Prozessorkonzept wird modifiziert Hewlett-Packard oeffnet Plattform fuer Microsoft-Betriebssystem NT

17.12.1993

MUENCHEN (CW) - Die Vermutungen, auch die Hewlett-Packard Company (HP) werde auf ihrer PA-RISC-Hardware Windows NT anbieten, haben sich bestaetigt. Das Unternehmen kuendigte an, die Prozessorarchitektur so zu modifizieren, dass sie in Zukunft auch das Microsoft-Betriebssystem unterstuetzt.

Die Precision-Architecture (PA) der HP-Prozessoren funktioniert - aehnlich wie Sun- oder IBM-Systeme - nach dem sogenannten Big- endian-Byte-Anordnungsverfahren.

Demgegenueber ordnen etwa DEC-, Motorola- und vor allem Intel- Rechner die einzelnen Bytes nach dem Little-endian-Format an. Dabei wird das niedrigstwertige Byte an der niedrigsten Adresse im Speicher abgelegt, das hoechstwertige an der hoechsten. Beim Big- endian-Verfahren geschieht dies in umgekehrter Folge, also in absteigender Reihung.

Um fuer einen moeglichen Markterfolg und -durchbruch von Windows NT gewappnet zu sein, hat sich HP entschlossen, seine RISC- Prozessoren fuer beide Arten der Datensatzaufbereitung fit zu machen. Peter Rosenbladt, Group Research and Development Manager von HPs Geschaeftsbereich Minicomputer und Workstations, kommentierte die partielle Neuausrichtung des Unternehmens mit dem Eingestaendnis, dass man "weder die Existenz von Windows NT ignorieren kann, noch dessen graduelle Evolution".

Im Januar 1994 wird HP die NT-Strategie eroertern

Da Microsoft das Hauptgeschaeft von NT im Segment der Intel-Rechner sieht, konzipierte die Gates-Company das Multitasking- Betriebssystem auch auf der Basis der Little-endian-Architektur. Mit Hewlett-Packard hat sich nun auch der letzte namhafte RISC- System-Anbieter auf die NT-Plattform verpflichtet. Sowohl die IBM als auch Sun (in Zusammenarbeit mit Intergraph), ebenso wie die Digital Equipment Corp. und Mips Technologies, unterstuetzen bereits NT. Darueber hinaus portiert Intergraph Windows NT auch auf die eigene Clipper-RISC-Architektur.

Rosenbladt wollte sich nicht zu einem Zeitplan aeussern, innerhalb dessen erste NT-konforme PA-RISC-Systeme zu erwarten seien. Er machte auch keine Angaben darueber, auf welchen HP-Rechnern der neue Zwitter- beziehungsweise Bi-endian-Chip erstmals eingesetzt werde.

Linley Gwennap, Redakteurin beim Newsletter "Microprocessor Report" des Prozessorgurus Michael Slater, hat allerdings darauf aufmerksam gemacht, dass HP schon auf der Herbst-Comdex in Las Vegas hinter dem Vorhang eine erste Workstation zeigte, auf der NT lief. Der Rechner arbeitete dabei mit einer modifizierten Version des 7100-LC-Prozessors. Gartner-Group-Analyst George Weiss glaubt, dass HP wahrscheinlich im ersten Monat des neuen Jahres Systeme mit dem Zwitterprozessor vorstellen wird.

Da die Kalifornier am 18. Januar 1994 in der Tat eine Grossankuendigung planen, entbehren diese Informationen nicht eines gewissen Grades an Wahrscheinlichkeit.

Eric Fisher, Analyst der Beratungsfirma Fisher Systems Consulting in Groton, Massachusetts, vertritt im uebrigen die Meinung, dass mit dem vermehrten Interesse HPs an NT fuer Anwender nicht zu befuerchten steht, dass die Company von Lew Platt damit ihren Unix- Usern den Ruecken kehrt. "Die wollen sich einfach zukuenftige Maerkte sichern." Eine Auffassung, die auch Bill Bluestein, Direktor der Abteilung Computing Strategy Research des Marktforschungsinstitutes Forrester Research, teilt: "NT wird den Workstation-Markt nicht im Sturm nehmen. Trotzdem will HP fuer alle Eventualitaeten geruestet sein."

Der Unix-Anbieter schlaegt mit seiner neuen Strategie uebrigens zwei Fliegen mit einer Klappe: Das Prozessorzwitterkonzept oeffnet naemlich nicht nur den Weg fuer das NT-Betriebssystem, sondern auch fuer OS/2, Chicago, Cairo und natuerlich DOS.