Anwender bezweifeln Nutzen der Komponententechnik

Opendoc-Versionen fuer OS/2 und Macintosh rufen Kritiken hervor

22.03.1996

Nach mehrfachen Verschiebungen - eine erste Auslieferung war urspruenglich fuer den Herbst 1994 vorgesehen - scheint nun endlich die Zeit fuer Opendoc gekommen, sich mit Microsofts Object Linking and Embedding (OLE) messen zu koennen. Opendoc soll die Nutzung von Compound Documents ueber die Grenzen heterogener Rechnerwelten hinweg erlauben. Waehrend Apple das Macintosh-Release seit November 1995 bereits an 100000 Kunden geliefert haben will, plant die IBM, der OS/2-Version im Juni dieses Jahres gruenes Licht zu erteilen. Unterdessen arbeitet Big Blue noch immer an einer 32-Bit-Variante fuer Windows sowie an einer Ausfuehrung fuer das Unix-Derivat AIX.

Ausgewaehlte Entwickler, die die Version 1.0 der Komponententechnologie fuer OS/2 bereits fruehzeitig unter die Lupe nehmen konnten, sind allerdings enttaeuscht. Der Code ist instabil, so die Erfahrung erster Tester. Ebenso lasse eine implementierte Komponente zu wuenschen uebrig, mit der sich neue Opendoc-Module aus bereits erstellten Teilen generieren lassen sollten. "Nach professionellem Massstab gleicht der Code der Version 1.0 eher einer ersten Beta", so ein OS/2- und Opendoc-Entwickler. Andere Pioniere wiederum bemaengeln die mangelhafte Geschwindigkeit des Produkts.

<H4>IBM startet eine Rueckrufaktion</H4>

Offensichtlich sind der IBM derartige Schwaechen bereits bekannt. Nachdem Big Blue eine Version von Opendoc in ein sogenanntes "Fix- Pak 16" fuer OS/2 integriert hatte, musste kurz darauf eine Rueckrufaktion gestartet werden. "Das Fix-Pak funktioniert mit dem "Visual Builder" von Visual Age schlichtweg nicht. Es wurde nicht ausreichend getestet", so ein Entwickler.

Ebenso klagen Benutzer der Mac-Variante, die demnaechst in die Version 7.5.3 des Macintosh-Betriebssystems eingebunden werden soll: Apple und IBM bieten nicht das, so die Meinung mancher Vorreiter, was fuer die effektive Entwicklung individueller Applikationen benoetigt wird. "Unternehmen brauchen eine Loesung, mit der sich Tabellenkalkulationen, Textverarbeitungen, Datenbanken und Grafiken untereinander verstehen", fordert Peter Jackson, Projekt-Manager der U.S. Army Corps of Engineers New England, in Waltham, Massachusetts. "Es reicht nicht, eine hervorragende Idee zu entwickeln, sie muss auch praktischen Nutzen erbringen", schlaegt Chuck Reeves, Software Engineer der DST Systems Inc. aus Kansas City, Missouri, in die gleiche Kerbe.

Besser hat es der Konkurrent Microsoft verstanden, seine Loesung zu verkaufen. Die Gates-Company liefert OLE-Funktionalitaet integriert mit den Windows-Betriebssystemen. Zudem haben sich Drittanbieter bereit erklaert, das Objektmodul auf Windows-fremde Plattformen zu portieren - ein Umstand, der den entscheidenden Vorzug Opendocs zunichte machen koennte.