PaaS-Angebote in der Aufbauphase

27.09.2012
Das Cloud-Servicemodell Platform as a Service (PaaS) ist für Entwickler attraktiv. Durch die Nutzung von Programmier- und Laufzeitumgebungen im Netz hoffen sie, schnell und zu geringen Kosten zu Ergebnissen zu kommen. Doch es gibt Risiken.

Die Vorteile des Cloud-Konzept sind mittlerweile bekannt. Server sind beliebig skalierbar, der Kunde zahlt nur für genutzte Dienste und spart sich eigene Investitionen in Hard- und Software. Daneben spielt die Geschwindigkeit eine entscheidende Rolle. So lassen sich Anwendungen in der Cloud oft schneller entwickeln und anbieten. Insbesondere mobile Applikationen profitieren davon.

Softwarehäusern fehlt noch die klare Strategie

Ein Cloud-Segment, das deshalb immer prominenter wird, ist "Platform as a Service" (PaaS). Laut Gartner-Analyst Yefim V. Natis haben seit 2011 alle großen Softwarehersteller eine Strategie für PaaS entworfen. "Das vergangene Jahr war entscheidend für den Markt, da viele Anbieter PaaS nun als Alternative zum traditionellen Middleware-Modell betrachten." Trotz dieser Einschätzung befindet sich der Markt noch in der Aufbauphase. Laut Natis sind bisherige Angebote häufig noch unausgereift. (Eine Übersicht wichtiger Anbieter findet sich auf den Seiten 14 bis 17.)

Vielen Softwareherstellern fehlt noch eine Strategie für den Umgang mit PaaS. "Diese Marktteilnehmer sollten sich bewusst werden, dass PaaS in den nächsten drei Jahren für den Erfolg eines Geschäftsmodells von entscheidender Bedeutung sein kann", betont Gartner-Mann Natis. Gleichzeitig werde sich das Angebot in den nächsten Jahren verändern. Für Anwenderunternehmen, die von PaaS profitieren wollen, stelle sich die Frage, wo der Markt hinsteuert und was sich eigentlich im Detail hinter dem Begriff verbirgt.

Unsicherheit bei Anwendern

PaaS ist neben Software und Infrastructure as a Service (SaaS und IaaS) eines von drei Servicemodellen im Cloud Computing (siehe Grafik Seite 13). Im Mittelpunkt steht die Ebene zwischen Systeminfrastruktur (Betriebssystem, Netzwerk, virtuelle Maschine, Speicher) und Anwendungsbereich. Eine PaaS-Infrastruktur beinhaltet laut Gartner in der Regel einen Applikations-Container (Server), Entwicklungs-Tools, ein Datenbank-Management-System, Middleware und eine Business-Process-Management-Suite.

Anders als SaaS- und IaaS-Angebote, die sich bereits auf dem Markt etabliert haben, ist PaaS noch in der Entwicklungsphase. So gibt es weder eindeutige Marktführer noch spezielle Standards bei der Programmierumgebung. "Nach wie vor ist für Unternehmen die Einführung von PaaS mit Unsicherheiten und Risiken verbunden", warnt Gartner-Analyst Natis.

Risiken durch Lock-in

Für einen vorsichtigen Umgang nennt Natis im Wesentlichen drei Gründe:

- Neuere Cloud-Anbieter nähmen PaaS-Services nur widerwillig in ihr Portfolio auf. Etablierte Anbieter wiederum böten meistens proprietäre Lösungen an und interpretierten PaaS als Vehikel, um ihre alten Architekturmodelle zu verkaufen.

- Da die meisten PaaS-Angebote noch in der Aufbauphase seien, so Natis weiter, gebe es bisher keine sicheren Verfahren für die Bereitstellung von PaaS in den Bereichen Integration, Anwendung und Business-Process-Management.

- Und schließlich fehle es noch an Plattformstandards für Programmierumgebungen. Unternehmen, die PaaS nutzen, liefern sich einem Anbieter aus. Entscheiden sie sich für dessen Plattform, lässt sich das nicht einfach rückgängig machen. Treten beim Anbieter Verfügbarkeitsprobleme auf oder nimmt er Änderungen am System vor, hat der Kunde hierauf keinen Einfluss.

Performance- und Kostenvorteile

Diesen vom Gartner-Analysten skizzierten Nachteilen stehen aber auch Vorteile entgegen:

- Unternehmen entwickeln auf Basis eines bereitgestellten Baukastens und müssen Probleme nicht selbst beheben.

- PaaS ist wie alle Cloud-Computing-Angebote skalierbar. Daraus ergeben sich Performance- und Kostenvorteile. Der Kunde muss sich nicht mehr um Hardware und Tools kümmern, es entstehen keine hohen Investitionskosten.

- Entwickler und Anwender erhalten durch das Internet einen universellen Zugang. Applikationen lassen sich einfach entwickeln und schnell vermarkten.

"Integration Platform as a Service"

Am Markt sind bereits einige Varianten des PaaS-Modells aufgetaucht. Ein Beispiel ist die Google App Engine, die auch als "Application Platform as a Service" (aPaaS) beschrieben wird. Sie dient zum Programmieren und Betreiben von Anwendungen. Daniel Sholler, Research Vice-President bei Gartner, prognostiziert allein für den aPaaS-Markt ein jährliches Wachstum von rund 30 Prozent. Hintergrund sei die wachsende Anzahl von Applikationen etwa für Mobilgeräte, die immer häufiger auf Cloud-Plattformen entwickelt werden.

Um verschiedene Cloud-Lösungen untereinander, aber auch mit vorhandenen On-Premise- und Legacy-Anwendungen integrieren zu können, sollen Entwickler künftig auch die Integrations-Middleware in der Cloud nutzen können. "Integration Platform as a Service" (iPaaS) lautet das Rezept, das die Abhängigkeit von einzelnen Cloud-Plattformen und das Entstehen von "Cloud-Silos" verhindern soll. Entsprechende Integrationsplattformen bieten Konnektoren für gängige SaaS- und Cloud-Services und sind idealerweise so gestaltet, dass sich schnell und individuell weitere Interfaces einrichten lassen. Zur Integrations-Engine kommen Management- und Monitoring-Tools und eine skalierbare Architektur, die das flexible Zu- und Abschalten von Ressourcen erlaubt.Philip Carter, Associate Vice President bei IDC European Software, zeigt sich allerdings skeptisch, was das bisherige Angebot betrifft. "Bisher sehe ich kein brauchbares Produkt auf dem Markt. Anbieter wie Microsoft, IBM und Oracle müssen hier nacharbeiten."

Weg in die Cloud geplant

Ungeachtet der Risikofaktoren hat jedes vierte befragte Unternehmen in der IDC-Studie "Cloud Computing in Deutschland 2012 - Evolution der Revolution" angegeben, dass es bereits Angebote rund um PaaS bezieht. Die Mehrzahl der Firmen (86 Prozent) hat sich auch schon mit einer Cloud Governance auseinandergesetzt, und ein Großteil der IT-Verantwortlichen (59 Prozent) hat Sicherheitsanalysen vorgenommen. "Security-Konzepte für Cloud Computing verlieren ihren taktischen Charakter und werden Bestandteil umfassender Vorgehensweisen zur IT-Sicherheit", prophezeit Matthias Zacher, Senior Consultant bei IDC, in der Studie.

PaaS auf Wachstumskurs

In diese Einschätzung fügt sich auch das Marktsegment PaaS. Anbieter wie auch Anwender entwickeln eine Strategie, um Plattform-Services zu nutzen. Die kommenden Jahre werden laut Gartner-Analyst Natis durch ein deutliches Wachstum gekennzeichnet sein. Zudem prognostiziert der Marktforscher, dass alle großen Softwareanbieter bis 2014 marktreife PaaS-Produkte haben. "Der Wettbewerb unter den PaaS-Anbietern führt in den nächsten drei Jahren zu neuen Standards und Marktführern", ist sich Natis sicher.

Laut IDC hat sich in den vergangenen vier Jahren die Anzahl von Plattform-Services bereits mehr als verfünffacht. "Wir sollten hierbei nicht vergessen, dass PaaS auf niedrigem Niveau gestartet ist", gibt IDC-Marktforscher Carter zu bedenken. "Das Wachstum sagt daher wenig darüber aus, wie ausgereift die Angebote sind." Dennoch sieht er Platform as a Service auf einem guten Weg. "Am Ende überwiegen die Vorteile des Cloud-Modells. Die Unternehmen wollen Kosten senken und Anwendungen schneller in Betrieb nehmen."

Von Tobias Wendehost