Quelloffene Programme

Open-Source-Software im Business

18.03.2013
Von Tobias Wendehost

Kosten stecken im Detail

„Der Großteil des Internets basiert auf Open-Source- Software.“ Michael Kienle, Geschäftsführer des Dienstleisters IT-Novum.
„Der Großteil des Internets basiert auf Open-Source- Software.“ Michael Kienle, Geschäftsführer des Dienstleisters IT-Novum.
Foto: IT-Novum

Hat sich ein Anwender durch den Lizenzdschungel gekämpft, erwarten ihn weitere Hindernisse, aber auch Möglichkeiten. "Grundsätzlich lassen sich Open-Source-Lösungen für geschäftskritische Anwendungen gut nutzen. Der Einsatz muss jedoch genau geplant werden, wie bei allen anderen Softwareprojekten auch", gibt Michael Kienle, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters IT-Novum, zu bedenken. Hierbei muss den Anwendern klar sein, dass OSS zwar Kostenvorteile haben kann, Wartung, Implementierung und Anpassung aber versteckte Kostenfaktoren sind. "Selten handelt es sich bei Open Source um einen budgetfreien Raum. Beim Business-Einsatz empfehle ich daher, mit Supportkosten, professionellen Dienstleistungen und Ausgaben für erweiterte Komponenten zu kalkulieren", so Kienle. Dabei greifen Firmen häufig auf externes Know-how zurück oder schulen ihr IT-Personal.

Allerdings erhält ein Unternehmen mit einer OSS den Quellcode, so dass sich im Bedarfsfall Entwicklungen am Programm selbständig vornehmen lassen. Die Modifizierung der Software wird durch die Lizenz abgedeckt. Was einerseits ein Vorteil ist, kann bei fehlendem Know-how zum Problem werden. Auch hier spielt die beschriebene "Kostenfalle" eine Rolle, die gerade für mittelständische Unternehmen ein Problem ist. Zudem muss der Anwender bedenken, dass die implementierte OSS keinen Garantieanspruch mit sich bringt. "Mir kann niemand versichern, dass ein Programm hundertprozentig funktioniert. Muss eine Firma Nachbesserungen vornehmen, dann ist Know-how etwa von einem Dienstleister gefragt", sagt Visual4-Chef Rafreider. Er ergänzt: "Das ist aber bei proprietärer Software nicht anders. Man muss sich nur die Heerscharen von SAP-Beratern anschauen."

IBM nutzt SugarCRM

Ein Beispiel für die Marktreife von OSS ist die Zusammenarbeit von IBM mit SugarCRM. Mit der Kooperation beendete das Unternehmen die über 15 Jahre andauernde Zusammenarbeit mit Oracle und der Customer-Relationship-Management-(CRM-) Plattform Siebel. IBM setzt seit 2012 sein eigenes Kundenbeziehungs-Management mit einer Open-Source-Plattform um. Insgesamt betraf diese Entscheidung rund 67.000 Benutzerlizenzen. Zudem bietet IBM künftig Cloud-Dienstleistungen auf Basis von SugarCRM an.

Doch nicht nur für Schwergewichte wie IBM ist OSS mittlerweile eine Alternative. Auch in öffentlichen Behörden wird sie eingesetzt. Ein Beispiel ist das LiMux-Projekt der Stadt München. Bis Mitte 2012 wurden rund 15.000 Arbeitsplätze mit freien Programmen wie Thunderbird und Firefox ausgestattet. Insgesamt nutzen derzeit 11.100 Arbeitsplätze in der bayerischen Landeshauptstadt einen Client auf Basis von Linux.

Drei Anwendungsszenarien

Welcher Weg für die Implementierung einer OSS der richtige ist, muss ein Unternehmen am Anwendungsfall festmachen. Das Beratungshaus Ernst & Young zählt in dem Strategiepapier "Open-Source-Software im geschäftskritischen Einsatz" drei Szenarien auf:

  1. Es gibt die Möglichkeit, Software kostenlos aus dem Internet herunterzuladen. Diese Programme sollten nicht für geschäftskritische Bereiche eingesetzt werden, da keine Supportverträge und Garantien existieren.

  2. Setzt ein Unternehmen OSS mit internem Support ein, dann muss es Know-how aufbauen. Die Programme eignen sich in dem Fall für geschäftskritische Bereiche. Allerdings ist ein Investitions- und Zeitaufwand notwendig. Zudem besteht das Risiko, dass der Support allein von der internen IT abhängt.

  3. Beim Einsatz über einen IT-Dienstleister ist die Implementierung in der Regel rasch möglich. Die Applikationen eignen sich für geschäftskritische Bereiche, die vertieftes Wissen voraussetzen. Der Nachteil ist, dass Kosten entstehen und eine Firma vom Know-how des Dienstleisters abhängt. Da es zu einer Gewährleistung durch den Anbieter kommt, ist das Risiko aber niedrig.

Der Codebasar

Trotz versteckter Kosten und Integrationsaufwand sind die meisten Open-Source-Programme zuverlässig. "Der Großteil der Internet-Infrastruktur basiert auf OSS", sagt Dienstleister Kienle. Gerade die offenen Standards und eine große Entwicklergemeinde hätten zu diesem Erfolg beigetragen. An dieser Stelle kommen die Vorteile von quelloffenen Programmen für den Anwender zum Tragen. Er kann Software anpassen und weiterverwerten, vorausgesetzt, er hat die Module oder Plugins selbst entwickelt. Zudem spielt die Unabhängigkeit der Anwender gegenüber proprietären Softwareanbietern eine entscheidende Rolle. Die Vertragsbindungen existieren im Fall von selbstentwickelten Open-Source-Modulen nicht.

Die Entwicklergemeinde spielt ebenfalls in vielen Programmen eine Rolle. Auch wenn sich die Zahl der weltweiten Programmierer nicht exakt quantifizieren lässt, so ist die Entwicklung von professioneller OSS durch sie erst dynamisch. Dabei gibt es zwei Modelle, die der Open-Source-Verfechter Eric S. Raymond in seinem Buch "Die Kathedrale und der Basar" unterscheidet. Im einen Fall existiert eine Entwicklergruppe, die Softwarekomponenten programmiert und verfügbar macht. Das wird durch das Kathedralen-Modell beschrieben. Dahinter verbergen sich in der Regel IT-Dienstleister, die individuelle Schnittstellen programmieren, um die Software für den Anwender nutzbar zu machen. Im anderen Fall existiert eine Community, die wie auf einem Basar ihre "Ware" in Form von Code in eine Software einbaut und allen zur Verfügung stellt. "Gerade hieraus bezieht Open Source seine Faszination. Die Gestaltung der Software verschiebt sich vom klassischen Hersteller zum Anwender", beschreibt Kienle den Kerngedanken.

Open Source nicht stehen geblieben

Die Open-Source-Verfechter seien zudem in der Entwicklung nicht stehen geblieben: "Es gibt neue Player mit entsprechenden Maßnahmen für die Qualitätssicherung." Das findet seinen Ausdruck in Enterprise-Versionen mit Support und aufeinander abgestimmten Softwaremodulen. Dieser Trend zeigt sich auch am Markt: Neben dem erwähnten Joint Venture von IBM mit SugarCRM lässt sich die Liste etwa um den Beitritt von Microsoft zur Open Source Business Foundation oder Hewlett-Packards Unterstützung der OSS xTuple ergänzen. Hier steht allerdings die Ergänzung proprietärer Software auf der Agenda.

Ein Beispiel für die Verzahnung von OSS und proprietären Lösungen ist die Ergänzung des ERP-Programms von SAP mit SugarCRM. "Unsere Kunden wollen die Vorteile der beiden Welten verbinden", meint Kienle. Die Intention der meist mittelständischen Kunden sei eindeutig: "Häufig werden Leads, Angebote oder Marketing-Kampagnen im CRM verwaltet, die Stammdaten und Aufträge befinden sich aber in der ERP-Anwendung." Da die Werkzeuge für das Kunden-Management mit den Lösungen von SAP sehr komplex und teuer sind, setzen Kunden auf SugarCRM. Die Firmen entscheiden sich also aufgrund der Kosten, aber auch der Flexibilität für die Open-Source-Variante. "Die Unternehmen bekommen ein angepasstes CRM an die Hand, das auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Damit sind sie unabhängig und sparen Geld", kommentiert Kienle.

ERP-Softwaremarkt im Umbruch

Nach Einschätzung des Fraunhofer IPA ist das die Richtung, in die sich auch der ERP-Softwaremarkt entwickelt. "Die Anwender greifen auf Services zurück, die je nach Unternehmensebenen vom Shopfloor bis zur Leitung individuell angepasst werden", beschreibt Anja Schatz die Entwicklung. So seien sich etablierte Anbieter im Klaren, dass die Kunden keine komplette Programmsuite mehr haben wollen. Je nach Anwendungsfall sucht sich eine Firma die passende Applikation heraus, die in verschiedenen Bereichen zum Einsatz kommt. "Das Denken in verschiedenen Unternehmensebenen wird sich in Richtung Denken in integrierten Services auflösen. An diesem Punkt können dann Open-Source-Lösungen ins Spiel kommen", so Schatz. Da Open- Source-Komponenten meist flexibler anzupassen sind, liegt nach Meinung der Fraunhofer-Expertin hier die Zukunft für OSS.