Anwender schildern ihre Erfahrung

Outsourcing: Ein Anbieter für alles?

04.10.2002
DÜSSELDORF (jha) - Outsourcing scheint sich derzeit zur Allzweckwaffe gegen sämtliche IT-Probleme zu entwickeln: Kostensenkung und -transparenz, Standardisierung der IT, Qualitätsverbesserung, Flexibilität - alles wird besser, so die Versprechen der Anbieter. Anwender, deren IT-Systeme bereits ausgelagert wurden, relativieren: Erst nach einem enormen Kraftakt wird einiges besser, so die Erfahrung.

Konjunktur hat derzeit nur ein Thema: Sparen, und das scheint im IT-Bereich derzeit gleichbedeutend zu sein mit dem Outsourcing. Tatsächlich berichteten auf der von der TÜV-Akademie Rheinland in Düsseldorf veranstalteten Konferenz "IT-Outsourcing" einige Anwender von Effekten, die zur Kostensenkung geführt haben. Der Heiztechnikkonzern Vaillant konnte nach einem umfangreichen Outsourcing-Projekt seine IT-Arbeitsplatzkosten um 31 Prozent vermindern. Lufthansa Cargo verzeichnete beim IT-Budget Einsparungen von 15 Prozent. Das sind Zahlen, von denen jeder Finanzvorstand und Controller träumt.

Im Falle des Luftfrachtkonzerns Lufthansa Cargo wurde aber auch eine aktuell weitgehend standardisierte mit einer vormals unaufgeräumten IT-Umgebung verglichen. Vor dem Outsourcing-Projekt fanden sich im Haus beispielsweise 13 verschiedene Hardwarehersteller, nahezu alle verfügbaren Betriebssysteme, mehr als 2000 Applikationen sowie Verkabelungsinstallationen der letzten 15 Jahre. "Alles in allem unterhielten wir einen bunten Zoo", beschrieb Ricardo Diaz Rohr, CIO bei der Lufthansa Cargo AG in Frankfurt am Main, die damalige Situation. Heute sind noch rund 200 Applikationen im Einsatz.

Auch bei Vaillant förderte die Klärung der Ist-Situation einiges Erstaunliche ans Tageslicht: "Da wurden sogar Verbrauchsgüter als IT-Kosten deklariert", wunderte sich damals Klaus Scheid, IT-Leiter bei der Vaicon Vaillant Consulting GmbH, Remscheid. Auch Vaicon, das 1996 als IT-Beratungsunternehmen ausgegründet wurde, entschloss sich 1999 zu einem Schnitt und formulierte ein ehrgeiziges Ziel: Die Kosten pro Arbeitsplatz müssen um 30 Prozent runter. Auf dem Weg dorthin einigte man sich auf drei Standards, und zwar für den Grund-, SAP- und CAD-Arbeitsplatz. "Wir haben den Mitarbeitern viel genommen, denn sie waren es gewohnt, sich einen individuellen PC zusammenzustellen. Aber die Standardisierung ist ein Schlüsselfaktor zum Outsourcing-Erfolg", erläuterte Scheid. Letztlich wurde bis auf die Applikationen alles - vom PC über LAN und WAN bis hin zur Server-Infrastruktur - einem Dienstleister übergeben.

Vaillant hat sich ebenso wie Lufthansa Cargo dazu entschlossen, mit nur einem Outsourcing-Partner zusammenzuarbeiten, um den Koordinationsaufwand in Grenzen zu halten. Lufthansa Cargo und Partner verpflichteten zudem ein drittes Unternehmen, das regelmäßig Benchmarks vornimmt, deren Ergebnisse für beide Parteien verpflichtend sind. "Man braucht ein Drohpotenzial", riet Diaz Rohr, "Das Größenverhältnis muss stimmen."

Zudem wollte Lufthansa Cargo einen Partner, bei dem der Frachtdienstleister auch Aufmerksamkeit genießt. "Daher wäre beispielsweise eine Entscheidung für IBM in unserem Fall falsch gewesen", erläutert der CIO. Exklusiver IT-Dienstleister ist nun die Schwestergesellschaft LH Systems. Das hat verschiedene Vorteile: Der Partner kennt das Luftfahrtgeschäft, und über den Aufsichtsrat hat der Auftraggeber Einfluss auf den Auftragnehmer.

Herausforderungen lauern dort, wo der IT-Dienstleister keine eigenen Kompetenzen aufweist. Hier setzt Diaz Rohr auf Partnering-Modelle, das heißt, es werden Drittanbieter hinzugezogen. Deren Dienste fließen wiederum in das von der LH Systems gelieferte Gesamtpaket ein.

Für Vaillant und Lufthansa Cargo erwies sich das Projekt als Kraftakt: Der Betriebsübergang der Mitarbeiter wurde beispielsweise von sehr vielen Emotionen begleitet und gestaltete sich länger und aufwändiger als erwartet. Auch in einigen Fachabteilungen und Geschäftbereichen gab es Vorbehalte, die sich zum Teil bis heute nicht ausräumen ließen. Lufthansa Cargo verzeichnete zudem über sechs Monate hinweg Leistungseinbußen bei der Betriebsqualität. Zudem hatten sich viele Dinge zwischen Vertragsunterzeichnung und Rollout geändert, oder die gelieferten Lösungen entsprachen nicht den Anforderungen der Kunden.

Vielleicht schrecken viele Anwender aufgrund solcher Szenarien davor zurück, ihre komplette IT samt Mitarbeitern einem Dritten zu übergeben. Immerhin hat die Meta Group in einer kürzlich veröffentlichten Studie herausgefunden, dass zwei Drittel der interessierten Unternehmen das selektive Outsouring bevorzugen. Zu dieser Mehrheit dürfte mittlerweile auch Udo Ludwig gehören, bis Juli dieses Jahres noch Europa-CIO bei Dupont. Er gestaltete die Übergabe der Dupont-IT an CSC und Accenture im Jahr 1997 maßgeblich mit. Zwei Partner waren damals nicht gewünscht, aber erforderlich: CSC wurde für den Betrieb der Infrastruktur gewählt, Accenture oblag der Betrieb der Branchenanwendungen. "CSC tut, was der Kunde will. Accenture provoziert und initiiert Neues. Beides braucht man", charakterisierte Ludwig die IT-Dienstleister.

Aus heutiger Sicht würde der ehemalige CIO einiges anders machen: So wurden etwa Service-Level-Agreements abgeschlossen, die dazu führten, dass die Dienstleister pro Monat 200000 Service-Levels dokumentieren und dem Auftraggeber weiterleiten. Zudem schlossen die Partner einen Vertrag mit zehnjähriger Laufzeit - ein viel zu langer Zeitraum, so Ludwig heute: "Wir haben damals Voraussagen zu den Entwicklungen bei MVS, Windows NT und Unix gemacht, die sich als absolut falsch erwiesen haben. Das muss nun alles neu verhandelt werden." Doch am wichtigsten erscheint es dem Ex-CIO aus heutiger Sicht, die IT verschiedenen Outsourcern zu übergeben: "Damit ist man flexibler.". Dupont praktiziert dies bereits nach und nach. Den damals verpflichteten Partnern wurden zwar keine Leistungspakete genommen, doch bei Neuaufträgen kamen andere Provider zum Zuge, so dass der Konzern mittlerweile rund 30 Partnerschaften unterhält.

"Make the elephant eatable" lautet dann auch die Strategie von Harald Bahmann, Leiter Infrastruktur bei der Aventis Pharma GmbH, Frankfurt am Main. Der Chemiekonzern zerlegt seine IT in funktionale Blöcke und übergibt den Betrieb unterschiedlichen IT-Dienstleistern. Praktiziert wird diese Vorgehensweise beispielsweise beim Betrieb des Data-Center und der Netze (LAN und WAN) sowie beim First- und Second-Level-Support. "So lassen sich starke Partner dort einsetzen, wo man selbst Schwächen aufweist", erläutert Bahmann.

Der Infrastruktur-Manager erwartet durch diese Vorgehensweise auch nicht mehr, sondern weniger Komplexität, weil etwa die Anbieterauswahl gezielter getroffen werden kann, die Preisgestaltung einfacher fällt sowie nur kleine überschaubare Einheiten transferiert werden. Das alles führt letzten Endes auch dazu, dass sich ein Provider-Wechsel leichter gestaltet.

Abb: Marktentwicklung in Deutschland

Komplettes Outsourcing ist out. Anwender bevorzugen die selektive Auslagerung des Applikations- und Infrastruktur-Betriebs, des Managements der IT-Systeme sowie der Geschäftsprozesse. Quelle: Meta Group