Personalisierung/Verknüpfung von Content, Profilen und Datenmodellen

Ohne Integration keine Personalisierung

18.05.2001
Für die spezifische Kundenansprache liefern viele Hersteller von Web-Content-Management-Tools eigene Personalisierungs-Engines an. Bei der Auswahl solcher Systeme spielt neben dem Funktionsumfang die Integrationsfähigkeit eine zentrale Rolle. Von Alexander Schwarz*

Durch Personalisierungs-Features wollen Site-Betreiber Kunden stärker an sich beziehungsweise ihre Marke binden. Zu Beginn eines Personalisierungsprojekts müssen Firmen möglichst viele Informationen über das Umfeld, die Bedürfnisse und Ziele der Online-Besucher in Erfahrung bringen. Hierzu bieten sich Usability-Tests, Interviews und situationsbezogene Beobachtungen mit repräsentativen Testpersonen an. Ziel dieses Vorgehens, auch User Intelligence genannt, ist eine Anpassung des angebotenen Web-Contents auf die Vorlieben und Wünsche der Besucher.

Um dann die Seiten tatsächlich individuell gestalten zu können, müssen das Web-Content-Management- und das Personalisierungssystem zu einer Einheit verschmelzen. Die Personalisierungssoftware benötigt hierzu neben den Profildaten der Kunden auch den Zugriff auf das Content Repository. Aus diesem Grund offerieren viele Hersteller von Web-Content-Management-Systemen Personalisierungs-Engines als Zusatzprodukte.

Shop oder Info-PortalGrundsätzlich lassen sich die Interaktionen eines Benutzers mit einer Web-Seite in zwei Gruppen kategorisieren. Zum einen hat der Benutzer den Wunsch, sich auf einem Portal Informationen zu beschaffen. Zum anderen sucht und kauft er Waren oder Dienstleistungen online ein.

Die Herangehensweise beim Design eines Shops unterscheidet sich von der für ein Informationsportal: Bei der Modellierung eines Shop-Systems lassen sich die vorher festgelegten funktionalen Anforderungen direkt anwenden. Ausgehend von der Use Case Analyse entwerfen Softwareexperten den Web-Dialog des Shop-Systems. Die Analyse der möglichen Interaktionen des Benutzers mit den Dialogelementen führt zu einem Objektdesign. Dabei schaffen Boundary-Objekte die Verbindung zwischen den grafischen Dialogelementen und dem Objektmodell.

Bei Informationsportalen tritt in der Präsentationsschicht ein dynamischer Content Container an die Stelle des Web-Dialogs. Über eine vordefinierte Schablonenstruktur, die Template-Struktur, werden diesem Container verschiedene Layouts zugewiesen. Im Gegensatz zum Shop lassen sich allerdings weder der Inhalt noch das Layout über eine Use-Case-Analyse spezifizieren. Dennoch kann der Designer mit Hilfe des User-Intelligence-Ansatzes diese Parameter weitestgehend festlegen.

Die Verknüpfung des User Interface mit den Domänenobjekten folgt keinem standardisierten Prozess. Vom funktionalen Standpunkt aus betrachtet gilt es, den Benutzer zu authentifizieren und ihm personalisierte Inhalte anzubieten.

Personalisierungsmodule beruhen entweder auf regelbasierenden Verfahren oder bedienen sich des Collaborative Filtering. Eine regelbasierte Engine präsentiert Inhalte auf einer Seite, die anhand logischer Verknüpfungen, beispielsweise "Wenn-Dann-Regeln", festgelegt werden. So könnte ein Buch-Shop einem Online-Kunden, der sich für Bücher eines Autors interessiert, auch thematisch verwandte Werke eines anderen Schriftstellers anbieten. Die meisten Personalisierungs-Engines, die als Zusatz zu einem Web-Content-Management-System erhältlich sind, arbeiten nach diesem Schema. Personalisierungssysteme, die nach dem wesentlich komplexeren Prinzip des Collaborative Filtering arbeiten, sind oft nur als Zusatzpakete verfügbar. Sie bedienen sich statistischer Verknüpfungen, um aus vorliegenden Informationen geeignete Angebote für die Site-Besucher abzuleiten. So lässt sich zum Beispiel aus der Angabe, welchen Autotyp ein Benutzer fährt, ermitteln, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass er ein hohes Jahreseinkommen bezieht. Aus diesen Informationen fügt die Software ein Benutzerprofil zusammen, auf dessen Grundlage dann die Personalisierung der Web-Inhalte erfolgt.

Benutzerdaten auswertenDie Modellierung des Profils geschieht auf der Datenebene mit Hilfe eines Objekt- oder Datenbankmodells. Nach der Authentifizierung des Surfers werden ihm die gespeicherten Profildaten zugeordnet und diese laufend aktualisiert. Die Personalisierungs-Engine wertet die Benutzerdaten aus, um die Web-Seite mit zum jeweiligen Surfer passenden Inhalten zu füllen.

Im Gegensatz zu einem Online-Shop handelt es sich bei einem personalisierbaren Informationsportal um eine sowohl im Layout als auch im Inhalt veränderbare Oberfläche. Aus diesem Grund erfolgt die Integration mit Hilfe von klassischen Web-Content-Management-Systemen bis heute zumeist auf der Präsentationsebene.

Nach der Analyse der Käuferstruktur und der Ausarbeitung einer Kundenbindungsstrategie stellt die Aggregation der benötigten Kundendaten die größte Herausforderung bei der Einführung von Personalisierung in einem Web-Auftritt dar. In einem Großunternehmen werden an vielen Berührungspunkten mit dem Interessenten beziehungsweise dem Kunden Profildaten erfasst und in unterschiedlichen Systemen abgelegt.

Redundante DatenhaltungCall Center kreieren Tickets mit Kundenprofildaten. Zudem gewinnen Händler und Drittanbieter Informationen über den Käufer von Produkten und kennen ihn daher besser als der Hersteller selbst. Dies führt zu redundanter Datenhaltung in unterschiedlichen Systemen mit abweichender Granularität. Doch hierin steckt auch ein Nachteil: Firmen werden bei dem Vorhaben behindert, Personalisierungssysteme sowie Customer-Relationship-Management-(CRM-)Software einzuführen, um eine ganzheitliche Sicht auf den Kunden zu erhalten, und zwar unabhängig davon, wo die Informationen gewonnen wurden. Es gilt, aus den verteilten Benutzerdaten ein konsistentes Benutzerprofil zu erstellen. Dies geht nur über die Integration verschiedener IT-Systeme.

Zur Einbindung unterschiedlicher Systeme bieten sich Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen Applikationen an, etwa mittels Enterprise Javabeans (EJBs) oder der Common Object Request Broker Architecture (Corba). Durch die zunehmende Verbreitung von Server-seitigem Java setzen viele Anwenderfirmen auf EJBs und damit auf Applikations-Server. Die mit Hilfe eines Applikations-Server realisierbare Architektur erlaubt die Abbildung der grafischen Benutzerschnittstelle einer Web-Applikation. Eine Integration auf der Präsentationsschicht ist dabei jedoch nicht erforderlich

Die für die Personalisierung benötigten Benutzerprofildaten können mit Hilfe dieses Ansatzes an zentraler Stelle zur Verfügung gestellt werden. Hersteller von Applikations-Servern haben das Potenzial dieser Lösungsvariante erkannt und bieten standardisierte Schnittstellen zu Web-Content-Management-Systemen an oder erweitern ihr eigenes Produktportfolio um Content-Verwaltungsfunktionen.

*Alexander Schwarz ist technischer Architekt bei Razorfish.

Anbieter von PersonalisierungswerkzeugenVignette (www.vignette.com)

Im Zuge einer Neuausrichtung der Produktstrategie wurde Vignettes Kernprodukt "Storyserver" in V/5 umbenannt. Seit 1998 ist der regelbasierende "Lifecycle Personalisation Server" als Modul für seine V/5 Plattform von Vignette auf dem Markt. Um die Palette der Anwendungsmöglichkeiten zu erweitern, unterhält Vignette Partnerschaften mit Herstellern von Personalisierungsmodulen, wie zum Beispiel zu Netperceptions, deren "Recommendation Engine" in V/5 integriert werden kann.

Vignette bietet mit den V/5-Produkten eine funktional flexible Lösung für Web-Content-Management und Personalisierung an, die sich sowohl auf Windows-Systemen als auch, mit der neu hinzugekommenen JSP-Unterstützung, auf Java-Plattformen betreiben lässt.

Broadvision (www.broadvision. com)

Wie der Produktname "One-to-One" schon verrät, ist Personalisierung ein zentraler Bestandteil der E-Commerce-Plattform von Broadvision. Funktional deckt Broadvisions Produktfamilie das gesamte Spektrum vom Shop-System bis zum Web-Content-Management. Im Januar 2000 wurden mit der Akquisition von Interleaf die entsprechenden Funktionen hinzugefügt.

Die One-to-One Enterprise Suite besteht aus dem "Interaction Manager", der die Beziehung zwischen Anwender und Content herstellt, und One-to-One-Services, die zum Beispiel für das Sammeln von Profildaten und für den Content-Workflow zuständig sind. Zur Personalisierung lassen sich Benutzer in "Communities" kategorisieren, denen mit Hilfe vordefinierter Regeln Web-Inhalte zugewiesen werden.

ATG ( www.atg.com)

Die 1991 gegründete Art Technology Group (ATG) offeriert mit dem Dynamo Application Server eine J2EE-konforme Web-Plattform, die es erlaubt, jede Interaktion des Web-Benutzers mit dem System zu personalisieren. Die Integration mit Content-Management-Lösungen wie Documentum geschieht über spezielle "Open Connect Adapter".

Die Personalisierung übernimmt der "Dynamo Personalisation Server", der auf einem regelbasierendem Algorithmus beruht. Durch die Einbindung von Net Perceptions Recommendation Engine ist auch ein kollaborativer Filterungsalgorithmus möglich.

Bea (www.bea.com)

Mit dem Angebot des "Weblogic Personalisation Servers" mausert sich Bea vom Infrastruktur- zum Lösungsanbieter. Aufbauend auf dem J2EE-Applikations-Server "Bea Weblogic Server" können durch die Integration von Web-Content-Management-Systemen Lösungen realisiert werden.

Auch das Personalisierungsmodul von Bea verwendet einen regelbasierenden Ansatz, um Benutzer mit Inhalten zu verknüpfen.

Durch die Verwendung eines Applikations-Servers als zentrale Plattform stellen ATG und Bea technologisch flexible Lösungen dar, die mit Hilfe der Verwendung von Enterprise Javabeans die Programmierung von Geschäftslogik auf der Integrationsschicht erlauben.

Net Perceptions (www.netperceptions.com)

Net Perceptions ist der einzige größere Anbieter, der Personalisierungsmodule auf Basis der kollaborativen Filterung im Programm hat. Die US-Firma wurde 1996 gegründet und konzentriert sich hauptsächlich auf ihr Produktpaket Realtime Recommendation Engine.

In der Recommendation Engine kommen neben der kollaborativen Filterung auch weitere Algorithmen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz zum Einsatz.

Abb: Technisches Modell

Häufig werden Personalisierungs- werkzeuge auf der Präsentationsschicht integriert. Durch Applikations-Server vollzieht sich die Anbindung über die Integrationsschicht. Quelle: Razorfish