Oracleware als gemeinsame Advanced-Server-Loesung Novell gewinnt auch Oracle fuer eine Allianz gegen Windows NT

25.06.1993

LONDON (gh) - Die Geschichte von Kooperationen in der DV-Branche ist um ein weiteres, nicht unbedeutendes Kapitel ergaenzt worden. LAN-Marktfuehrer Novell will nun auch mit dem Datenbankspezialisten Oracle engere Bande knuepfen und eine gemeinsame Bastion gegen Microsofts Windows NT bilden. So soll bereits im Herbst mit "Oracleware" ein Produkt auf den Markt kommen, das die LAN- Betriebssysteme Netware beziehungsweise Unixware und das Datenbank-Management-System Oracle 7 in einem Paket integriert.

"Der Markt hat nach einer gemeinsamen Loesung beider fuehrender Hersteller verlangt", gab Greg Fallon, Vice-President Novell Europe, Middle East and Africa, vor der europaeischen Fachpresse in London als Motiv fuer die Elefantenhochzeit der zwei Softwareriesen an. Das Abkommen zwischen dem LAN-Primus aus Provo und dem kalifornischen Marktfuehrer in Sachen relationale Datenbanken wurde zwar nicht als Joint-venture deklariert, sieht aber neben der Entwicklung auch eine gemeinsame Vertriebs- und Supportstrategie fuer Oracleware vor.

Mehr als drei Jahre haben beide Companies an der Integrationsloesung getueftelt, um, wie es hiess, eine leicht installier- und skalierbare Umgebung fuer Datenbank- beziehungsweise LAN-basierte Client-Server-Anwendungen in Corporate Networks zu entwickeln. Ergebnis der Bemuehungen ist, wie Geoff Squire, Chief Executive Oracle Europe, betonte, mit Oracleware eine Konzeption, die dem gewandelten DV-Verstaendnis bei den Grossanwendern Rechnung trage und eine Bandbreite von Applikationen abdecke, "die von einem einzigen Hersteller mit einer isolierten Loesung heutzutage nicht mehr gewaehrleistet werden kann".

Spaetestens im September sollen nach den Plaenen beider Hersteller als erste Oracleware-Editions jeweils ein Bundle von Netware 3.x beziehungsweise Unixware mit dem relationalen Datenbank- Management-System (RDBMS) Oracle 7 und Oracle Office, einer neuen Multiserverfaehigen Workgroup-Software mit E-Mail- und Calendaring- Features, auf den Markt kommen. Im ersten Quartal 1994 wird es dann auch eine Oracleware-Version mit Netware 4.0 inklusive der neuen Directory- Services geben und voraussichtlich ab Mitte naechsten Jahres ein Paket mit einem Symmetric-Multiprozessor- faehigen (SMPUnixware-Release.

Was die in ihrem jeweiligen Marktsegment unangefochtenen Branchengroessen hier als gemeinsame Enterprise-Networking-Strategie formuliert haben, liest sich - zumindest von der Papierform her - recht beeindruckend.

Immerhin werden die in Oracleware zusammengefassten Networking-, Datenbank- und Messaging-Services nach Angaben beider Firmen Workgroups beziehungsweise LANs jeglicher Groessenordnung auf einem einzigen Server verwalten koennen, waehrend gleichzeitig die Kommunikation mit anderen Workgroup-Servern moeglich ist und dadurch letztlich unternehmensweite Applikationen realisiert werden koennen. Hinzu kommen die im Bundle mit Netware 4.0 zur Verfuegung stehenden Directory-Services sowie die Unterstuetzung von System-Management-Loesungen wie Novells Netware Management System (NMS) und anderen SNMP-basierten Management-Plattformen.

Mit ihrer Advanced-Server-Konzeption wollen die beiden Marktfuehrer nach Ansicht von Analysten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen koennte Oracleware als Tueroeffner fuer die bis dato doch recht unterschiedlichen Marktsegmente des jeweils anderen Partners fungieren; zum anderen gilt es, mit Microsoft einen missliebigen Wettbewerber abzuwehren, der mit Windows NT mit aller Macht in den Advanced-Server-Markt draengt - dies um so mehr, da sich die Gates-Company entschlossen hat, Windows NT mit dem SQL-Server des Oracle-Konkurrenten Sybase auszuliefern. "Oracleware ist eine gute Antwort auf Microsofts Angebot mit Windows NT", hiess hierzu das lapidare Statement von Oracles Europa-Chef Squire, waehrend sich ansonsten die Repraesentanten beider Companies in fast schon demonstrativer Zurueckhaltung uebten.

Abzuwarten bleibt jedoch, wie sich die neue Konstellation am Markt duchsetzen wird. Immerhin schaetzen, so die vorherrschende Meinung unter Experten, die meisten Netware-Anwender die bis dato unangefochtene Wahlfreiheit bei der Datenbankanbindung in Form unterschiedlicher Netware Loadable Modules (NLMs) - trotz vereinzelter Kritik an den NLM-Features im Zusammenhang mit Netware 4.0. Ein gewisses Mass an Unsicherheit beziehungsweise notwendiger Umorientierung koennte sich denn auch in absehbarer Zeit bei den diversen NLM-Produzenten, vor allen Dingen Gupta, auswirken, was den Markt fuer Datenbank-Management-Software insgesamt in Bewegung bringen duerfte.

Unabhaengig davon wollen beide Hersteller auch beim Marketing und Support fuer die Oracleware-Produktlinie eng zusammenarbeiten. Bereits im Juli soll mit der Schulung und Autorisierung der jeweiligen Wiederverkaeufer begonnen werden. Oracleware-Anwender werden es dann mit einem "Single Point of Contact" zu tun haben, einer von beiden Firmen eingerichteten gemeinsamen Support- Hotline, die in mehr als 92 Laendern rund um die Uhr zur Verfuegung stehen soll. Was Oracleware kostet, wollen beide Anbieter erst bei der Auslieferung der jeweiligen Editions bekanntgeben, die Preise werden sich allerdings, wie es bei der Ankuendigung hiess, an den Lizenzgebuehren in den einzelnen Oracleware-Paketen enthaltenen Komponenten orientieren.