Outsourcing ist nur die halbe Miete

04.06.2003
Von 
Riem Sarsam war Redakteurin des CIO-Magazins.

Um sich nicht zu verzetteln, sollten für jeden einzelnen Bereich Leistungspakete - etwa für die Themen PC-Support, Desktop-Anwendungen oder LAN beziehungsweise WAN - geschnürt werden. Darin werden Zugangsberechtigungen, User-Zahl und Fragen der momentan und künftig benötigten Kapazitäten wie beispielsweise Speicherplatz gebündelt. Dies geschieht nicht zuletzt auch mit Blick auf die später zu formulierende Angebotserstellung, denn mit den einzelnen Bereichen werden sowohl die Prozesse selbst diskutiert als auch die damit zusammenhängenden Wünsche und Notwendigkeiten - und nicht zuletzt die Preise, die man bereit wäre, dafür zu zahlen.

Dies kann konkret bedeuten: Was verlangt der R/3-Anwender von seinem System, und wie viel ist ihm die Erfüllung seiner Wünsche wert? Will er seine Daten auch in Excel übertragen können? Braucht er eine Ausfallsicherheit rund um die Uhr?, Wie wichtig ist es, dass die Anwendung ständig auf dem neuesten Stand ist?

Die Erstellung dieser Liste ist je nach Komplexität des Systems lang und mühsam, doch unter Experten herrscht Einigkeit darüber, dass sich schludrige Vorarbeiten später rächen. „Je mehr Zeit Sie in die Anforderungsanalyse investieren, um so weniger Kopfschmerzen tauchen im Nachhinein auf“, riet auch Thomas Ruppelt, der sich an einem vorangegangenen Projekt bereits die Finger verbrannt hatte und am Ende mit zu hohen Kosten und zu wenig Leistung seines Outsourcing-Partners kämpfen musste. In seinem zweiten Anlauf hatte sich der CIO der Berliner Börse mehr als drei Monate mit den vorbereitenden Fragen beschäftigt, bevor er das Angebot für den externen Betrieb der Website und des Portals erstellte.

Erwartungen formulieren

Auch Tepker, der von den Vorbereitungen für die Auslagerung der SAP R/3-Systeme berichtete, konnte seine Arbeit auf vorhergehende Erfahrungen stützen. Sein Unternehmen formulierte bereits zum zweiten Mal eine entsprechende Ausschreibung. Oberstes Ziel sollte der störungsfreie Betrieb der Systeme plus einem umfassenden Basissupport von Seiten des Dienstleisters sein. Weil in der Vergangenheit die kurzfristige Bereitstellung optionaler Leistungen nicht funktioniert hatte - „da haben wir oft lange warten müssen“, klagte Tepker - kam auch dieser Punkt auf die Liste der Erwartungen, die der Outsourcer zu erfüllen hat. Daneben ging es um die Formulierung der Sicherheitsanforderungen, die Absicherung für den Katastrophenfall sowie Möglichkeiten der Haftung, wenn der Vertrag nicht erfüllt werden sollte.

Anschließend wurden die Erwartungen auf einzelne Details heruntergebrochen und nach drei Aspekten gegliedert. Für fachinhaltliche Anforderungen wie Verfügbarkeiten, Antwort- und Reaktionszeiten oder die zukünftige Entwicklung der Anwender waren die Vertreter der einzelnen Geschäftsbereiche zuständig. Die technischen Aspekte daraus abzuleiten, also Hard- und Softwarefragen, der Betrieb des Rechenzentrums oder die Netzanbindung, gehörte zum Aufgabenbereich der Informationstechniker. Sie mussten außerdem den dritten Bereich, die kaufmännischen und juristischen Kriterien sowie Anforderungen an die Sicherheitsstandards, berücksichtigen. Diese wurden von Fachleuten aus dem Einkauf, den Anwälten sowie dem konzereigenen Security-Manager zusammengestellt.

Alles muss rein

Für das jetzt folgende Pflichtenheft oder - je nach Perspektive - die Angebotserstellung folgte Tepker der eisernen Maxime: „Alles muss rein.“ Je konkreter das Angebot abgefasst ist, desto einfacher lässt sich später der Vertrag gestalten. Neben der Darstellung der aktuellen Ist-Situation sollte auch die erwartete Entwicklung der User-Zahlen und Datenbankgröße über die gesamte Vertragslaufzeit aufgenommen werden. Diese Werte seien keineswegs in Stein gemeißelt, so Tepker, als Richtschnur für die künftige Entwicklung spielten sie jedoch eine ebenso wichtige Rolle wie die Skizzierung der Szenarien, falls Prozesse nicht wie erwartet abliefen. Ein weiterer Punkt, der gerne vernachlässigt wird, aber keineswegs trivial ist, war laut Tepker die Zusammenlegung der Definition und Erläuterung verwendeter Begrifflichkeiten an einer Stelle des Vertrags. Hier konnte er von der Erfahrung des ersten Outsourcing-Vertrages profitieren, wo dies nicht geschehen war, was die Diskussionen zwischen Auftraggeber und Outsourcer erheblich kompliziert hatte.

Dass trotz aller Sorgfalt in der Vorbereitung später in der praktischen Arbeit mit dem Dienstleister Wunsch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, steht für Meta-Group-Consultant Rogers außer Frage: „Kompromisse muss man immer eingehen.“ Dennoch: Die Chancen, dass die Kluft zu überwinden ist, dürften mit einer gründlichen Vorarbeit kräftig steigen.