Oracle lüftet Schleier über Fusion-Plänen

15.11.2005
Nach und nach sickern immer mehr Details zu Oracles "Project Fusion" durch. Die Kunden verlangen jedoch weitere Informationen über die künftige Service-orientierte Anwendungsarchitektur.
Nachdem sich 2004 nur zwölf Prozent der von der Doag befragten Anwender kritisch zur Supportqualität geäußert hatten, waren es im laufenden Jahr 20 Prozent.
Nachdem sich 2004 nur zwölf Prozent der von der Doag befragten Anwender kritisch zur Supportqualität geäußert hatten, waren es im laufenden Jahr 20 Prozent.

Wir vermissen zurzeit klare Aussagen zur Produktstrategie", kritisiert Peter Mischok, Managing Director der Igepa IT Service GmbH und J.D.-Edwards-Anwender, anlässlich der "Dritten Deutschen Oracle Business Software Anwenderkonferenz", die am 9. und 10. November in Mannheim stattfand. Die Kunden der von Oracle übernommenen Softwareanbieter, darunter Peoplesoft mit seinem eigenen Kauf J.D. Edwards, müssten erst noch Vertrauen entwickeln. Dafür sei erforderlich, dass die Oracle-Verantwortlichen klare Botschaften an den Markt richteten. Ansonsten würden Unternehmen geplante Projekte im Oracle-Umfeld so weit wie möglich hinauszögern.

Rolf Schwirz: "Vor uns liegt ein hartes Stück Arbeit"

CW: Wie wird aus Ihrer Sicht die Reise in die neue SOA-Landschaft aussehen?

SCHWIRZ: Ich bin lange genug in dem Geschäft, um sagen zu können: Das wird kein bloßes Upgrade sein. Dieser Schritt bedeutet einen Wechsel in eine neue Welt. Fusion wird ein ganz neues Produkt mit einem zentralen Datenmodell, Grid Computing und einer offenen Middleware. Es wird auch neue Komponenten geben wie die Business Process Execution Language (BPEL) und den Business Activity Manager (BAM), die schon im kommenden Jahr für bestimmte Produkte zur Verfügung stehen sollen. Damit können die Kunden bereits anfangen, in Richtung SOA zu arbeiten.

CW: In Ihrer Kundenbasis gibt es einige Unruhe.

SCHWIRZ: Das ist nicht zu leugnen, aber normal. Mittlerweile hat sich mit unseren Supportzusagen für die bestehenden Softwarelinien die Situation so weit beruhigt, dass wir kontinuierlich weiterarbeiten können. Es gibt eine Strategie und ein Konzept von Oracle. Außerdem sagen wir nicht, es ginge alles ganz leicht. Wir behaupten nicht, der Kunde brauche nur ein paar Tools, die über Nacht liefen, und schon sei er in der neuen Softwarewelt. Für uns gilt es jetzt, unsere Vision wahr zu machen. Das ist ein hartes Stück Arbeit, das da vor uns liegt.

CW: Wie kommt dieses Bekenntnis bei den Kunden an?

SCHWIRZ: Das kommt gut an. Ich möchte unsere Antworten möglichst schnell verbreiten. Unsere Konkurrenten versuchen derzeit natürlich massiv, unsere Kunden abzuwerben. Das meine ich nicht negativ. Im umgekehrten Fall würden wir dasselbe tun. Das ist jedoch eine Herausforderung für uns, der wir uns stellen müssen.

Das komplette Interview mit Rolf Schwirz lesen Sie auf www.computerwoche.de.

Details zu Fusion

Bis Anfang 2006 will Oracle seinen Kunden White Papers zum Umstieg auf seine Service-orientierte Architektur "Fusion" bieten. Anwender können ab Oracles "E-Business-Suite 11i.10", Peoplesofts "Enterprise 8.9" sowie "EnterpriseOne 8.11" und "World A7.3.15/ A8.1.6" jeweils von J.D. Edwards direkt auf Fusion wechseln. Das Upgrade soll es im Rahmen der üblichen Wartung geben. Oracles SOA-Version liegt die eigene Fusion-Middleware zugrunde. Anwender erhalten damit Entwicklungs-Tools sowie Werkzeuge, um Web-Services auf Basis der Business Process Execution Language (BPEL) zu orchestrieren. Weiter beinhaltet die Middleware Grid-Funktionen, einen Enterprise Service Bus (ESB) sowie Funktionen, um Prozesse zu überwachen, beispielsweise durch den Business Activity Manager (BAM). Oracles Integrationsplattform lässt sich mit Middleware-Komponenten anderer Hersteller kombinieren (hot plugable). Fusion basiert auf einem einheitlichen Datenmodell. Data Hubs sorgen für eine konsistente Datenhaltung. Ab 2007 sind diese Data Hubs und erste Fusion-Komponenten wie BAM für einzelne Anwendungen verfügbar. Ab 2008 gibt es die erste komplette Fusion-Applikationssuite.

Hier lesen Sie …

• warum die Oracle-Anwender noch skeptisch in Sachen Fusion sind;

• wie Oracle seinen Kunden den Weg zur neuen Anwendungsarchitektur ebnen will;

• wie Oracle Fusion auf der Basis von Datenbank und Middleware aufbaut.

"Es dauert sehr lange, bis man vernünftige und belastbare Informationen zum Project Fusion bekommt", ergänzt Frank Schönthaler, Sprecher der E-Business-Suite-Anwender im Rahmen der Deutschen Oracle Anwendergruppe (Doag). Zwar hätten Oracles Applications-Anwender die zahlreichen Übernahmen der vergangenen Monate größtenteils positiv aufgenommen. Mittlerweile sei dies jedoch einer gewissen Verunsicherung gewichen. Kunden fragten sich, welche Produkte Bestand hätten oder wie die Migrationsaufwände in Richtung Fusion aussähen. "Hier ist sicher noch viel Aufklärungsarbeit seitens Oracles erforderlich."

Anwender sind unruhig

Oracles Deutschland-Chef Rolf Schwirz räumt ein, dass es in den vergangenen Monaten einige Unruhe unter den Anwendern gegeben hat. Nach den ersten Informationen zu Fusion im Frühjahr 2005 sei lange Zeit nichts nachgekommen. Oracle habe jedoch unvermindert an seiner Architektur weitergearbeitet, versichert Schwirz. "Wenn man nicht nur eine Marketing-Show abliefern will, muss man an der einen oder anderen Stelle auch einmal ins Detail gehen."

So hat Oracle beispielsweise sein Supportmodell für alle Produktlinien vereinheitlicht. In den ersten fünf Jahren gilt der "Premier Support". Dafür verlangt Oracle jährlich 22 Prozent des Listenlizenzpreises an Wartungsgebühren. In den drei darauf folgenden Jahren bietet der Hersteller "Extended Support" an. Hierbei wird im sechsten Jahr ein Aufschlag von zehn Prozent auf die Wartungsgebühren der Premier-Phase fällig. Dieser Anteil steigt in den Jahren sieben und acht auf 20 Prozent der ursprünglichen Wartungsforderungen. Ab dem neunten Jahr gilt unlimitiert der "Sustaining Support". Dafür verlangt Oracle wieder die Basisgebühr von 22 Prozent. Allerdings werden die Produkte nun nicht mehr weiterentwickelt. Anwender erhalten jedoch telefonische Unterstützung und Patches für ihr Produkt.

Es sei wichtig, den Kunden Sicherheit für ihre bestehenden Applikationen zu bieten, betont Schwirz. Der Umstieg von monolithisch aufgebauten Softwareblöcken auf eine Web-Services-Architektur komme einem Paradigmenwechsel gleich, der sich nicht von heute auf morgen bewerkstelligen lasse: "Wir werden von unseren Kunden keinen Big Bang verlangen."

Oracle will Investitionen sichern

Die neue Service-orientierte Architektur biete zudem eine schrittweise Migration an. Kunden erhielten die künftigen Fusion-Module als Upgrade im Rahmen der gewöhnlichen Wartung. Damit sollen Anwender, die sich für Oracle entscheiden, Investitionssicherheit erhalten.

Oracle setzt bei der Entwicklung seiner Service-orientierten Architektur in erster Linie auf seine Infrastruktur rund um Middleware und Datenbank. Als Basis, um Web-Services zu entwickeln und zu orchestrieren sowie mit Daten zu versorgen und zu überwachen, positioniert der Datenbankspezialist seine Fusion-Middleware. Diese ist Oracle-Angaben zufolge "hot plugable" und lässt sich mit Middleware-Komponenten und Applikationen anderer Hersteller verbinden, so weit sich diese auch an die Standards halten. Über 26000 Kunden setzen bereits Oracles Middleware-Suite ein, berichtet Andrew Sutherland, Vice President Technology des Unternehmens. Nach einem Umsatz von rund 830 Millionen Dollar im vergangenen Geschäftsjahr peilen die Verantwortlichen für das laufende Fiskaljahr Einnahmen von rund einer Milliarde Dollar mit den Middleware-Produkten an.

Kampfansage an MySQL

Auch im Datenbankgeschäft will Oracle seine Kundenbasis ausbauen. Anfang kommenden Jahres soll mit der "10g Express Edition" eine kostenfreie Datenbank herauskommen, die Anwender auch produktiv einsetzen dürfen. Das Release setzt Oracle zufolge funktional keine Einschränkungen. Lediglich durch die Infrastruktur ist der Einsatz limitiert. Demnach können maximal 4 Gigabyte an Daten verwaltet werden. Die Datenbank ist ferner auf 32-Bit-Systeme unter Windows oder Linux beschränkt. Zudem kann die Express Edition maximal eine CPU und 1 Gigabyte Arbeitsspeicher nutzen.

Support wird Oracle für seine frei verfügbare Datenbank nicht bieten. Allerdings könnten Anwender über die Online-Community "Oracle Technology Network" (OTN) Unterstützung erhalten. Das sei eine Kampfansage an Angebote wie die Open-Source-Software "MySQL", hieß es von Seiten Oracles.

Oracle besitze mit seinem Stack rund um Datenbank, Middleware und Applikationen die umfangreichste Softwarebibliothek am Markt, gibt sich das Management selbstbewusst. Allerdings tut sich das Unternehmen im Applications-Bereich gerade in Deutschland weiter schwer.

Doag fordert Mitwirkung

Michael Huchler, Applications Director von Oracle in Europa, forderte die Anwender deshalb auf, sich aktiv in die Entwicklung von Fusion einzubringen. Oracle wolle sich daran orientieren, was die Nutzer wünschten. Auch Fried Saacke, Vorsitzender der Doag, hofft, dass die Anwenderwünsche bei der Fusion-Entwicklung berücksichtigt werden. In der Vergangenheit sei es immer wieder gelungen, Nutzerinteressen hinsichtlich Support-, Lizenz- und Preisfragen durchzusetzen. Allerdings habe es die Doag noch nicht geschafft, viele Peoplesoft- und J.D.-Edwards-Anwender auf die Doag-Konferenz zu locken.