speichern. Betroffen sind allerdings nicht Serien, die 1988 - also bei Markteinführung der 70er-Modelle - gebaut wurden. Erst bei ab März des vergangenen Jahres produzierten PCs stellte man den Fehler fest. Grund für das eklatante Fehlverhalten beim Speichern sei wahrscheinlich das im Frühjahr 1989 geänderte BIOS. Aus Kreisen der Microsoft Inc. war zu erfahren, daß es sich nicht um ein Softwareproblem von Windows/386 handele.

Eine IBM-Sprecherin meinte, das Problem stehe im Zusammenhang mit einigen BIOS-nahen Programminstruktionen. Rich Able, Produktmanager für Windows bei Microsoft, bestätigte dies und führte aus, einige Änderungen im BIOS, die die Steuerung des Diskettenlaufwerk-Controllers beträfen, seien Schuld am Datenverlust bei bestimmten PS/2-Modellen der 70er-Serie.

Ein etwas widersprüchliches Bild förderten Recherchen in Deutschland zutage: Nachfragen bei der Microsoft GmbH in Unterschleißheim ergaben, daß dieses Problem auch in der Bundesrepublik vermehrt aufgetreten ist. Allerdings meinte ein Techniker, auch Rechner der PS/2-Modell-80-Reihe seien betroffen. Dagegen beschränkte Wolfgang Konrad vom Software-Service der IBM Deutschland GmbH in Mainz das Problem auf eine Rechnerlinie: "Die Schwierigkeiten treten nur bei Rechnern der 70er-Reihe auf, bei denen das neue BIOS implementiert wurde."

Der Microsoft-Techniker führte aus, die IBM fertige vier unterschiedliche Motherboards für ihre leistungsfähigsten 386-Mikrokanal-PCs. Eines von diesen weise den Fehler auf Das Problem sei wahrscheinlich, daß die IBM für den Speicherzugriff auf die Diskettenlaufwerke der 386-Mikrokanalmaschinen eine zu kurze Anlaufzeit der Floppylaufwerke gewählt habe. Durch den verfrühten Zugriff werde das Inhaltsverzeichnis auf den Disketten zerstört.

Wer ist schuld am Datenverlust?

IBMer Konrad berief sich auf Leute von Microsoft, die bei Tests herausgefunden hätten, daß Geräte der Anfangsbaureihen - also vor dem März 1989 - einwandfrei arbeiten würden. Nach seiner Aussage versuche Microsoft auch, das Problem für den Rechnerhersteller zu lösen:"Microsoft in den USA arbeitet an einem Software-Patch für Windows/386, um den Fehler zu beheben."

In einer Erklärung von Big Blue heißt es, Armonk habe mit Unterstützung von Microsoft dieses Software-Patch entwickelt, um den Floppy-Controller zur Raison zu bringen. Das Programm steht nach Aussage eines IBM-Sprechers aus Stuttgart betroffenen Kunden ab Ende des Monats kostenlos zur Verfügung. Weiter führte er aus, man habe zur gleichen Zeit ein BIOS-Update entwickelt, dessen Programminstruktionen ein konfliktfreies Speichern von Daten auf Disketten ermöglichen.

Solange Anwendern weder Hard- noch Softwarehilfen zur Umgehung von Datenverlusten zur Verfügung stehen, rät die IBM: Bei Speichervorgängen sollten sie die entsprechenden Daten erst auf der Festplatte festhalten, dann aus der Anwendung aussteigen, Windows/386 verlassen und schließlich die gewünschte Datei über den DOS-Kopierbefehl auf das Diskettenlaufwerk übertragen.

Nach Aussagen des PC-Marktführers werde alles getan, um die von diesem gravierenden Fehler betroffenen Kunden zufriedenzustellen.

Gefährliche Liebschaften

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich die IBM und Microsoft zum Fressen gern haben. Auf der letzten Comdex ging es bereits zur Sache: Der Softwarekrösus und deren Zieh-Mother Blue mußten sich endlich einigen, welcher Zukunft die Softwaresysteme Windows und OS/2 samt Presentation Manager denn nun entgegensehen. Nun scheint die gefährliche Liebschaft Microsoft erneut Kopfzerbrechen zu bereiten. Wie es aussieht, hat die IBM einmal mehr ein Problem mit der Technik - und Microsoft muß es möglicherweise ausbaden. Vielleicht versuchte Big Blue im vergangenen Jahr wieder einmal, aus Copyright-Infamie ein neues BIOS für seine Mikrokanal-Rechner zu entwickeln. Von IBM war zu hören, die Probleme beim Speichern der Daten auf Diskette unter Windows 386 rührten auch daher, daß die I/O-Routinen der DOS-Shell für 386er-PCs "sehr nah am BIOS" geschrieben seien. Schuld an den Problemen der Anwender soll also nicht die IBM sein. Deshalb nimmt sich Big Blue auch Microsoft zur Brust und verdonnert die Softwareentwickler von William H. Gates III dazu, die Suppe auszulöffeln, die IBMs Hardware-Mannen ihnen eingebrockt haben. So etwas nennt man Mitbestimmung - auf amerikanisch. jm