Kostenstellenrechnung und Budgetplanung bei der Deutschen Bahn

Planung und Controlling im D-Zug-Tempo

24.07.2006
Die Deutsche Bahn AG setzt schon seit 1998 die multidimensionale OLAP Datenbank TM1 von Applix als Auswertungs- und Analyseinstrument für das zentrale Konzerncontrolling ein. Die Umstellung auf die 64-Bit-Version hat die Leistungsfähigkeit jetzt deutlich verbessert. Mehr als 210 Millionen Einzelinformationen in einer Datenbank können jetzt konzernweit in Echtzeit analysiert werden.

Mittlerweile findet die OLAP-Technologie bei der DB in einer Vielzahl von Anwendungen in verschiedenen Unternehmensbereichen und Tochtergesellschaften Einsatz. Mehrere tausend Mitarbeiter nutzen TM1 für ihre tägliche Arbeit. Die Anwendungsbereiche reichen dabei vom Finanzreporting bis hin zu komplexen Planungsapplikationen.

Die Deutsche Bahn AG führt den seit der Bahnreformstufe I von 1994 privatwirtschaftlich strukturierten Konzern in Form einer Management-Holding. Seither wird das operative Geschäft in den selbständig agierenden Unternehmensbereichen Personenverkehr, Personenbahnhöfe, Güterverkehr und Fahrweg durchgeführt. Die Deutsche Bahn ist Europas größtes Verkehrsunternehmen mit einem Gesamtumsatz von 24 Mrd. Euro und mehr als 225 Tsd. Mitarbeitern.

Entsprechend der Konzerngröße stellen sich bei Planung und Controlling gewaltige Aufgaben. Insbesondere die Fachbereiche des zentralen Konzerncontrollings der DB stellten hohe Anforderungen an ein zentrales System. Die Daten der wichtigsten Konzernsysteme sollen auswertungsfähig einer großen Anzahl von Nutzern zentral zur Verfügung stehen. Die bestehenden Systeme zur Kostenstellenrechnung oder Finanzbuchhaltung waren für solche Analysezwecke zu unflexibel. Jeder neue Bericht musste umständlich neu programmiert werden. Spezielle ad-hoc Berichte für den des Vorstands oder anderer Fachbereiche waren nur mit großem Aufwand zu erfüllen.

Aus diesen Erfahrungen heraus formulierte der Fachbereich für die Entwicklung der Konzernsysteme (FCE)die Anforderungen an ein neues Analysesystem:

  • Verknüpfung mit Excel bis auf Zellebene

  • Zentrale Datenbasis („single point of truth“)

  • Darstellung aller Bahnstellen des Gesamtkonzerns

  • Integration aller betriebswirtschaftlich relevanten Konzernsysteme in einer multidimensionalen Datenbank

  • Performantes Antwortzeitverhalten

  • Echtzeitberechnung für Planungsaufgaben

  • Transparentes Datenmodell. (Betriebswirtschaftliche Anforderungen sind direkt in der Datenbank und ohne abstrakte Zwischenschichten nachvollziehbar)

  • Flexible Änderungsmöglichkeiten. Das Datenmodell kann ohne zusätzliche IT-Ressourcen an fachliche Änderungen angepasst werden.

  • Controllinggerechtes Datenbanksystem. Die Abbildung der fachlichen Anforderungen erfolgt innerhalb kurzer Reaktionszeiten. Kein starres Data Warehouse.

  • Skalierbarkeit des Datenmodells. Die Datenbank bleibt performant, ohne dass bei Änderungen der Datenbankstrukturen eine permanente Reorganisation durch Datenbankspezialisten notwendig wäre.

Weil sich Applix TM1 schon in unterschiedlichen Einsatzgebieten innerhalb des Konzerns bewährt hatte, lag es nahe, seine Tauglichkeit für das neue Analysesysten zu untersuchen. Die technische Machbarkeit und die Abbildung der Kostenstellenrechnung sollte zunächst anhand eines Prototyps durch die Fachabteilung überprüft werden.

Schon innerhalb der kurzen Pilotphase erwies sich, dass die OLAP-Datenbank alle Anforderungen nicht nur erfüllte, sondern in vielen Fällen sogar zusätzlichen Nutzen brachte. Die Tatsache etwa, dass der TM1-Server in der Lage war, SAP FI-Daten und die Daten des Kostenstellenrechnungssystems bis auf Kontenebene abzubilden, sowie das sehr gute Antwortzeitverhalten übertrafen die Erwartungen der Fachabteilung.

Es galt, den umfangreichen Kontenrahmen, zusätzliche Berichte, sowie einige tausend Kostenstellen auf Konzernebene inklusive interner Leistungsbeziehungen abzubilden. Besonders wichtig: Wartungsfreiheit des Systems. Dies bedeutet, dass sich Struktur- und Bewegungsdaten aus den liefernden Systemen ohne manuellen Eingriff täglich oder monatlich in die Datenbank integrieren lassen. Das TM1-Datenmodell leitet sich somit im Wesentlichen generisch aus den Konzernsystemen ab.

Eine zentrale Rolle übernimmt dabei das ETL-Tool TurboIntegrator - die Komponente des TM1-Servers, die für Datenintegrationsaufgaben zuständig ist. Ergänzt wird der TurboIntegrator um eine eigenprogrammierte Lösung auf Basis der TM1-Programmierschnittstelle (TM1 API). Diese Anwendung sorgt für einen zeit- und ereignisgesteuerten Workflow der Datenladeprozesse.

Im Jahr 2003 hatte das System auf dem eingesetzten Windows-Server die physikalische Speichergrenze von 3GB erreicht. TM1 ist ein hauptspeicherbasiertes System und verhält sich daher sehr ressourcenschonend, bei Benutzerabfragen werden nur jene Bereiche der Datenbank berechnet, die gerade angefordert werden. Die Tatsache aber, dass historische Daten über einen Zeitraum von mindestens 3 Jahren online zur Verfügung stehen sollten, machte den Umstieg auf eine leistungsfähigere Serverplattform nötig.

Mit der Verfügbarkeit von 64-Bit-Servern bedeutet der Hauptspeicher praktisch keine Einschränkung mehr. Das ursprüngliche Datenmodell, das 1999 auf einem handelsüblichen PC entwickelt wurde, existiert heute noch in nahezu unveränderter Form. Lediglich die Serverplattform wurde sukzessive erneuert. Dass auch der Umstieg auf den 64-Bit-Server ohne großen Migrationsaufwand möglich war, spricht für die Skalierbarkeit der OLAPLösung.

Fast 2.500 Kostenstellenverantwortliche und Controller nutzen heute das Systems. Dabei reicht die Bandbreite der Nutzung vom einfachen Aufrufen vordefinierter Excel-Standardberichte, die sich mittels Online-Anbindung zur TM1-Datenbank automatisch aktualisieren, über den Einsatz des „TM1-Cube-Viewers“ zur Analyse, bis hin zu eigendefinierten Excel-Berichten für Spezialauswertungen.

Die TM1-Datenbank ist kein starres Data Warehouse, sondern ein flexibles Controllingwerkzeug, das sich an neue fachliche Anforderungen leicht anpassen lässt. Zum Beispiel konnten innerhalb kurzer Zeit spezielle Dimensionshierarchien zur parallelen Darstellung der HGB- und IFRS-Kontenstruktur implementiert oder zusätzliche Eingabemöglichkeiten für Vorschauwerte geschaffen werden.

Obwohl die Datenmenge naturgemäß monatlich ansteigt, bleibt die Performance auf dem gleichen Level. Andreas Methner, TM1-Projektleiter der Fachabteilung für die Entwicklung der Konzernsysteme der Deutsche Bahn AG: „Die ohnehin schon sehr gute Berechnungsgeschwindigkeit bleibt trotz steigender Datenmenge und wachsender Anzahl von Dimensionselementen ohne Tuning-Maßnahmen stabil“.

Parallel zur Controlling-Datenbank entwickelte das TM1-Team eine Lösung, um das hostbasierte konzernweite Budgetierungssystem abzulösen. Das Mainframe-System war den steigenden Anforderungen der Fachabteilung nicht mehr gewachten, Budget-Änderungen der jeweilig neuen Planungsrunde konnten nicht mehr mit vertretbarem Aufwand im Hinblick auf Zeit und Kosten umgesetzt werden.

Das neue TM1-System ermöglicht nicht nur das direkte Schreiben in die Datenbank, sondern auch die Analyse dieser Änderungen in Echtzeit. Durch den hauptspeicherbasierten Berechnungsalgorithmus können beispielsweise die Auswirkungen auf die Gewinn und Verlustrechnung einer Planwerteingabe für ein Konto ohne Zeitverzug auf Konzernebene analysiert werden. Das erlaubt auch die Simulation verschiedener Planungszustände durch die einfache Änderung von Planungsparametern.

Die Budgetierungsdatenbank wurde mit einem analogen Dimensionsaufbau zur Controlling-Datenbank aufgesetzt. Dies vereinfacht die Administration erheblich, weil das Budgetierungssystem gleichsam eine Teil-Anwendung der zentralen TM1-Datenbank bildet. Praktisch bedeutet dies, dass die Dimensionen zentral aktualisiert und danach an die dezentralen TM1-Satellitennserver der Budgetierungsanwendung verteilt werden können.

Die Leistungsdaten sind gewaltig: Mehr als 28.000 Konten werden über 200 parallelen Hierarchien verdichtet. Insgesamt umfasst die Dimension fast 900.000 Elemente. Zeitbezogene Hierarchien werden zur alternativen Darstellung historischer und aktueller Strukturen verwendet. Daneben gibt es themenbezogene Hierarchien. 30.000 Bahnstellen ergeben in Kombination mit einer weiteren Dimension ca. 65.000 Kostenstellen und verdichten sich in mehr als 50 parallelen Hierarchien. Zurzeit beinhaltet diese Dimension 480.000 Elemente.

Umgesetzt wurde die Anwendung von der ITelligrate GmbH mit Sitz in Wiesbaden. Das Unternehmen ist auf Controlling- und Planungsapplikationen auf Basis Applix TM1, sowie mySAP ERP Financials und SAP BW spezialisiert. Schwerpunkt von Itelligrate: Durchgängige und maßgeschneiderte betriebliche Informationssysteme. DB-Teamleiter Methner jedenfalls ist zufrieden - und von der Applix TM1 OLAP-Technologie überzeugt: „Die Erkenntnisse des OLAP Survey, bezüglich der hervorragenden Performance der Datenbank sowie der kurzen Implementierungszeiten kann ich voll und ganz bestätigen. Mit einem vergleichsweise kleinen Team entwickeln wir eine im Wesentlichen durch die Fachabteilung gesteuerte Anwendung, die auf kostengünstigen Hardwareplattformen aufsetzt und dennoch konzernweit verfügbar ist“, fasst Methner das Projektergebnis zusammen.